Die Montage

Neue Produktionsformen erfordern neue Produktionsstätten

Die europäische Schienenfahrzeugindustrie befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt: Das Zeitalter der Massenproduktion geht zu Ende und wird von der Epoche der kleinen Serie abgelöst. Diese Wende löste einen tiefgreifenden Strukturwandel innerhalb der betroffenen Unternehmen aus. Und führte in der Folge auch zur Entstehung von Bauwerken, die den neuen Anforderungen gerecht werden. Die neue Endmontagehalle im Werk Wien der Siemens SGP Verkehrstechnik gehört zu den ersten Gebäuden dieser Art. Sie wurde 1994 eröffnet und zählt nicht nur zu den größten Freitagagenden Hallen Österreichs, sondern auch zu den ersten Produktionsstätten, in denen Schienenfahrzeuge auf Basis einer Standmontage endgefertigt werden.

Von der Taktmontage zur Standmontage

Die Funktionsweise der Taktmontage basiert im Grunde darauf, daß das Produkt im Laufe der Entstehung von einem Fertigungsabschnitt zum nächsten befördert wird. Je Fertigungsabschnitt steht eine Gruppe von Fachkräften bereit, von der stets die selben Tätigkeiten durchgeführt werden. Diese der Fließbandarbeit ähnlichen Produktionsweise ist umso effektiver, je mehr Fahrzeuge gleicher Bauart hergestellt werden. Sinken die Stückzahlen der Serien und nehmen damit die erforderlichen Änderungen im Produktionsablauf zu, dann führt die Starrheit dieses Systems zu einem immer größeren Produktivitätsverlust.
Anders die Standmontage. Hier kommt das Produkt ab einer bestimmten Fertigungsstufe in das sogenannte Montagemodul und verläßt dieses erst wieder als fertiger Reisezugwagen oder U-Bahnwagen. Die komplette Endmontage wird in diesem Montagemodul von einem Montageteam durchgeführt.

Aus dem Stand zu beachtlichen Produktionsvorteilen

Während bei der Taktmontage jede Fachkraft nur auf eine Tätigkeit spezialisiert ist, beherrscht jeder Mitarbeiter eines Montageteams mehrere im Montagemodul erforderlichen Tätigkeiten. Und das bedeutet ein entscheidendes Plus an Flexibilität. Ein Maß an Flexibilität, das bei kleinen Serien absolut erforderlich ist. Diese Flexibilität führt, neben anderen Faktoren, zu den typischen Produktionsvorteilen der Standmontage:

  • Senkung der Herstellungskosten
  • Reduktion der Durchlaufzeiten
  • Verringerung der Bestände
  • Erhöhung der Lieferbereitschaft
  • Verbesserung der Termintreue

Der Ort des Geschehens im Oberblick

Das zentrale Geschehen, die Endmontage der Schienenfahrzeuge, findet in den Montage-Modulen statt. Diese organisatorische Tatsache spiegelt sich am Lageplan der Endmontage darin, daß für die Montage-Module einerseits die größte Fläche zur Verfügung steht und daß andererseits alle anderen Hallenbereiche um die Montage-Module angeordnet sind. Entsprechend dem Arbeitsablauf lassen sich in der Halle drei wesentliche Zonen unterscheiden. Der ersten Zone, in der u.a. gewisse Vorarbeiten geschehen und die aus dem Wareneingangsbereich samt Kommissionierung, dem Lager und der Vormontage besteht. Der zweiten Zone, in der die Endmontage durchgeführt wird und die aus den Montage-Modulen samt Verkehrswegen besteht. Und der dritte Zone mit den Sonderständen für diverse Überprüfungen und Einstellarbeiten.

Die Art des Geschehens im Überblick

Die generelle Steuerung der Aufträge erfolgt über ein computergestütztes PPS-System (Produktionsplanungs- und Steuerungssystem). Mit diesem System werden die Kapazitäten und die Ecktermine geplant. Der genaue Ablauf in den Montage Modulen wird von den Montageteams selbst bestimmt. Und das bedeutet, daß die Montageteams natürlich kontinuierlich in enger Verbindung mit dem Leitstand stehen, um die Detail-Steuerung der Tätigkeiten durchzuführen. Das bedeutet weiters, daß diese Organisation eine permanente Abstimmung zwischen Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Disposition und nicht zuletzt der Endmontage erfordert. Bereichsübergreifendes Denken und Handeln wird hier zur notwendigen Voraussetzung.

