Deutschland

In Deutschland begann das Eisenbahnzeitalter mit einem Mißerfolg, sogar mit einem doppelten. Schon 1803 entwarf der kurhessische Oberbergrat C. A. Henschel eine Lokomotive oder einen Dampfwagen, es kam jedoch zu keiner Ausführung. Erst 1817 baute Henschel dann das Modell eines Dampfwagens, er erhielt sogar ein Patent darauf, aber zur Vollendung kam es wiederum nicht.

Die erste vollwertige Lokomotive Deutschlands wurde ein Jahr davor, nämlich 1816, in Berlin gebaut. Die preußische Bergwerkverwaltung hatte zwei ihrer höheren Beamten, Krigar und Eckard, nach England entsandt und sie mit dem "Studium der Dampfkraft und ihrer Anwendung auf den Verkehr" beauftragt. Die beiden preußischen Beamten reisten zur Middleton Kohlezeche in der Nähe von Leeds, wo die drei Zahnradlokomotiven Blenkinsops, nämlich die "Prince Regent", die "Salamanca" und die "Lord Wellington", 1812 und 1813 in Betrieb genommen worden waren. Die beiden letzteren Namen wurden übrigens zur Erinnerung an die Schlacht von Salamanca gewählt, bei der das englisch-hannoveranische Expeditionskorps unter Wellington mit spanischen Truppen die Franzosen besiegt hatten. Nach seiner Rückkehr wurde Krigar zum Inspektor der Königlich Preußischen Eisengießerei in Berlin ernannt und mit der Konstruktion einer Lokomotive nach den aus England mitgebrachten Plänen beauftragt.

In den "Berlinischen Nachrichten" vom 16. Juni 1861 stand zu lesen, daß der neue "Dampfwagen" - sein Aussehen ist durch eine zufällig erhalten gebliebene gußeiserne Neujahrsgrußtafel aus dem Jahr 1816 zu erkennen täglich vormittags zwischen 9 und 12 Uhr und nachmittags zwischen 3 und 8 Uhr gegen ein Eintrittsgeld von vier Groschen zu besichtigen sei und vorgeführt werde. In Berlin funktionierte die Lokomotive noch, zog eine Last von 50 Zentnern und "durchlief mit denselben einen Raum von 50 Schritten in einer Minute und konsumiert täglich nur 1 ½ Bergscheffel Steinkohle", wie eine zeitgenössische Meldung lautete.

Nach diesen Probefahrten wurde die Lokomotive wieder zerlegt und, in 13 Kisten verpackt, mühsam auf dem Land- und Wasserweg nach Oberschlesien gebracht, wo sie auf einem bereits vorhandenen Gleis Kohlenwagen von der Königsgrube zur Königshütte befördern sollte. Angeblich paßte die Spurweite der Lokomotive aber nicht auf das Gleis, vielleicht funktionierte sie nach dem zweiten Zusammenbau auch nicht mehr richtig, jedenfalls kam sie nicht zum Einsatz in der gedachten Form.

Die zweite, 1817 ebenfalls von der Königlichen Eisengießerei in Berlin gebaute und 1818 gelieferte Lokomotive war gleichermaßen ein Mißerfolg. Sie war von gleicher Bauart wie die erste und kostete (die Rechnung ist erhalten) die stattliche Summe von 3.176 Talern, 11 Silbergroschen und 9 Pfennigen. Sie wurde am 22. September 1818, ebenfalls in Kisten verpackt, auf dem umständlichen Wasserweg über Spree, Havel, Elbe, Nordsee, Rhein und Saar transportiert und kam am 4. Februar 1819 an ihrem Bestimmungsort Geislautern an. Sie sollte die Kohlenförderung auf dem 1,7 Kilometer langen, allerdings erst 1821 fertiggestellten Schienenweg von den Gruben Bauernwald und Großwald zur Verladestelle in Luisenthal an der Saar übernehmen. Aber so sehr sich die Mechaniker auch abmühten, es gelang ihnen nur, "den Wagen 20 bis 30 Fuß vor- und rückwärts zu drücken, wobei sehr oft durch Schieben und Stoßen hat Hilfe geleistet werden müssen", wie es ein zeitgenössischer Chronist vermerkte.

