Bauliche Detailsder Reihe 100

Der Innenraum wirkt durch die fahrgastfreundliche Sitzausstattung und die Tische geschmackvoll und einladend. (Foto: SGP)

Textauszug aus der Broschüre "Der Gelenktriebwagen der Badner Bahn" von Ing. Erich Duda, Verlag Josef Otto Slezak, ISBN 3-85416-146-8

1. Allgemeines
In der technischen Beschreibung werden hauptsächlich jene Besonderheiten und Details erwähnt, die von den allgemeinen Grundsätzen des im Punkt 2.1 genannten österreichischen Einheitsstraßenbahnwagens, nach denen diese Züge gebaut wurden, abweichen. Es werden außerdem Überlegungen und Techniken beschrieben, die hier erstmals angewendet sind. Die Ausführung des wagenbaulichen Teils übernahm die Firma Simmering-Graz-Pauker AG im Werk Simmering. Die Wagen tragen die Nummern 101 bis 104 und die Fabriksnummern 83957 bis 83960.

2. Hauptangaben

Spurweite:

1435 mm

Wagenlänge über Blech:

25700 mm

Wagenlänge über Kupplung:

26750 mm

Wagenbreite über Blech:

2400 mm

Wagenhöhe bis Oberkante Dachblech:

3230 mm

Wagenhöhe bis Oberkante abgesenkter Stromabnehmer:

3620 mm

Fußbodenhöhe über Schienenoberkante leer/Vollast:

924/874 mm

Drehgestell-Mittenabstand:

6000+6500 +6000 mm

Achsabstand der Trieb- und Laufdrehgestelle:

1800 mm

Laufkreisdurchmesser der neuen Räder:

690 mm

Laufkreisdurchmesser der abgenützten Räder, Grenzmaß mit Rücksicht auf die höhere Geschwindigkeit:

620 mm

Radreifenbreite (wegen des Betriebs auf Vignolschienen):

110 mm

Kleinster befahrbarer Gleisbogenhalbmesser:

18 m

Kleinster Ausrundungshalbmesser von Wannen und Kuppen:

300 m

Höchstgeschwindigkeit:

80 km/h

Wagenmasse, leer:

36 t

Sitzplätze:

64

Stehplätze bei 4 Personen je m²:

82

Stehplätze bei 8 Personen je m²:

130

3. Drehgestelle
Die Trieb- und Laufdrehgestelle sind nach der bekannten DÜWAG-Konstruktion mit Gummirollfedern (System Clouth) als Wiegenfederung und mit Metall-Gummifedern (MEGI) als Achsfederung ausgerüstet. Die beiden äußeren sind Trieb-, die beiden inneren Laufdrehgestelle.
Besonderheiten sind die 110 mm breiten Radreifen wegen des Mischbetriebs auf Vollbahn- und Straßenbahngleis sowie die leichten Schneeräumer auf jedem Triebdrehgestell, die sich bei den bisher verwendeten Wagen im Winterbetrieb auf der Überlandstrecke bestens bewährt haben.
Der Radreifendurchmesser wurde von 690 auf 710 mm vergrößert, damit ein zweimaliges Abdrehen sicher gewährleistet ist (Kleinstwert des Durchmessers 620 mm).

4. Wagenkasten und Untergestell
Die Wagenkasten A und B sowie der Mittelteil (C) wurden in der gleichen Bauweise wie der E2 ausgeführt, damit die vorhandenen Vorrichtungen mit geringfügigen, durch die größere Wagenbreite und die geänderten Einstiege bedingten Abweichungen verwendet werden können. Die Führerstände wurden jedoch mit verstärkten Blechen (2,5 mm) verkleidet, um einen erhöhten Schutz des Wagenführers beim Zusammenprall mit Straßenfahrzeugen auf den Eisenbahnkreuzungen zu gewährleisten da solche Unfälle trotz forcierten Ersatzes von schienengleichen Kreuzungen durch Unter- oder Überführungen auf der Überlandstrecke nicht ausgeschlossen werden können.
Diese Überlegung hat sich auch bei dem abgebildeten Unfall bewährt, bei dem der Triebwagenführer und die Fahrgäste fast unverletzt davongekommen sind.
Der Mittelteil C ist im Interesse optimaler Platzgestaltung gegenüber dem Einheitswagen um 500 mm auf 6500 mm verlängert worden.
Die elektrischen Geräte sind, abweichend von der E2-Konstruktion, nicht im Untergestellrahmen untergebracht, sondern in vier Gerätekästen zusammengefaßt, die fertig verdrahtet unter dem Waren angebracht und durch Seitenwandklappen zugänglich sind.
Diese Klappen sind bei den Wagen 101 bis 109 mit Rücksicht auf Revisionsarbeiten auszuhängen, was einerseits zwei Mitarbeiter erfordert und andererseits wird der Lack beim 'Ablegen' oftmals zerkratzt. Die Klappen sind nunmehr oben in einem Gummischarnier gelagert und durch Gasfedern sowohl in der offenen als auch in der geschlossenen Lage fixiert.
Auf dem Dach mußten zwecks automatischer Betätigung von elektrischen Weichen im Zusammenhang mit dem Zweirichtungsbetrieb zwei Stromabnehmer aufgebaut werden. Die Dachwiderstände sind nur auf dem A- Teil angeordnet.

