Die Versuche mit Elektrizität

Lokomotive der Fa. Krizik für die elektrischen Versuchsfahrten des Jahres 1906. Diese Lokomotive trug die Nummer 1 und den Namen "Wien". Sie wurde im Jahr 1927 von den Tschechischen Staatsbahnen übernommen und befindet sieh heute im Prager Verkehrsmuseum.
Elektrischer Versuchszug aus dem Jahr 1902 für die Stadtbahn, umgebaut aus zehn Personenwagen.
Versuchslokomotive "Wien", Werksfoto.
Die beiden Frontansichten der Versuchslokomotive.

Bereits im Jahr 1897, als die Stadtbahn noch nicht einmal in Betrieb war, wurde deren Elektrifizierung in Erwägung gezogen. Erstmals nahm in den Jahren 1901 und 1902 die Firma Siemens & Halske versuchsweise einen elektrischen Probebetrieb auf. Auf der Teilstrecke Michelbeuern - Heiligenstadt der Gürtellinie wurden zwischen den Fahrschienen Stromschienen verlegt, gespeist wurde die Anlage mit 500 Volt Gleichstrom. Aus dem Personenwagenpark der Stadtbahn baute man im Jahr 1901 vier Wagen zu einem elektrischen Triebwagenzug um, 1902 wurde ein Zehnwagenzug aus den vorhandenen Stadtbahnwagen für den Probebetrieb adaptiert. Bei diesen Triebwagenzügen unternahm man erstmals in Österreich den Versuch, mehrere Motorwagen von einem Führerstand aus fernzusteuern. Vorbild dafür war die im Jahr 1896 eröffnete Kaiser-Franz-Joseph Untergrundbahn in Budapest ("Földalatti").

Die Stromversorgung der Versuchszüge mit, 500 Voll Gleichstrom erfolgte über eine mittig im Gleis angeordnete Stromschiene. Die Probefahrten, die über die Gürtelstrecke von Michelbeuern nach Heiligenstadt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h durchgeführt wurden, fanden ohne Fahrgäste statt. Obwohl die Ergebnisse in technischer Hinsicht erfolgreich waren, zeigten sie betriebswirtschaftlich keine Einsparungen gegenüber dem Dampfbetrieb. Die Versuche wurden daher im Jahr 1902 aus Geldmangel beendet.

Ein weiterer Elektrifizierungsversuch für die Stadtbahn wurde von der Prager Firma Krizik auf der Verbindungsbahnstrecke Hauptzollamt - Praterstern unternommen. Bei diesen Versuchen, die im Jahr 1906 stattfanden, wurde jedoch eine Lokomotive verwendet. Das Gleichstrom-Dreileiter-Systern wurde über eine doppelpolige Fahrleitung (2 x 1500 Voll) der Lokomotive zugeführt, die Rückleitung erfolgte über die Fahrschienen. Obwohl auch diese Probefahrten in technischer Hinsicht entsprachen, konnte kein befriedigendes Gesamtergebnis erzielt werden. Ab 1910 fanden wiederholt erfolglose Besprechungen über mögliche Elektrifizierungsprojekte für die Stadtbahn statt, der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte jedoch alle weiteren Elektrifizierungsbestrebungen zunichte.

Auch der Dampfbetrieb gestaltete sich während des Krieges durch den Kohlenmangel immer schwieriger, sodaß der Stadtbahnbetrieb im Jahr 1918 eingestellt werden mußte.