Vermutlich war der Kessel nicht sorgfältig genug zusammengebaut worden, denn er leckte ständig an den Dichtungsstellen. Man versuchte die Abdichtung mit Hanf, Kitt, Leinwand, Essig, Öl, ja sogar mit Rinderblut und Käse, aber nichts half. Im Jahr 1835 wurde die Lokomotive verkauft.

1835 war aber dennoch jenes Jahr, in dem das Eisenbahnzeitalter für Deutschland nun wirklich begann. Zwar hatten weitsichtige Männer, unter ihnen Friedrich List - seine Schrift "Über ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems" zeigte schon 1833 die Grundzüge des später tatsächlich ausgeführten gesamtdeutschen Netzes - für die Einführung der Eisenbahn in Deutschland plädiert, aber gewichtige politische und wirtschaftliche Interessengruppen ließen es vorerst nicht dazu kommen. Aber es ließ sich nicht verhindern.

Am 7. Dezember 1835 nahm Deutschlands erste Eisenbahn, die "Ludwigsbahn" zwischen den Städten Nürnberg und Fürth, feierlich den Verkehr auf - zunächst nur zur Personenbeförderung. Das erste Frachtgut wurde dann am 11. Juni 1836 befördert; es waren (wie könnte es in Bayern auch anders sein!) zwei Fässer Bier der Nürnberger Lederer-Brauerei, sie waren für den Bahnhofswirt in Fürth bestimmt und wurden auf dem Tender der Lokomotive mitgeführt. Diese Lokomotive war allerdings kein deutsches Erzeugnis. Nachdem ein Versuch der Bauleitung der Ludwigsbahn, in Deutschland eine Lokomotive herstellen zu lassen, fehlgeschlagen war, wandte man sich am 15. Mai 1835 an die Fabrik von Robert Stephenson in Newcastle in England. Schon am 26. Oktober desselben Jahres traf diese Lokomotive, sie hieß "Der Adler", in Nürnberg ein, begleitet von dem englischen Lokomotivführer William Wilson, der auch ihren Zusammenbau überwachte und schließlich am Eröffnungstag, angetan mit Frack und Zylinder, am Führerstand seine Maschine in Bewegung setzte und den Eröffnungszug binnen neun Minuten von Nürnberg zur Endstelle in Fürth brachte. Die Lokomotive - eine 1A1 vom Typ "Patentee" mit der Fabriknummer 118 hatte die stattliche Summe von 13.390 Gulden und 2 Kreuzern gekostet; und sie blieb bis 1857 auf der Ludwigsbahn. Dann allerdings war sie schrottreif und wurde für etwa 500 Gulden nach Augsburg verkauft, dort in ihre Einzelteile zerlegt und war somit der Nachwelt verloren. Es gibt allerdings zwei Nachbauten, deren eine im Verkehrshaus in Nürnberg steht und die an diese historische Lokomotive erinnern, zumal beide fahrtüchtig sind und auch zu Jubiläen oder anderen wichtigen Anlässen wieder angeheizt und vorgeführt werden.

Im Jahre 1836 wurde die zweite Lokomotive der Ludwigsbahn, "Der Pfeil", bezogen; aber bis 1862 wurden auch immer wieder Pferde zum Betrieb der Bahn - die übrigens keine Gleisverbindung mit irgendeiner anderen Bahn hatte und 1922 abgebrochen und durch eine elektrische Straßenbahn ersetzt wurde - herangezogen.

