Elektrotechnische Ausrüstung
Textauszug aus der Broschüre "Der Gelenktriebwagen der Badner Bahn" von Ing. Erich Duda, Verlag Josef Otto Slezak, ISBN 3-85416-146-8
1. Allgemeines
Außer den im Punkt 2.1 geschilderten Umständen, die einen kompletten Neuentwurf der Schaltung erforderten, war auch die stark unterschiedliche Fahrleitungsspannung zu berücksichtigen. Diese beträgt auf der Überlandstrecke 850 V=, wobei im Leerlauf (nur Beleuchtung und Hilfsbetriebe angeschlossen) Spannungen bis über 950 V auftreten. Im Stadtgebiet von Wien
beträgt die Fahrleitungsnennspannung jedoch nur 650 V=, sodaß die Werte des Punktes 40.1 der ÖVE-T1, die (bei einer Nennspannung von 750 V) max. 900 V und min. 525 V betragen würden, sowohl nach oben als auch nach unten überschritten werden. Es mußte daher ein störungsfreier Betrieb mit Fahrleitungsspannungen von 450 V bis 950 V gefordert werden.
Die Ausrüstung erstellte federführend die Österreichische AEG-Telefunken Ges.m.b.H. (ÖAT), wobei die Firmen BBC, Kiepe, Siemens, Knorr und Transelektronik Teile zulieferten.
2. Elektrotechnische Daten
Fahrdrahtspannung maximal: 825 V + 20 % = 980 V
Fahrdrahtspannung minimal: 650 V - 30 % = 455 V
Motore BBC Type WD 785 VS: 2 Stück
Stundenleistung bei 750 V, je Motor: 190 kW
Stundendrehzahl: 1750
Getriebeübersetzung: (51: 9) 1: 5,666
Halbautomatische Fahr-Bremsregelung mit elektronischem Fahrtregler GEAMATIC-M Type GA-TR 147 INTERMAS (Ausführung ÖAT).
Leichtbau-Nockenschaltwerk Type GNW 97 (Ausführung ÖAT) mit 29 Starkstromnockenschaltern und 23 Hilfsnockenschaltern zur Gruppierung für Fahren Serie-Parallel bzw. Bremsen sowie zur Schaltung der Widerstände für 11 Serien-, 10 Parallel- und 17 Bremsstufen.
3. Starkstromausrüstung
3.1 Fahrmotoren
Der Motor Type WD785 ist seit acht Jahren laufend für die österreichischen Straßenbahnbetriebe in Fertigung und gegenwärtig mit mehr als 700 Stück in Verwendung. Dieser Motor, ein vierpoliger kompensiertet Reihenschlußmotor, ist für beidseitigen Antrieb mit angeflanschten Getrieben ausgeführt und in Fahrzeuglängsrichtung im Drehgestell eingebaut. Das Gehäuse besteht aus Sphäroguß und der Rotor ist mit Wälzlagern (Dauerschmierung) im Gehäuse gelagert.
Als Weiterentwicklung ist bei sonst gleichen Abmessungen der Anker erstmalig mit einem Schrumpfringkollektor ausgerüstet. Der neue Kollektor mit Innenschrumpfring ermöglicht nicht nur im Interesse langer Lebensdauer die Erhöhung der zulässigen Kollektorabnützung von 5 auf 8 mm, sondern auch eine intensivere Durchlüftung des Ankers. Daher ist die Typenbezeichnung des Motors WD785VS (V = verstärkt, S = Schrumpfring).
Während des strengen Winters Anfang 1987 traten in der zweiten Jännerwoche durch starken Schneefall mit extremer Kälte bis unter -20°C und Sturm acht Triebmotordefekte auf, sodaß der Verkehr nur unter den größten Anstrengungen mit verkürzten Garnituren aufrechterhalten werden konnte. Als Ursache der Ausfälle wurde festgestellt:
- Aneisen der Kohlebürsten, da einige Wagen nicht in Hallen abgestellt werden konnten (die Wagenhalle Wien wurde daraufhin 1988/89 um 20 m verlängert),
- Eindringen von Feuchtigkeit in die Isolierung; Abhilfe in Hinkunft durch Verwendung noch besserer Materialien ('Veridur').
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß bei späteren Schneefällen und neuerlichen tiefen Temperaturen keine Motordefekte auftraten, was zeigt, daß die Beanspruchungen im Jänner 1987 wirklich extrem waren.