  • 4.1 Gelenke

Die Gelenke sind in ihrem Aufbau und in ihrer Innenverkleidung genau wie beim E2 ausgeführt. In ihren Außenabmessungen wird aber die größere Wagenbreite berücksichtigt. Die 850 V-Verbindungskabel zwischen den Stromabnehmern sind in einer dem (deutschen) Stadtbahnwagen Type M der DUWAG ähnlichen Konstruktion außen über die Gelenke geführt, die Verbindungen sind jedoch nicht in geschlossenen Kästen, sondern offen auf Isolatoren hergestellt. Da die zahlreichen Zugsteuer- und Führerstand-Verbindungsleitungen in dem beengten Raum unter dem Gelenk nicht untergebracht werden konnten, wurde ein Teil in ähnlicher Weise auf dem Dach über die Gelenke geführt.

  • 4.2 Isolation und Korrosionsschutz

Auf Wärme- und Geräuschisolation ist bei modernen Wagen im Hinblick auf den Komfort, den andere Verkehrsmittel bieten, besonderer Wert zu legen. Es wurde auf allen Blechen auf der Innenseite eine Antidröhnschicht aufgebracht, die gleichzeitig einen Korrosionsschutz darstellt. Die Zwischenräume zur Innenverkleidung wurden zusätzlich mit Resonaflex-Platten bzw. gegen das Dach mit Glaswolle ausgefüllt.
Zur Verbesserung der Wärmedämmung dient auch die spezielle Ausbildung der Fenster, die unter Punkt 3.6 erläutert ist.

  • 4.3 Zug- und Stoßvorrichtung

Die Gelenktriebwagen sind für Mehrfachtraktion eingerichtet und besitzen deshalb statt der bisher gebräuchlichen Compact-Kupplungen moderne Scharfenberg-Mittelpufferkupplungen, die beim Kuppeln automatisch neben den mechanischen auch die elektrischen Verbindungen zwischen den Fahrzeugen herstellen.
Die Scharfenberg-Kupplung bietet durch ihren systemspezifischen Parallelogramm-Drehverschluß und ihr kegel- und trichterförmiges Kopfprofil eine formschlüssige, starre und spielfreie mechanische Verbindung und damit eine betriebssichere und zuverlässige Funktion. Das Parallelogramm halbiert die Zugkräfte, verteilt sie gleichmäßig und reduziert den Verschleiß auf ein Minimum.
Um auch in engen Kurven und bei Höhenunterschied einwandfrei automatisch kuppeln zu können, besitzen die Kupplungen einen großen Greifbereich und eine selbsttätig arbeitende Mittenstelleinrichtung, die ausgeschaltet werden kann. Die Fahrzeuge können fernbedient vom Führerstand aus wieder entkuppelt werden, wozu die Kupplungen mit einem kombinierten Getriebemotor ausgerüstet sind. Beim Entkuppeln werden an beiden Kupplungen die mechanischen Verschlüsse gelöst und automatisch auch die Elektrokontaktkupplungen getrennt und in ihre Ruhestellung zurückgefahren.
Die Scharfenberg-Kupplungen der WLB-Gelenktriebwagen sind mit einem neuartigen Elastomerfedergelenk ausgerüstet, das die Zug- und Stoßkräfte sowie auftretende Zugkraftschwingungen mit stark dämpfender Wirkung abbaut. Dieses neue Federgelenksystem ist nicht nur vollkommen spiel- und wartungsfrei, sondern bietet neben einer einfachen Kupplungsmontage auch einen hohen Fahrkomfort.
Der schwere Befestigungsbock der Kupplung ist so ausgebildet, daß der Wagenkasten hier mit einem einzigen Hubzylinder angehoben werden kann, was sich bei den bisherigen Wagen in vielen Fällen als zweckmäßig erwiesen hat, wenn die vorgesehenen Hebestellen nicht zugänglich waren.