Nun aber war das Eis gebrochen. Trotz der politischen Hindernisse - Deutschland war zu dieser Zeit ja noch in zahlreiche größere und kleinere Staaten und Fürstentümer unterteilt, die alle ihre Souveränität unter allen Umständen wahren wollten - kamen die Dinge in Fluß und der Eisenbahnbau setzte ein.

Sachsen kann für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, die erste deutsche Fernbahn, nämlich die 116 km lange Strecke zwischen den Städten Leipzig und Dresden, in Angriff genommen und gebaut zu haben.

Die Lokomotiven wurden vorerst aus England und sogar aus den Vereinigten Staaten von Amerika bezogen, die erste Teilstrecke zwischen Leipzig und Althen am 24. April 1837 eröffnet. Auch der erste Tunnel (bei Oberau, er existiert nicht mehr) lag auf dieser Gesamtstrecke, die schließlich am 7. April 1839 feierlich eröffnet und am folgenden Tag dem Verkehr übergeben wurde. Nun waren die Sachsen aber nicht länger gesonnen, die Lokomotiven weiterhin zu importieren.

Der Bau der ersten betriebsfähigen deutschen Lokomotive, der "Saxonia", war das Ergebnis einer frühen Form von Industriespionage. Auf Kosten des sächsischen Staates reiste Professor J. A. Schubert nach England, stellte seine Beobachtungen bei der Liverpool & Manchester Railway an und hatte als anerkannter Wissenschaftler auch Gelegenheit, Bahnwerkstätten und Lokomotivfabriken zu inspizieren. Mit Hilfe seines neu erworbenen Wissens entstand auf sein Betreiben in Übigau bei Dresden die Aktien-Maschinenbau-Gesellschaft und dort wurde auch die "Saxonia", eine B 1-Lokomotive, gebaut. Sie stand immerhin 18 Jahre lang im Dienst der Leipzig-Dresdner Bahn und schied, nachdem mehrere Änderungen vorgenommen worden waren, im Jahr 1856 aus.

In den ersten fünf Jahren deutscher Eisenbahngeschichte wurden jedenfalls rund 500 km Bahnlinien fertiggestellt: die Berlin-Potsdamer Bahn am 29. Oktober 1838 (es war die erste Eisenbahn in Preußen); die Bahn Braunschweig Wolfenbüttel am 1. Dezember 1838; die Linie Düsseldorf - Erkrath am 20. Dezember 1838; die Bahn von Magdeburg über Halle bis Leipzig am 18. August 1840; die Linie Köln - Aachen - Herbesthal (belgische Grenze) als Teilstrecke bis Müngersdorf am 2. August 1839; die Taunus-Bahn von Frankfurt/Main nach Wiesbaden am 19. Mai 1840; die Strecke zwischen Mannheim und Heidelberg am 12. September 1840 und die Gesamtstrecke von München nach Augsburg (nach vorhergegangenen Teileröffnungen) am 4. Oktober 1840.

Immer wieder waren Landesgrenzen der Grund für eine an sich ungünstige Trassierung; die Bahnen in Braunschweig mußten sich nach dem Verlauf der für eine günstige Strecke sehr ungünstigen Landesgrenze richten; die Schwarzwaldbahn zwischen Offenburg und Villingen müßte nicht so viele Tunnel aufweisen, wenn die kürzeste und einfachste Trasse nicht über württembergisches Gebiet geführt hätte. Auch die Strecke zwischen München und Lindau mit ihren zahlreichen Kurven und ungünstigen Neigungsverhältnissen hätte sich vermeiden lassen, wenn sie nicht nur innerhalb der bayerischen Grenzen ausgeführt worden wäre.