3.2 Dachausrüstung
Aus Einheitlichkeitsgründen wurden Stromabnehmer und Überstromschutz der Firma Siemens verwendet und entsprechen damit dem Einheitswagen. Die Stromabnehmer sind so gegeneinander verriegelt, daß jeweils nur der vordere jedes Wagens an der Fahrleitung anliegen kann. Durch Betätigung eines 'Notschalters' kann der jeweils hintere Stromabnehmer angehoben werden, damit bei Defekt des vorderen oder bei vereister Fahrleitung der Triebwagen fahrfähig bleibt.
Der Überspannungs- und Überstromschutz entspricht dem Einheitswagen, die erforderlichen Widerstände (Fabrikat Kiepe) sind im A-Wagen zusammengefaßt.
3.3 Fahr-Bremsschaltung
Die Starkstromschaltung weist keine Besonderheiten auf. Mit einem elektrisch angetriebenen Nockenschaltwerk werden die Fahr- und Bremsgruppierungen der Widerstände vorgenommen.
Bei Ausfall des Schaltwerks und der Automatik ist eine Notfahrt durch Hilfsschütze bis Serie möglich.
Es wurden Überlegungen angestellt, diese 'Notfahrteinrichtung' aus Vereinfachungsgründen wegzulassen. Einige Fälle, bei denen die Abbeförderung von Wagen ohne Einleitung eines Hilfszuges mit Notfahrt möglich war, haben deren Notwendigkeit jedoch bewiesen.
Für die Betriebsabwicklung der WLB ist die Führung von zwei gekuppelten Gelenkzügen von einem Führerstand aus vorgesehen. Die Wagen sind jedoch technisch für die Kupplung von drei Zügen eingerichtet.
4. Steuereinrichtung
Die Geamatic ist entsprechend den VÖV-Bestimmungen ausgeführt und hat die Aufgabe, die vom Fahrer vorgegebenen Steuerbefehle mit dem Fahrzustand zu vergleichen und die erforderlichen Ausgangssignale in der richtigen Form an die Steilglieder zu geben. Die Fahrtregler aller im Zugverband laufenden Wagen sind eingeschaltet, erhalten aber ihre Steuerbefehle nur vom führenden Wagen.
Der Fahr-Bremshebel (Sollwertgeber) ist mit einer Sifa ausgerüstet; die übrigen Bedienungshebel und -sehalter sind in der üblichen Art gegeneinander verriegelt.
5. Bremse
Die Wagen sind mit generatorischer Bremse, mit Solenoidbremse auf einem Laufdrehgestell, Federspeicherbremse auf den Triebdrehgestellen und Schienenbremsen in allen Drehgestellen ausgerüstet. Die bei den WLB bisher verwendete Vakuumbremse war daher nicht mehr notwendig und konnte entfallen.
Die Bremswerte wurden durch Änderung des Übersetzungsverhältnisses der Solenoidbremse und Ersatz der 40kN-Schienenbremsen durch solche von 50kN-Anpreßdruck-vor allem bei schlechtem Schienenzustand-weiter verbessert.
Die Sandstreuer werden richtungsabhängig vor jedem Triebdrehgestell bei Gleitvorgängen oder bei Notbremsung elektrisch betätigt.
6. Umformer und Batterie
Wegen der hohen Fahrleitungsspannung mit Spitzen im Leerlauf von über 950 V hätte der übliche statische Umrichter nur nach entsprechender Änderung und ausreichender Erprobung verwendet werden können. Da hierfür die Zeit nicht ausreichte, wurde ein rotierender Umformer mit 7,5 kW Gesamtleistung vorgesehen, der mit 220 V 100 Hz Drehstrom die Beleuchtung, mit 24 Via die Scheibenheizung und mit 24 V= die übrigen Hilfsspannungsverbraucher versorgt. Mit den 24 V= wird eine Bleibatterie 2 x 12 V, 180 Ah geladen, die sowohl bei Einschaltung des Wagens als auch bei eventuellem Ausfall des Umformers die Versorgung sichert. Die Batteriespannung ist nicht als Zugleitung über die Fabeg-Kupplung geführt, sondern jeder Wagen ist gesondert versorgt.
7. Beleuchtung
Die Innenbeleuchtung besorgen in der üblichen Art 220 V Leuchtstofflampen, drei Lampen sind als Notbeleuchtung direkt von der Batterie gespeist. Die Einschaltung für den ganzen Zug obliegt dem Triebwagenführer.Die Zugspitzenbeleuchtung (zwei Halogenscheinwerfer und ein Dach-Spitzenlicht) ist gesondert schaltbar, weil auf der Überlandstrecke für Geschwindigkeiten über 60 km/h auch bei Tag mit eingeschalteten Scheinwerfern gefahren werden muß.Das Schlußlicht wird jeweils vom vorderen Führerstand des letzten Wagens eingeschaltet, weil diese Schaltung bei den WLB eingeführt und bewährt ist.Brems-, Blink- und Türleuchten sowie Fahrerraumlicht sind in der üblichen Schaltung vorgesehen.