5. Türen und Einstiege
Die Anzahl und Breite der Türen wurde im Punkt 2.2.2 begründet. Ausführung, Antrieb und Lichtschranken entsprechen vollkommen denen des Einheitswagens.
Ausfahrbare Trittstufen wurden nicht vorgesehen, da die meisten Haltestellen mit erhöhten Bahnsteigen ausgestattet sind und dieser Ausbau weitergeführt wird. Die untere Trittstufe liegt bei leerem Wagen ca. 375 mm über Schienenoberkante. Bei der mittleren Doppeltür wurde die senkrechte Anhaltestange außermittig angeordnet, um einen breiten Kinderwageneinstieg zu erhalten.
Als häufigste Störung in den ersten Wagen traten Ausfälle der automatischen Türsteuerung auf. Dieser Mangel konnte durch Einbau neuentwickelter Lichtschranken schlagartig behoben werden.

6. Fenster
Da bei den großen Fensterflächen die Sonneneinstrahlung sehr stark ist und Vorhänge wegen des großen Wartungsaufwands vermieden werden sollten, wurden alle Seitenscheiben mit auresinbedampftem Hartglas ausgeführt, das ca. 50 % der Wärmestrahlung reflektiert. Alle Fenster haben klappbare Oberlichten. Die heute übliche Ausstattung einer Seite nur mit festen Fenstern kam wegen des Überlandverkehrs nicht in Betracht.
Die Front-Führerstandfenster sind durchwegs Heizscheiben aus Verbundglas, die Seitenfenster herablaßbar.

7. Außenansicht und Geräte

  • 7.1 Außenlackierung

Die neuen Wagen sollten die traditionellen Farben der WLB, blau-creme, dem modernen Aussehen anpassen. Die Firma Simmering-Graz-Pauker erstellte hiezu mehr als zehn Farbvorschläge; der schließlich gewählte ist im Titelbild zu sehen.

  • 7.2 Außenleuchten

Obwohl im Sinne der betriebswirtschaftlichen Überlegungen (Punkt 2.3.1) ursprünglich geplant war, die bei den WLB eingeführten runden Scheinwerfer und die bei den WVB verwendete Kombination für Blinker, Brems- und Schlußlicht zu verwenden, mußte aus konstruktiven Gründen, nachdem mehrere Entwürfe diskutiert worden waren, eine Kombination gewählt werden, die auch den Scheinwerfer enthält.

  • 7.3 Beschilderung

Die Außen- und Innenbeschilderung ist mit den bekannten Brose-Apparaten ausgeführt. Ein Linienzeichen konnte entfallen, da nur eine Strecke befahren wird.
Schwierigkeiten bereitete dagegen die Kennzeichnung der schaffnerlosen Wagen, da der Einmannbetrieb im führenden Triebwagen erst mit mindestens zehn neuen Wagen eingeführt werden kann, während der jeweils zweite Wagen eines Zuges schon jetzt schaffnerlos geführt wurde. Es war daher eine rasch wechselbare Besteckung jedes Wagens erforderlich. Nach eingehenden Diskussionen wurde als zweckmäßigste Lösung die Anbringung von Transparenten erkannt, welche die Aufschrift nur erkennen lassen, wenn die dahinter liegenden Lampen eingeschaltet sind. Diese Transparente wurden neben jeder Einstiegtür in der Seitenwand sowie in den Dachvouten des Innenraums eingebaut.
Nachdem nunmehr alle Wagen schaffnerlos geführt werden, sind die Transparente bei den 11 späteren Wagen durch Klebeschilder ersetzt.

  • 7.4 Außenspiegel

Die Außenspiegel haben sich bei den bisherigen Wagen so gut eingeführt, daß sie auch auf den neuen Wagen vorgesehen wurden. Da keine Druckluft vorhanden ist, mußte das Aus- und Einklappen, abweichend von der Lösung beim M-Wagen, mittels Scheibenwischermotoren nach einem Vorschlag der Firma Kiepe vorgenommen werden.
Eine Handbetätigung, die wegen der geringeren Störmöglichkeiten vorgezogen worden wäre, scheiterte an den konstruktiven Schwierigkeiten der Durchführung in den Fahrerraum.