Noch am 1. April 1893 bestanden in Deutschland 26 selbständige Eisenbahnen, die von den Ländern betrieben wurden: die Reichseisenbahnen von Elsaß-Lothringen, die Königlich Preußische Staatsbahn (sie wurde 1896 zur Kgl. Preußisch-Hessischen), die Königlich Bayrische Staatsbahn, die Königlich Württembergische Staatsbahn, die Königlich Sächsische Staatsbahn, die Großherzoglich Badische Staatsbahn, die Großherzoglich Hessische Staatsbahn, die Großherzoglichen Staatsbahnen von Mecklenburg-Schwerin, Sachsen Weimar und Mecklenburg- Strelitz sowie die Großherzoglich Oldenburgische Staatshahn, die Bahnen der Herzogtümer Braunschweig, Sachsen-Meinigen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha und Anhalt, die Bahnen der Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe und Lippe; dazu kamen noch Bahnen der Freien und Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck. Zusammen betrieben sie etwas über 29.000 km Hauptbahnen und 9.800 km Nebenbahnen, die in ihrem Besitz waren oder unter ihrer Verwaltung standen.

In der Hand privater Gesellschaften waren knapp über 2.400 km Hauptbahnen und 1.570 km Nebenbahnen - die bedeutendste davon war wohl die Lübeck-Büchener Eisenbahn mit etwa 160 km Streckenlänge; sie wurde erst 1937 verstaatlicht und in die damalige Deutsche Reichsbahn eingegliedert. Erst um die Jahrhundertwende waren die meisten Privatbahnen verstaatlicht, unterstanden aber noch immer nicht einer zentralen Verwaltung durch das Deutsche Reich; aber es gab nunmehr acht selbständige Staatseisenbahnen: in Preußen, Hessen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Mecklenburg, Oldenburg und Elsaß-Lothringen.

Nachdem Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte, wurde es durch den Friedensvertrag von Versailles zu Gebietsabtretungen im Westen, Osten und Norden gezwungen; für die Eisenbahnen bedeutete das einen Streckenverlust von über 8.000 Kilometern. Davon fielen 2.177 km an Frankreich, 154 km an Belgien, 254 km an Dänemark, 4.879 km an Polen, 137 km an Litauen, 31 km an die Tschechoslowakei, und die 432 km des Saarlandes kamen unter Völkerbundverwaltung. Die Eisenbahnen in den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und China waren zum größten Teil bereits während der Kriegshandlungen in die Hand der Alliierten gefallen.

Neben den Gebiets- und damit verbundenen Streckenabtretungen forderten die Siegermächte als Reparationen über 8.000 Lokomotiven, mehr als 13.000 Personen- und 280.000 Güterwagen.

Aufgrund der neuen Verhältnisse wurde die Deutsche Reichshahn gegründet, sie übernahm am 1. April 1920 die ehemaligen Länderbahnen mit einem Gesamtschienennetz von etwas über 53.550 km.

Wie schon erwähnt, mußten die ersten Lokomotiven für die deutschen Bahnen aus dem Ausland importiert werden. Aber schon bald sollte sich das ändern.

Bereits am 24. August 1841 verließ die Lokomotive mit der Fabriknummer 1 die Werkstatt von August Borsig in Berlin; aus der bescheidenen Werkstatt entwickelte sich eine der bedeutendsten Lokomotivfabriken Deutschlands.
Fast zur gleichen Zeit begann J. A. Maffei in München mit dem Lokomotivbau, als Fabriknummer 1 wurde die Maschine "Der Münchener" im September 1841 an die Bayrische Staatsbahn geliefert.

G. Krauss, ein ehemaliger Mitarbeiter Maffeis, gründete ebenfalls in München 1866 die zweite dortige Lokomotivfabrik; bis zur Zusammenlegung beider Werke im Jahr 1931 war Krauss (unter diesem Namen wurde auch ein Zweigwerk in Linz/Österreich betrieben) bekannt dafür, vornehmlich Lokomotiven für normalspurige Nebenbahnen bzw. Schmalspurbahnen zu liefern.

