Der Obusbetrieb

Obusse 4 und 6 in den ersten Betriebstagen 1944 am Hessenplatz. (Foto: Sammlung Schrempf)

Diese CD-ROM beschäftigt sich mit den Eisenbahnen. In Österreich werden jedoch auch Obusanlagen nach dem Eisenbahngesetz - ähnlich wie Straßenbahnen behandelt. Deshalb sollen die Linzer Obusse auch hier kurz gestreift werden.

Was ist ein Obus?
Für alle Linzer ist der Begriff "Obus" eine Selbstverständlichkeit. Aber für viele, die nicht im Einzugsbereich eines Obusbetriebes leben, ist dieses Wort nicht so geläufig. Einige Erklärungen sollen daher vorangestellt werden. Der elektrisch betriebene Autobus kann die Energie aus Batterien (Akkumulatoren), die im Fahrzeug untergebracht sind, oder aus Oberleitungen beziehen. Im letzten Fall spricht man vom "Oberleitungsautobus" oder in der Kurzform vom Obus. Die Antriebstechnik und die Fahrleitungen der Obusse sind ähnlich der von elektrischen Straßenbahnen, die Fahrzeuge gelten als Straßenfahrzeuge und unterliegen dem Kraftfahr- und Kraftfahrliniengesetz.

Obus 36 auf dem Hauptbahnhof. (Foto: Sammlung Schrempf)

Die vierziger und fünfziger Jahre
Die ersten Obusse

Der erste Obus wurde 1882 von Werner von Siemens als elektrische Droschke in Berlin im Versuchsbetrieb erprobt. Im heutigen Österreich wurden in Gmünd 1907, in Klosterneuburg 1908, in Wien Pötzleinsdorf-Salmannsdorf 1908, in Liesing-Kalksburg 1909 und in Judenburg 1910 Obusbetriebe eröffnet. Diese Anlagen standen meist nur wenige Jahre in Betrieb, Pötzleinsdorf-Salmannsdorf wurde am längsten betrieben und erst 1938 eingestellt. Die Wagenkästen dieser Obusse baute man aus Holz, die Räder waren zumeist mit Vollgummireifen ausgestattet. Die Stromabnahme mit einem auf der Oberleitung laufenden Kontaktwagen war sehr aufwendig konstruiert und der Zustand der Straßen sehr schlecht, sodaß die Betriebssicherheit damals noch gering war. Diese erste Generation von Obussen konnte sich daher nicht durchsetzen.
In den vierziger Jahren wurde in Österreich eine zweite Generation von Obusbetrieben eröffnet: 1940 Graz und Salzburg, 1944 folgten Linz, Innsbruck, Kapfenberg, Klagenfurt und 1946 Wien sowie 1949 Leoben. (Weiters wurde in St. Lamprecht 1945 ein Obusbetrieb errichtet, der überwiegend zur Güterbeförderung diente.) Diese Obusse hatten jetzt Wagenkästen aus Stahl und einfachere sowie zuverlässigere Stromabnehmer mit Schleifschuhen. Man erkannte den Vorteil des elektrischen Betriebes ohne aufwendige Gleisanlagen bauen zu müssen, wie sie bei Straßenbahnen notwendig sind.

Die Obuslinie 10 nach St. Martin
Die Stadtentwicklung Anfang der vierziger Jahre fand in Linz vor allem im Südwesten statt. Am Bindermichl, in der Neuen Heimat, am Spallerhof und in St. Martin entstanden völlig neue Siedlungen. Damals, in der Kriegszeit, war Treibstoff Mangelware und ein elektrischer Betrieb sicherer durchzuführen. Gleichzeitig war der Bau einer Straßenbahn wegen der sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Rohstoffe nicht möglich. Der Obus war eine gute Alternative. Es konnten so 2000 t Stahl, die allein für die Schienen einer Straßenbahn notwendig gewesen wären, eingespart werden. Ein weiterer Vorteil des Obusbetriebes ist die Möglichkeit, nach beiden Seiten etwa 4 m weit ausweichen zu können. Es können auch die an der Straßenseite liegenden Haltestellen direkt angefahren werden, was das Ein- und Aussteigen der Fahrgäste wesentlich erleichtert. Als weiteren Vorteil sah man die höhere Reisegeschwindigkeit an. Die Straßenbahnlinie B erreichte damals eine Reisegeschwindigkeit von 12 km/h, die Straßenbahnlinie E etwa 15 km/h und die neue Obuslinie nach St. Martin wies eine Reisegeschwindigkeit von 20 km/h auf, wobei die Strecke allerdings zumeist außerhalb des verbauten Gebietes lag.
Ein großer Vorteil des Obusbetriebes in der Kriegszeit war die Verwendung von elektrischer Energie, die damals als "heimischer Kraftstoff" galt. Auch die Vermeidung von Abgasen wurde damals als Vorteil des Obusbetriebes gegenüber dem Autobusbetrieb genannt, ein Argument, dem gerade in der heutigen Zeit wieder sehr große Bedeutung beigemessen wird.
Am 15. Mai 1944 wurde der Betrieb mit 10 Obussen aufgenommen. Die neue Obuslinie 10 fand sofort großen Anklang. Es wurden täglich 10.000 Fahrgäste befördert. Diese 8,32 km lange Obuslinie wurde später mit der Liniennummer O1 bezeichnet. Umkehrschleifen befanden sich in der Neuen Heimat und am Spallerhof. Damit konnte der Betrieb dem Bedarf entsprechend geführt werden. Diese Obuslinie hat sich äußerst gut bewährt und ist bis heute ein fester Bestandteil des Linzer Nahverkehrs. Wegen zahlreicher Straßenumbauten mußte die Linienführung später mehrfach umgestaltet werden.