8. Fahrerstand
Auf der Überlandstrecke ist der Fahrer gegen Blendung aus dem Fahrgastraum besonders zu schützen. Außerdem müssen die unbesetzten Führerstände gegen fremde Eingriffe gesichert sein. Beide Forderungen sind nur durch abgeschlossene Führerstände zu erfüllen. In der Tür ist eine getönte Scheibe eingelassen, um den Fahrgastraum mittels Innenspiegel beobachten zu können.
Die Einrichtung ist ähnlich dem E2 ausgeführt, wobei jedoch bewährte Einrichtungen der WLB-Wagen beibehalten wurden, z.B. Fußtasten in gleicher Anordnung wie bei den Wagen Reihe 10/90 (Sifa, Abblendung, Glocke, Überlandhorn), rechts ein Bremssteuerschalter, der sowohl bei Notfahrt als auch eventuell von einem Fahrlehrer betätigt wird.
An der Führerstand-Rückwand sind Relaisschränke und Automatentafeln sowie seltener benötigte Schalter untergebracht.
Die statischen Heizkörper 750 V /1000 W + 500 W sind in zwei Stufen schaltbar. Eine Gebläseheizung wurde entbehrlich, da alle Scheiben geheizt sind.
Die Lüftung erfolgt durch Staudruck-Luftklappen, durch die seitlichen halb-herablaßbaren Führerstandsfenster sowie durch einen Ventilator.
Die Staudruck-Luftklappen wurden im Einvernehmen mit den Triebwagenführern aufgelassen, da einerseits Dichtungsschwierigkeiten und andererseits bei höheren Geschwindigkeiten Pfeifgeräusche auftraten.
Zusammen mit dem heute üblichen verstellbaren Sitz (Bremshey), der nicht mit Kunstleder, sondern mit Stoff überzogen ist, wurde mit den genannten Maßnahmen erreicht, daß der Triebwagenführer gute Arbeitsbedingungen vorfindet und gegenüber den bisherigen Wagen keine allzu große Umgewöhnung erforderlich ist.

9. Inneneinrichtung

  • 9.1 Sitze

Wegen der gegenüber einer Straßenbahn im allgemeinen längeren Fahrtdauer der Fahrgäste wurde auf maximales Sitzplatzangebot und entsprechende Sitzgestaltung (gepolsterte Compin Schalensitze, aus dem Eisenbahnbau stammend) besonderer Wert gelegt. Für die Sitzanordnung erstellte die Betriebsleitung der WLB mehr als zehn Entwürfe und bewertete deren Vor- und Nachteile mit Kennziffern. Dabei wurde von den Werten des (deutschen) Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) ausgegangen und jede Verbreiterung, Vergrößerung der Sitzteilung, des Sitzplatzangebots usw. mit Pluspunkten, jede Verringerung dieser Werte, aber auch die Anordnung von Längssitzen mit Minuspunkten bewertet, sodaß schließlich nur wenige Varianten in die engere Wahl kamen, von denen schließlich, nach Berücksichtigung der Sandkästen, die vorliegende ausgewählt wurde.
Leider ist die Fensterteilung mit der Sitzteilung nicht gleich, doch wurde dies im Interesse des vermehrten Platzangebots in Kauf genommen. Unter den Sitzen wurden außer den Sandkästen und Heizgebläsen keine Einbauten zugelassen und diese Forderung konnte auch verwirklicht werden, da die elektrischen Einrichtungen in Unterflurkästen und Dachvouten untergebracht sind. Für die Sitze selbst konnte eine preisgünstige und doch sehr formschöne Ausführung gefunden werden, die dem ganzen Innenraum eine gewisse Eleganz verleiht. Es war dies im Interesse unserer Fahrgäste das einzige Detail, das über die heute übliche Normalausführung hinausgeht. Die Sitzschalen können bei Beschädigungen leicht ausgewechselt und repariert werden. Zwischen den Sitzen wurden, wie in den bisherigen Wagen, die beliebten kleinen Tischchen eingebaut.
Da Devastierungen von Sitzen selten aufgetreten sind, erhalten sie künftig Stofftapezierung (wie bei der Schnellbahn).

  • 9.2 Innenverkleidung

Die Innenverkleidung durfte, da die Sitze bereits einen dominierenden farblichen Akzent setzen, nicht zu kontrastreich gehalten werden und überdies den GFK-Teilen der Gelenke und der Decke angepaßt sein. In einer ausführlichen Besprechung wurden alle Farbtöne festgelegt.

  • 9.3 Beschilderung

Die seitlichen Zielschild-Kasten zeigen in der üblichen Art innen ein Streckenband mit allen Bahnhöfen, Haltestellen und Umsteigmöglichkeiten. Dieses Streckenband wurde an weiteren drei Stellen des Wagens als Klebefolie auf den Voutenkästen angebracht.
Im übrigen wurde die Beschilderung auf das behördlich vorgeschriebene und unbedingt notwendige Ausmaß reduziert, um den guten Gesamteindruck nicht zu stören.

  • 9.4 Sonstige Ausstattung

Haltestangen sind nur im Plattform- und Gelenkbereich erforderlich, weil die Sitze mit Haltegriffen versehen sind.
Bei jedem Einstieg findet der Fahrgast einen Entwerter, beim mittleren Einstieg zwei. In den Einstieg- und Gelenkräumen ist außerdem je ein Abfallbehälter vorgesehen.