Ebenfalls 1841 gründete E. Kessler in Karlsruhe ein Werk, das als seine No.1 die "Badenia" für die Badische Staatsbahn im Dezember  1841 ablieferte.

1846 übernahm Kessler den Bau einer eigenen Fabrik für die Württembergische Staatsbahn in Esslingen, die bis 1961 Bestand hatte.

In Hannover gab es die von G. Egestorff 1835 gegründete Maschinenfabrik, die 1846 ihre erste Lokomotive für die Hannoversche Staatshahn, die "Ernst August", baute. Aus dieser Fabrik ging später die berühmte "Hanomag" hervor, die bis 1930 auch Lokomotiven baute.

In Kassel war es G. A. C. Henschel, aus dessen Werkstatt die erste Lokomotive mit dem Namen "Drache" am 19. Juli 1848 an die hessische Friedrich-Wilhelms-Nordbahn abgeliefert wurde; die Firma besteht unter diesem Namen noch heute, wenngleich der Dampflokbau längst der Vergangenheit angehört.

Seit 1858 wurden von Linke-Hofmann in Breslau Lokomotiven gebaut, erst 1930 ging das Werk an Krupp und Henschel über.

Krupp in Essen, dessen nahtlose Radreifen für Loks und Wagen einen schnellen Eisenbahnverkehr erst möglich machten (die heute noch als Firmensymbol dienenden drei Ringe erinnern an diese Erfindung), begann 1919 mit dem Lokomotivbau.

Arnold Jung in Jungenthal bei Kirchen an der Sieg baute seit 1858 Lokomotiven - die letzte an die Deutschen Bundesbahnen gelieferte Dampflokomotive, die 1C1-Personenzuglok 23 105, kam aus den Werkhallen von Jung.

Zwischen 1848 und 1929 wurden Lokomotiven, vornehmlich an die Sächsische Staatsbahn, von der Sächsischen Maschinenfabrik, vormals R. Hartmann in Chemnitz, geliefert.

Von 1858 bis 1928 bauten Vulkan in Stettin, von 1860 bis gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Schichau in Elbing, von 1866 bis 1945 die Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft vorm. Schwartzkopff in Berlin (sie war u. a. auch bekannt für ihre Lieferungen an Bulgarien), von 1876 bis 1929 die Hohenzollern AG für Lokomotivbau in Düsseldorf-Grafenberg; von 1897 bis 1928 die Maschinenbau- Anstalt Humboldt AG in Köln-Kalk Lokomotiven für das In- und Ausland, aber die Liste der angeführten Fabriken ist bei weitem nicht vollständig.

Im Lauf der Jahre bildete sich so etwas wie eine "norddeutsche" und eine "süddeutsche" Schule des Lokomotivbaus mit zahlreichen Varianten und Abarten aus, auch wurden vereinzelt Impulse aus dem Ausland (das de Glehn-Verbundsystem oder der Barrenrahmen von Baldwin oder das geteilte Triebwerk nach Mallet) aufgenommen und nach den jeweiligen Bedürfnissen abgewandelt und variiert.

Die meisten Fortschritte machte das zentralistische Eisenbahnsystem - wo auch sonst in Preußen. Bereits ab 1875 wurden die "Preußischen Normalien" geschaffen Richtlinien, nach denen von nun ab in einheitlicher Form Lokomotiven und Wagen gebaut wurden.

Die anderen Bahnen folgten diesem Beispiel, und so bildeten sich neben den preußischen auch spezifisch bayerische, sächsische oder württembergische Bauformen heraus, was nicht allein auf die Lokomotiven beschränkt blieb, sondern sich auch im Stil der Wagen, der Signale oder der Bahnhofsbauten ausdrückte.