Die ersten Obusse kamen aus Italien
Durch die Kriegszeit bedingt, wurden von Deutschland gebrauchte Obusse in Italien requiriert und auf die Obusbetriebe im damaligen Reichsgebiet aufgeteilt. Diese Obusse gehörten der zweiten Obusgeneration an und waren damals sehr modern. In Österreich wurden italienische Obusse auch in Innsbruck und Kapfenberg eingesetzt.
Die zweiachsigen Obusse 1 bis 6 und 7 bis 10 kamen aus Mailand, waren 10,3 m lang und wurden 1938 gebaut. Der ursprünglich vorhandene Obus Nr.10 der zweiten Serie wurde 1945 durch einen Bombentreffer stark beschädigt. Die dreiachsiges Obusse 11 bis 13 kamen aus Rom, waren 12 m lang und wurden 1943 gebaut. Der Obus 13 erhielt 1945 die Nummer 10.

Die Obuslinie 20 Garnisonstraße-Froschberg
Neben der Stadtentwicklung im Südwesten von Linz kam es auch am Froschberg zu umfangreicher Bautätigkeit. Es war daher naheliegend, auch hier auf Grund der guten Erfahrungen mit der Obuslinie nach St. Martin gleichfalls eine Obuslinie zu bauen. Das erste Teilstück konnte am 1. Juli 1949 in Betrieb genommen werden. Die gesamte Strecke von der Garnisonstraße/Stieglbauernstraße zum Froschberg war 4,10 km lang und wurde am 28. September 1949 eröffnet. In der Nähe des VolESGartens war eine Umkehrschleife angelegt, dort konnten die Obusse wenden ohne auf den Froschberg fahren zu müssen.

Die Obusse der Type EO
Bereits 1949 konnten die ersten in Österreich gebauten Obusse durch die ESG beschafft werden. Es war dies die Type EO von Gräf & Stift mit einem elektrischen Teil der Brown Boveri Werke, Wien (BBC). Die Obusse 13 bis 32 waren 10 m lang. Diese Type wurde in Osterreich auch von Graz, Innsbruck, Kapfenberg, Leoben und Salzburg eingesetzt.
Die gleichen Lieferanten stellten weitere Obusse, die jetzt eine runde Stirnfront erhielten, für Linz her: 1955 kam ein Einzelstück, der zweiachsige Obus 33 der Type EO II nach Linz, 1959 folgten dann die Obusse 34 bis 37, sowie der Obus 11, die alle der Type EO IV angehörten.

Die geänderten Linienbezeichnungen für den Obus
Anfang der fünfziger Jahre wurden geänderte Linienbezeichnungen eingeführt:
Obuslinie O1 (vorher 1O): Hessenplatz-St. Martin
Obuslinie O2 (vorher 2O): Garnisonstraße-Froschberg

Die Zweiglinie nach Neupeint
Am 1. Mai 1959 wurde eine 0,59 km lange Zweiglinie von der Salzburger Straße über die Laskahofstraße nach Neupeint eröffnet. Zumeist fuhren die Obusse vom Hessenplatz abwechselnd nach St. Martin oder nach Neupeint.

Obus 42 auf der Linie 45. (Foto: 1984, Robert Schrempf)
Obus 57 in der Lenaustraße. (Foto: 14. April 1980, F. Aberl, Sammlung Schrempf)

Der Obus in den sechziger und siebziger Jahren
In den sechziger und siebziger Jahren nahm die Anzahl der Fahrgäste des Obusbetriebes von anfangs 10 bis 11 Millionen pro Jahr auf fast 14 Millionen zu, obwohl das Liniennetz nur unwesentlich erweitertet wurde. Im Jahr 1961 konnte die ESG die neue Obusremise St. Martin in Betrieb nehmen, nachdem zuvor nur Holzbaracken benutzt werden konnten.

