In Wien wollte man sich jedoch intensiver als anderswo informieren, bevor man das "Abenteuer elektrische Straßenbahn" in Angriff nahm. Die "Neue Wiener Tramwaygesellschaft" führte im Jahr 1895 Versuchsfahrten vom Gürtel nach Hütteldorf mit zwei Akkumulatortriebwagen durch. Diese beiden Akkuwagen, die in Amerika gebaut worden waren und auch schon in New York einen Probebetrieb durchgeführt hatten, verwendete auch das Konkurrenzunternehmen "Wiener Tramwaygesellschaft" für Versuche auf der Strecke Bellaria - Burggasse von Mai bis Juli 1896.
Der Druck der Fahrgäste, der Stadtverwaltung und der Presse, auch in Wien die elektrische Straßenbahn einzuführen, veranlaßte endlich die größte Straßenbahnunternehmung Wiens, die "Wiener Tramwaygesellschaft", zur Tat zu schreiten. Am 2. Jänner 1896 wurde die behördliche Genehmigung für den Bau einer elektrisch zu betreibenden Tramway-Strecke erteilt.
Als sich der Verwaltungsrat der "Wiener Tramwaygesellschaft" nun doch zum Bau einer elektrischen Tramwaylinie entschloß, gab es in Österreich solche Anlagen bereits in zwei kleinen Städten: Baden bei Wien und sogar Gmunden in Oberösterreich hatten sich den Luxus einer elektrischen Straßenbahn schon zwei Jahre vor der Haupt- und Residenzstadt Wien geleistet. Aber auch die nahe gelegene Stadt Budapest hatte Wien überflügelt: Hier gab es schon seit 1887 elektrische Straßenbahnen, und seit 1896 hatte die ungarische Hauptstadt sogar eine elektrisch betriebene Untergrundbahn, die "Földalatti", heute U-Bahn-Linie "M1" genannt.
Die Voraussetzungen für ein elektrisch betriebenes Straßenbahnnetz waren schon seit der Errichtung des Kraftwerkes Leopoldstadt im Jahr 1889 gegeben. Dieses Kraftwerk in der Oberen Donaustraße wurde von der "Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft" gebaut, es war bis 1902 für Straßenbahnzwecke in Betrieb, danach erfolgte die Bahnstromversorgung durch das von der "Gemeinde Wien - städtisches Elektricitätswerk" errichtete Kraftwerk Simmering.