Der wirtschaftliche Aufschwung in den letzten Jahren vor und den Jahren nach der Jahrhundertwende bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs begünstigte natürlich den deutschen Lokomotivbau. War schon das Verbundsystem (der hochgespannte Dampf verrichtete seine Arbeit im Hochdruckzylinder und wurde dann in den Niederdruckzylinder geleitet, wo er noch einmal die gleiche Arbeit verrichtete) in Sachen Wirtschaftlichkeit und niedrigerem Kohleverbrauch besonders im süddeutschen Raum erfolgreich angewendet worden, war die Überhitzung des Dampfs ein weiterer Schritt zur Senkung der Betriebskosten. In Kassel arbeitete der Ingenieur W. Schmidt an Versuchen, um die Vorteile der an sich bekannten Dampfüberhitzung auch dem Lokomotivbau dienstbar zu machen.

Der hochgespannte Naßdampf wurde bis auf 300 Grad Celsius und mehr erhitzt, ehe er seine Arbeit in den Zylindern verrichtete. Neben der Brennstoffersparnis konnte auch die Leistung der Lokomotiven auf diesem Weg gesteigert werden. Der Heißdampf im Zusammenwirken mit dem Verbundsystem war wohl die wirtschaftlichste Art, eine Dampflokomotive zu betreiben.

Während nach 1900 die Heißdampflokomotive mehr und mehr gebaut wurde, gab es auf der Militärbahn Marienfelde-Zossen bei Berlin ein Ereignis, das zunächst nur in Fachkreisen beachtet wurde, und das doch bedeutend genug war, um das langsame Abtreten der Dampflokomotive einzuleiten. Die Elektrofirmen AEG und Siemens hatten auf der genannten Strecke zwei elektrische Triebwagen in Erprobung, die beide über 200 km/h erreichten, jener der AEG überschritt sogar die unglaubliche Marke von 210 km/h geringfügig. Das war eine Geschwindigkeit, die (zumindest offiziell) nie von einer Dampflokomotive erreicht worden ist.

Aber die Dampflokomotive war noch lange nicht am Ende, und die aufsehenerregendsten Konstruktionen sollten erst noch gebaut werden. Die steigenden Zuggewichte sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr erforderten immer leistungskräftigere Lokomotiven. Schon vor der Jahrhundertwende waren die bis dahin im Schnellzugdienst befriedigenden 2B-Maschinen unzureichend geworden, durch Hinzufügen einer hinteren Laufachse wurde daraus die 2B1, die klassische Schnellfahrlok, die aber nur für etwa ein Jahrzehnt den Schnellzugdienst beherrschte Die badische IId von Maffei gilt als eine der klassischen Vertreterinnen der "Atlantic"-Loks, wie die Maschinen dieser Achsfolge auch genannt wurden.

Doch bald waren zwei gekuppelte Achsen auch zu wenig, es erschienen die 2C-Lokomotiven wie die bayerische S 3/5, die sächsische XII H und die preußische S 10 mit ihren Unterbauarten. Nun war der Schritt zur 2C1 nicht mehr weit, in Preußen wurde er allerdings nicht mehr begangen.

Wieder war es die Lokomotivfabrik Maffei, die die erste deutsche "Pacific", also die 2C1, auf die Schienen stellte: die badische IV f war der Ausgangspunkt zu Chefkonstrukteur Hammels unbestrittenem Meisterwerk: der bayrischen S 3/6, die später als Baureihe 184-5 bei der Deutschen Reichsbahn eingereiht und sogar bis 1930 in fast unveränderter Form weiterbeschafft wurde, obwohl mittlerweile das Typenprogramm der Einheitslokomotiven der Deutschen Reichsbahn angelaufen war. Die sächsische XVIII H und die badische IVh (später Baureihen 180 bzw. 183) waren markante Vertreterinnen dieses Typs von Schnellzuglokomotiven.