Die geänderten Linienführungen in den sechziger Jahren
Eine Neuordnung des Straßenverkehrs im Bereich der Linzer Innenstadt führte zur Schaffung von Einbahnstraßen. Für die Humboldtstraße und Lenaustraße galt eine Einbahnregelung Richtung stadtauswärts. Es mußte deshalb die Strecke der Obuslinie O1 der neuen Verkehrsregelung angepaßt und die Fahrleitungen umgebaut werden. Ab 1. August 1961 fuhr der Obus über die 1,8 km lange Strecke stadteinwärts in Richtung Hessenplatz über die Dinghoferstraße und stadtauswärts wie bisher über die Humboldtstraße und Lenaustraße.
Im Süden von Linz wurde eine Zubringerstraße zur Autobahn nach Wien und Salzburg angelegt. Die neue, 3,7 km lange Linienführung des Obusses erfolgte ab 17. Juni 1962 über die Hatschekstraße-Am Bindermichl-Stadlerstraße-Landwiedstraße zur Salzburger Straße, wodurch auch das Wohngebiet am Bindermichl wesentlich besser erschlossen wurde.
Der Plan, mit dem Obus auch die benachbarte Gemeinde Traun zu erschließen, konnte nur teilweise umgesetzt werden. Am 17. Oktober 1963 wurde die 1,2 km lange Verlängerung der Obuslinie O1 von St. Martin über die Salzburger Straße zum Stadtfriedhof Linz eröffnet, der bereits auf Trauner Gemeindegebiet liegt. Der geplante Weiterbau bis in das Zentrum von Traun konnte nicht verwirklicht werden. Einige damals im Zentrum von Traun gesetzten Fahrleitungsmaste sind noch heute vorhanden.
Die Obuslinie O2 zum Froschberg wurde ab 22. November 1967 geändert geführt. Statt über die Weingartshofstraße verläuft die Strecke seither über die etwas südlicher liegende Kärntner Straße, wodurch auch der Linzer Hauptbahnhof besser erreichbar wurde.

Die neuen zweiachsigen Obusse der sechziger Jahre
In diesen Jahren konnten weitere Obusse der Reihe EO von Gräf & Stift in Betrieb genommen werden:
    ·     Die Obusse 41 bis 42 mit einem elektrischen Teil von BBC gehörten der Type EO V an, welche die ESG 1960 in Dienst stellte.
    ·     Die 1962 beschafften Obusse 43 bis 45 der Type EO VI wurden mit einem elektrischen Teil von Kiepe gebaut.
    ·     Die 1963 gelieferten Obusse 46 und 47 der Type EO VII erhielten aber einen elektrischen Teil von BBC.
Alle zweiachsigen Obusse der Beschaffungsserie in den sechziger Jahren bekamen 1968 eine neue, gerade Stirnfront, wodurch ein doppelter vorderer Einstieg eingebaut werden konnte. Dadurch wurde der Fahrscheinverkauf durch den Fahrer im Einmannbetrieb ab 1967 erleichtert.1969 kauften die ESG wieder von Gräf & Stift die Obusse 48 bis 50 der neuen Type OE 120/59 mit einer elektrischen Ausrüstung von Kiepe. Diese Obusse besaßen bereits bei Lieferung eine ähnliche Stirnfront mit doppeltem Einstieg wie die umgebauten Obusse 41 bis 47.

Die neuen Gelenkobusse der sechziger Jahre
Da von der Aufsichtsbehörde die Aufgabe des Betriebes mit Personenanhängern vorgeschrieben wurde, beschaffte die ESG von 1960 bis 1969 die Gelenkobusse 51 bis 77 von Gräf & Stift mit einem elektrischen Teil von BBC und von Kiepe in mehreren Beschaffungsserien. Diese Fahrzeuge setzte man auf der Obuslinie O1 ein.

Die Umstellung der Obuslinie O1 auf Fahrgastselbstbedienung
Auf dieser Linie wurden fast ausschließlich Gelenkobusse eingesetzt. Diese waren durchwegs mit Schaffnern besetzt. Bereits 1971 baute man die ersten Gelenkobusse auf schaffnerlosen Betrieb sowie Betriebsfunk um. Zur Unterscheidung erhielten diese Obusse vorne einen horizontal liegenden Orangen Streifen. Am 15. Juli 1972 (und somit vor der bereits erwähnten Umstellung der Straßenbahn im Jahre 1974) erfolgte die Umstellung dieser Obuslinie auf Einmannbetrieb mit Fahrgastselbstbedienung. Dazu erwarb die ESG die ersten 50 Fahrkartenautomaten, wobei man 47 bei den Haltestellen aufstellte und drei als Reserve verblieben.