Die sieben Montage-Module

Im Zentrum der Endmontage-Halle stehen die sieben Montage-Module, die nach der Art eines Fischgrätenmusters angeordnet sind. Größe und Aufbau aller sieben Module sind ident. Jedes Modul bietet Platz für entweder drei parallel stehende Reisezugwagen oder zwei U-Bahn-Doppeltriebwagen bzw. Straßenbahngarnituren. Die Wagenkästen kommen im fertig lackierten Zustand in das Modul. Im Modul steht sämtliches für die Endmontage nötige Werkzeug zur Verfügung.

Die sieben Montageteams

Jedes Montage-Modul bildet den Arbeitsplatz für ein Montageteam. Dabei handelt es sich um jeweils 25 Fachkräfte. Die Montageteams sind für die komplette Endmontage der Fahrzeuge verantwortlich. Gewisse Ecktermine sind zwar vorgegeben, die Einteilung der konkreten Arbeitsschritte im Montage-Modul erfolgt aber im Team. Natürlich erfordert das vom einzelnen Mitarbeiter Eigenschaften wie Mitverantwortung, Engagemant und Kreativität. Aber gerade dadurch entsteht auch eine neue für den Mitarbeiter bessere Beziehung zur Tätigkeit und zum Endprodukt.

Die neue Art Transportmittel zu transportieren

Führten durch alte Montagehallen noch Schienen, so besitzt die neue Endmontagehalle der Siemens SGP Verkehrstechnik einen vollkommen ebenen Boden, der noch dazu peinlich sauber gehalten wird. Dieser Boden ist nämlich die Voraussetzung für den Einsatz des neuartigen Luftkissensystems, mit dessen Hilfe die schweren Wagenkästen besonders einfach transportiert werden können.

Konkret wird das System für folgende Aufgaben eingesetzt:

  • Übernahme der Wagenkästen von der Zulieferung
  • Transport zum Modul
  • Genaues Positionieren der Wagenkästen im Montage-Modul
  • Transport zur Übergabe
  • Transport der Arbeitsbühnen
  • Die Vorteile des Luftkissen Transportsystems:
  • Hohe Flexibilität
  • Hohe Positioniergenauigkeit
  • Optimale Flächennutzung
  • Geringe bauliche Anforderungen
  • Einfache Bedienung
  • Das richtige Material zur richtigen Zeit

Die termingerechte Versorgung mit dem erforderlichen Material gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für den reibungslosen Arbeitsablauf in den Montage-Modulen. Um das zu gewährleisten, wurde an die Endmontage-Halle anschließend ein vollautomatisches Hochregallager errichtet. Hier wird das eingehende Material zentral kommissioniert. Und von hier aus geht es auch direkt zu den Montage-Modulen. Die jeweiligen Portionen entsprechen natürlich exakt dem aktuellen Bedarf jedes einzelnen Moduls. Verständlicherweise erhalten die Logistik-Bereiche dadurch einen äußerst hohen Stellenwert. Eine perfekt funktionierende, laufende Abstimmung zwischen Abteilungen wie Disposition, Lagerwesen und Transport ist unerläßlich.

Eingang und Ausgang: Die Sonderstände

Für die Anlieferung der Wagenkästen und für diverse Einstellungen und Tests, die an den fertigen Schienenfahrzeugen durchgeführt werden, befinden sich in einem Bereich der Halle mehrere sogenannte Sonderstände.
Konkret handelt es sich dabei um:

  • einen Umsetzstand, wo die Wagenkästen auf die Luftkissensysteme und von diesen wiederum auf Drehgestelle umgesetzt werden
  • Einstellstände, die zur Höheneinstellung der gekuppelten Nahverkehrs-Fahrzeuge und zur Einstellung der Pufferstandhöhe bei Reisezugwagen dienen
  • eine Radlastwaage zur Achsdruckmessung
  • einen Kuppelstand mit nivelliertem Gleis
  • Universal-Elektroprüfstände
  • einen Klimaprüfraum zur Überprüfung der Druckdichtheit und der Funktion der Klimaanlagen.

Abgesehen davon können auf den Sonderständen auch eine Reihe von Tests durchgeführt werden, die im Rahmen der Qualitätsprüfungen und Dokumentationen der Qualitätsnorm ISO 9001 erforderlich sind.

Ein Arbeitsplatz für heute und morgen

Die Endmontage-Halle im Werk Wien der Siemens SGP Verkehrstechnik wurde 1994 offiziell eröffnet. Sie zählt zu den modernsten Produktionsstätten der europäischen Schienfahrzeugindustrie und bildet so den perfekten Rahmen für die Produktion von Schienenfahrzeugen, die höchsten Ansprüchen gerecht werden.

Im Nah- und Fernverkehr.

Weltweit.