Aber auch im Personenzug- und Güterzugdienst waren die Anforderungen gewachsen; die Lokomotiven waren größer, schwerer und leistungsstärker geworden. Besonders bekannt wurden die preußische P8 (später Baureihe 3810-40, die nach dem Krieg in ganz Europa anzutreffen war und sogar von Rumänien in großer Anzahl in Lizenz nachgebaut wurde), die preußische T18 (eine 2C2-Tenderlok, spätere Baureihe 78) und die bayerische P3/5, die es in einer Naß- und einer Heißdampfvariante gab. Im Güterzugdienst erforderten die zu ziehenden Lasten bald Lokomotiven mit den Achsfolgen D, 1 D, E und 1 E.

Wie schon erwähnt, trat die Deutsche Reichsbahn am 1. April 1920 das Erbe der Preußisch-Hessischen, Bayrischen, Sächsischen, Württembergischen, Badischen und Oldenburgischen Staatsbahnen sowie der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Bahn an.

Es erhob sich nun die Frage, wie der Lokomotivbau weitergeführt werden sollte, denn durch die Reparationsleistungen waren bedeutende Lücken im Fahrzeugbestand entstanden.

Um es kurz zu machen: Im neugeschaffenen Reichsbahn-Zentralamt, geleitet von R. Wagner, wurden die Entwürfe für neue, sogenannte "Einheitslokomotiven" erarbeitet, die nach und nach die alten Länderbahnloks ersetzen sollten.

Am fühlbarsten war der Mangel an Schnellzuglokomotiven, denn da hatten sich die Siegermächte einerseits ausgiebig bedient, andererseits waren die Lokomotiven durch mangelnde Pflege während des Krieges kaum noch einsatzfähig und überholungsbedürftig.

Als erste wurden die 2C1-Loks der Baureihen 01 und 02 geliefert, erstere eine Zweizylinderlok mit einfacher Dampfdehnung, letztere eine Vierzylinder-Verbundlok. Der Reihe 01 gab man schließlich den Vorzug, sie wurde die klassische deutsche Schnellzuglok der Zwischenkriegszeit. Aber auch Güter-, Personenzug- und Rangierloks wurden, teilweise in nur kleinen Stückzahlen, gebaut und eingesetzt, und langsam wandelte sich das äußere Bild der Dampftraktion.

Auch reine Schnellfahrloks wurden gebaut, um Vergleiche mit den neu aufkommenden Diesel-Schnelltriebwagen anstellen zu können, und das führte schließlich zum Schnelligkeitsrekord der 2C2-Maschine 05 002; sie erreichte am 11. Mai 1936 auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg 201 km/h.

Auf dem Güterzugsektor wurden die Reihen 44 und 50 gebaut, beides 1 E-Maschinen, die erstere schwerer, die zweite leichter. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erfuhr der Lokomotivbau eine Unterbrechung bzw. Umstellung.

Mit den geänderten Erfordernissen wurden fast ausschließlich folgende Lokreihen gebaut: die Baureihe 42 (die vereinfachte 44er, etwa 800 Stück) und die Baureihe 52, die berühmte "Kriegslok", eine vereinfachte 50er, von der sämtliche unter deutscher Herrschaft stehenden Lokfabriken Europas insgesamt nahezu 7.500 Stück herstellten.

Am 8. April 1945 war in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende.

Die politischen Auswirkungen sind bekannt. Zunächst bildeten sich vier selbständige Bahnbetriebe unter amerikanischer (13.048 km), britischer (12.679 km), französischer (5.606 km) und russischer (13.532 km) Kontrolle. Das Betriebsrecht der Eisenbahnen in der geteilten Stadt Berlin verblieb insgesamt bei den Sowjets und später bei der DDR. Nach und nach wurden die Bahnen der drei Westzonen in deutsche Verwaltung übergeben, zunächst noch als Deutsche Reichsbahn, ab 7. September 1949 als Deutsche Bundesbahn (DB).