Der vierspurige Ausbau der Salzburger Straße

Die Salzburger Straße wurde in den siebziger Jahren von einer schmalen zweispurigen Straße zu einer vierspurigen Schnellstraße mit getrennten Richtungsfahrbahnen umgebaut. Die bisher niveaugleiche Bahnüberführung über die Pyhrnbahn von Linz nach Selzthal konnte durch eine Straßenbrücke ersetzt werden. Während des Baues wurde der Obusbetrieb aufrecht erhalten und zahlreiche provisorische Fahrleitungen waren notwendig. Das erste 2,5 km lange Teilstück von der Laskahofstraße zur Pyhrnbahnüberführung wurde am 20. Dezember 1973 in Betrieb genommen.

Die neuen Linienbezeichnungen für den Obus

Mit 2. September 1974 wurden neue Linienbezeichnungen eingeführt und für die drei verschiedenen Endstellen der Linie O1 getrennte Bezeichnungen vergeben:
    ·     Obuslinie 41 (vorher O1): Hessenplatz-Neupeint
    ·     Obuslinie 42 (vorher O1): Hessenplatz-St. Martin
    ·     Obuslinie 43 (vorher O1): Hessenplatz-Stadtfriedhof Linz
    ·     Obuslinie 45 (vorher O2): Stieglbauernstraße-Froschberg

Obus 220 in der Schleife Neupeint. (Foto: August 1996, Robert Schrempf)
Obus 241 vor dem Lenau-Hochhaus. (Foto: August 1996, Robert Schrempf)

Der Obus in den achtziger und neunziger Jahren
Der Obusbetrieb konnte die Anzahl der Fahrgäste in diesem Zeitabschnitt von über 13 Millionen im Jahre 1980 auf 26 Millionen im Jahre 1996 fast verdoppeln. Dies wurde durch die Umstellung der Autobuslinie 21 auf Obusbetrieb ermöglicht.
Die Verlegung der Obusremise von St. Martin in den Autobusbetriebshof Westbahnstraße
Der Linzer Obus wurde seit Beginn von der Obusremise St. Martin aus betrieben. Für den Autobusbetrieb stand in der Westbahnstraße seit 1966 ein moderner Betriebshof zur Verfügung. 1980 wurde beschlossen, beide Betriebsstätten zusammenzulegen und den Obusbetrieb von der Westbahnstraße aus zu führen. Dazu wurden Fahrleitungen sowohl im Autobusbetriebshof verlegt als auch auf den Zufahrtsstrecken in der Westbahnstraße, der darauf folgenden Heizhausstraße, sowie in der Raimundstraße. Sie wurde am 8. Dezember 1982 in Betrieb genommen. Die Obusremise St. Martin konnte daraufhin stillgelegt werden.

Die neuen Obusse der achtziger Jahre
Verschiedene Gelenkobusse kamen zur Probefahrt. Die Ergebnisse dieser Einsätze dienten der ESG als Grundlage für die Beschaffung neuer Obusse in den achtziger Jahren, die alle bis dahin eingesetzten Obusse ablösen sollten:
Gelenkobus 1 der Type GSGE 150 M16 von Gräf & Stift mit einem elektrischen Teil von Kiepe wurde vom 7. August 1979 bis 27. Februar 1984 eingesetzt, den Gelenkobus 2 der Type 280 T 3 von Ikarus, Ungarn, mit einem elektrischen Teil von BBC, setzte man nur kurz, nämlich vom 15. Jänner bis 8. Mai 1980 ein und der Gelenkobus 162 der Stadtwerke Salzburg, Type GSGE 150 M 18 von Gräf & Stift, mit einem elektrischen Teil von Kiepe, kam vom 7. Juli bis 14. August 1981 zum Einsatz.
Die von der ESG beschafften 20 Gelenkobusse wurden zwischen 1983 und 1984 in Dienst gestellt und gehören der Type GSGE 150 M 18 von Gräf & Stift an, den elektrische Teil lieferte Kiepe. Die ersten fünf Gelenkobusse erhielten die Nummern O1 bis 05 und später nur kurze Zeit die Nummern 1O1 bis 105 und dann die Nummern 2O1 bis 205. Die weiteren Wagen wurden mit 206 bis 220 bezeichnet.
Die zweiachsigen Obusse 240 bis 243 der Type STS 11 HU wurden 1988 von Steyr Bus mit einem elektrischen Teil von Kiepe geliefert. Diese Obusse werden auf der Obuslinie 45 eingesetzt.
Nach der Lieferung dieser neuen Obusgeneration der achtziger Jahre wurden alle älteren Obusse ausgemustert und 19 Gelenkobusse nach Sofia in Bulgarien verkauft. Der Transport erfolgte im Sommer 1984 mit Schiffen auf der Donau. In Sofia standen die Wagen etwa drei Jahre in Betrieb und wurden dann durch neue Obusse ersetzt.