8. Heizung und Lüftung
Der Wagen wird mit sechs Umluftheizkörpern von je 3 kW thermostatgesteuert beheizt.Die Thermostatsteuerung wurde abgeändert, da die früheren Geräte ein Schaltspiel von über 4°C aufgewiesen haben, sodaß die Heizgeräte erst abschalteten, wenn es bereits zu heiß war, und erst wieder einschalteten, wenn es merkbar abgekühlt hatte. Zur Lüftung des Wagens sind wie beim Einheitswagen Dachlüfter aufgesetzt, die ebenfalls ein Thermostat bei Temperaturen von mehr als ca. 25° C einschaltet.
9. Türsteuerung
Die Türsteuerung, Fabrikat Kiepe, ist weitestgehend jener des Wiener E2-Wagens angeglichen. Jede Tür kann durch einen Schalter von der Automatik getrennt werden und öffnet sich dann bei jeder Betätigung der entsprechenden Freigabe-Taste und schließt sich bei Drücken der Löschtaste. Bei Probe- und Werkstättenfahrten kann mit einem Überbrückungsschalter die gesamte Türsteuerung abgeschaltet werden.
10. Nachrichtentechnische Einrichtungen
Derzeit ist lediglich ein NF-Verstärker der Firma Transelektronik eingebaut, mit dem zwischen den Führerständen ein Wechselgespräch möglich ist (auch für die Überprüfung und Fehlersuche wichtig!). Der Fahrer kann auch Durchsagen über Innen- und Außenlautsprecher geben. Wird eine Nottaste gedrückt, erzeugt der NF-Verstärker auf alle Außenlautsprecher einen kräftigen Sirenenton. Ein Steuereinschub ermöglicht das Wechselsprechen auch bei abgeschaltetem Zug.Die Wagen sind für den Einbau einer Funkanlage vorbereitet, diese wird jedoch erst bei Aufnahme des Einmannbetriebs eingebaut.Die Notwendigkeit des Einbaues von Funkanlagen, Fahrkartenautomaten und Tonband geraten wurde im Pkt. 2.3.2 bereits angeführt.
11. Entwerter
Zur Entwertung der eingeführten Mehrfahrtenkarten (6-Fahrten-Streifenkarten zum Preis von fünf Fahrten) sind bei jedem Einstieg Entwerter Fabrikat ÖAT (wie im E2) eingebaut.
12. Geschwindigkeitsmeßanlage und Wegregistrierung
Die Anlage, Fabrikat Deuta, in dieser Form erstmalig in Österreich verwendet, weist auf jedem Führerstand einen Tachometer, zusätzlich auf Führerstand B einen Kilometerzähler und auf Führerstand A ein Kurzweg-Registriergerät Type KWR auf elektronischer Basis auf. Durch dieses werden die Geschwindigkeit und sonstige Informationen (Betätigung einer Bremse, des Warnblinkers oder eines Überbrückungsschalters Punkt 13) auf den jeweils letzten 1.500m gespeichert. Es sind acht Informationskanäle vorgesehen. Nach einem Unfall kann das Gerät ausgebaut und sein Informationsspeicher mit dem Auswertegerät vom Typ KWS zur Beurteilung des Verkehrsvorganges ausgewertet werden.
13. Störungsmeldungen
Störungen werden durch einen Summer akustisch und durch eine zentrale Lampe 'Störung' angezeigt. Nach Abschalten des Summers kann durch das Leuchten der jeweiligen Störlampe am Meldetableau oder Fahrerpult der Fehler eingegrenzt werden. Wird eine Anlage durch einen Überbrückungsschalter im Notbetrieb betrieben oder abgeschaltet, leuchtet auf jedem Führerstand eine auch von außen sichtbare blaue Lampe als Notschaltungs-Meldung auf. Dies erfolgt, wenn folgende Maßnahmen getroffen werden:
- Hinterer Stromabnehmer hoch
- Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) überbrückt
- Türsteuerung überbrückt
- Notlichtschalter eingeschaltet
- Wagensteuerung abgeschaltet (Notfahrt)
- Umformerschütz überbrückt