Am 1. Januar 1957 wurden auch die bis dahin abgetrennten Bahnen des Saarlandes wieder an die DB angegliedert. Die DB stellte noch einmal ein Typenprogramm zur Neubeschaffung von Dampflokomotiven auf, es umfaßte 14 Baureihen. Tatsächlich gebaut wurden dann nur mehr fünf Baureihen, nämlich die Reihen 23 (1C1), 65 (1D2-Tenderlok), 82 (E-Tenderlok), 10 (2C1) und 66 (2C2-Tenderlok); von den beiden letztgenannten Gattungen kamen nur mehr je zwei Stück zur Ausführung. Grund dafür war der Strukturwandel der Zugförderung - d. h. die Strecken wurden elektrifiziert oder auf Dieselbetrieb umgestellt.

Das Ende des Dampfzeitalters begann sich abzuzeichnen. Tatsächlich dauerte es noch bis zum 26. Oktober 1977, als die letzte (ölgefeuerte) Dampflok der Baureihe 042 (früher 41-ÖI), eine 1D1, die Epoche des Dampfbetriebs bei der DB beendete. Überdies erließ die Bundesbahn (unverständlicherweise) ein Fahrverbot von erhaltenen Dampflokomotiven auf ihren Gleisen. Aber der Dampfbetrieb ist noch nicht ganz tot.

Es war im Sommer 1966, als offiziell das Zeitalter des fahrplanmäßigen Museumsbetriebs anfing. Die Verkehrsbetriebe Grafschaft Hoya liehen dem Deutschen Kleinbahn-Verein (heute: Deutscher Eisenbahn-Verein DEV) eine Meterspurlok, Baujahr 1899, von der aufgelassenen Schmalspurlinie der DB Mosbach-Mudau wurde ein Personenwagen gekauft und der Betrieb zwischen Bruchbausen-Vilsen und Asendorf wurde, zunächst nur in bescheidenem Umfang, aufgenommen.

Der Gedanke fand Nachahmer, nicht nur auf schmalspurigen Gleisen. Stillgelegte Strecken oder Teile davon wurden von Museumsbahnen reaktiviert, und in den achtziger Jahren waren es
bereits rund 50 Eisenbahnstrecken allein im Bundesgebiet, die (meist mit Dampfloks) in der warmen Jahreszeit befahren werden.

Die Deutsche Reichsbahn in der DDR litt zunächst neben den Kriegszerstörungen unter den umfangreichen Demontagen von Streckengleisen in den ersten Nachkriegsjahren.

Mit Wirkung vom 1. April 1949 wurden 103 noch bestehende Privat- und Kleinbahnen von der Reichsbahn übernommen. Genau wie in der Bundesrepublik wurden zahlreiche Nebenstrecken als unrentabel eingestellt. Allerdings sollten immerhin insgesamt 235 km Schmalspurstrecken als "Traditionsbahnen" erhalten bleiben - aber das wurde natürlich nicht privater Initiative überlassen, sondern vom Staat beaufsichtigt und kontrolliert.

Genau wie bei der DB gab es auch bei der DR ein Beschaffungsprogramm für Dampflokomotiven, aber es wurden ebenfalls nur noch fünf neue Baureihen ausgeführt.

Diese waren: Baureihe 25 (1D, nur zwei Exemplare gebaut), Baureihe 6510 (1D2-Tenderlok), Baureihe 8310 (1D2-Tenderlok leichterer Bauart für Nebenbahnen), Baureihe 2310 (1C1) und Baureihe 5040 (1E, eine verbesserte Baureihe 50).

Die Schnellzuglokomotive 18.323 der Bauart 2'C1'h4 steht gut erhalten in Offenburg.

1920 von Maffei gebaut, hatte sie eine Leistung von 1950 PSi und eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h.

Bei Versuchsfahrten nach dem Krieg erreichte sie bei Minden sogar 165 km/h!

Die Treibräder haben einen Durchmesser von 2100 mm, die vorderen Laufräder von 990 mm;

Die gesamte Länge über Puffer beträgt 23,23 m.