Die Geschichte der Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH, vormals Simmering-Graz-Pauker AG bzw. SGP Verkehrstechnik GmbH, ist die Geschichte eines der traditionsreichsten Schienenfahrzeugherstellers Europas, wahrscheinlich sogar der ganzen Welt. Sie beginnt 1831 in Straßburg und zwar mit der Erfindung der Dezimalbrückenwaage. Der Erfinder hieß Heinrich Daniel Schmid, ein genialer Ingenieur und tatenkräftiger Geschäftsmann, der noch im selben Jahr mit der Produktion der Waagen begann. Allerdings nicht in Straßburg, sondern in einer kleinen Fabrik in der Wiener Leopoldstadt. In einer, wie sich bald herausstellte, zu kleinen Fabrik. Denn mit der Herstellung von Dezimalwaagen allein wollte sich der dynamische Schmid nicht begnügen. Er gründete eine Zweigfabrik auf der Landstraßer Hauptstraße und produzierte bald alles, was man in der österreichisch-ungarischen Monarchie benötigte, von Dampfmaschinen, Feuerspritzen und Klappmöbeln bis zu ganzen Einrichtungen für Rübenzuckerfabriken. Und zu guter Letzt auch Schienenfahrzeuge: 1846 rollte der erste Lastwaggon für die Kaiser-Ferdinand Nordbahn aus der kaiserlich-königlichen Maschinenfabrik von Heinrich Daniel Schmid. Angesichts der rasanten Entwicklung des Unternehmens erwies sich auch das Platzangebot in der Zweigfabrik bald als zu knapp. Man errichtete eine für damalige Maßstäbe riesige Fabrik und übersiedelte 1852 in das neue Werk in Wien Simmering, den heutigen Standort Wien Simmering der Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH. Etwa zur gleichen Zeit, genau 1854, gründete der gelernte Huf- und Wagenschmid Johann Weitzer in Graz eine bescheidene Schmidewerkstätte, die aber nicht lange bescheiden blieb. Denn umfangreiche Aufträge für den Bau von Wagen machten aus der Werkstätte binnen dreier Jahre die "k.k. privilegierte Wagenfabrik Johann Weitzer". Man produzierte militärische Fuhrwerke, Postfahrzeuge, Sanitäts-, Ökonomie- und Luxuswagen und belieferte damit nicht nur alle österreichischen Kronländer, sondern auch so ferne Länder wie Rußland, Indien und sogar Australien. Neben den Wagen stellte man bald auch Dampfmaschinen, Dampfkessel und landwirtschaftliche Maschinen her. 1870 hatte man in Graz bereits einen Beschäftigungsstand von 1500 Mitarbeitern erreicht. Beiden Unternehmen, sowohl dem in Graz als auch dem in Wien Simmering, gelang aber nicht nur ein erstaunlicher Start. Beide entwickelten sich unabhängig voneinander auch in der Folge äußerst erfolgreich. So feierte man in Wien bereits 1899 die Auslieferung des 40.000-sten Eisenbahnwaggons. Ab 1905 wurde nicht nur das Werk Simmering wieder einmal vergrößert, Expansion wurde auch durch eine Reihe von Firmenkäufen erreicht. Eine dieser Firmen war die Kran- und Hebezeugbau G.m.b.H. H.J. Petravic & Co, mit der für Simmering auch der Aufstieg zur international anerkannten Kranbaufimma begann.
In Graz brachte man es Anfang der Siebziger Jahre mittlerweile auf eine Jahresproduktion von ca. 400 Personen- und ca. 600 Lastwagen. Man errichtete Zweigwerke in Ödenburg, Arad, Cilli und Udine und erweiterte das Produktionsprogramm. Das erste österreichische Hinterladergewehr stammt genauso von den Grazern wie die berühmten nach den Orginalpatenten von Ing. Rudolf Diesel gebauten Motoren, die ab 1899 gefertigt wurden. Ebenfalls um die Jahrhundertwende begann in Graz auch die Herstellung elektrisch betriebener Schienenfahrzeuge. Die politischen Veränderungen nach 1914 schadeten der Entwicklung beider Unternehmen in keiner Weise. Als jedoch in New York die Börse zusammenbrach und die große Weltwirtschaftskrise nach sich zog, mußte man reagieren. So übernahm die "Simmeringer Maschinen- und Waggonbaufabrik AG" 1934 die Aktien der "Grazer Waggon- und Maschinenfabriks-Aktiengesellschaft vormals Weitzer". Man strukturierte das nun gemeinsame Unternehmen neu, führte die Fließbandarbeit ein und sicherte - trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen - 1600 Arbeitsplätze. Die Eingliederung des Paukerwerkes, einer renommierten Kesselbaufirma aus Wien Floridsdorf, erfolgte sieben Jahre später, im 2. Weltkrieg. Es war also eine Kriegsehe, die zur Entstehung der Simmering-Graz-Pauker AG führte. Eine, die sehr lange halten sollte, obwohl man nach 1945 angesichts der Zerstörungen eigentlich wieder von vorne anfangen mußte. 1946 ging das Unternehmen in das Eigentum der Republik Österreich über. Man nahm maßgeblich am nationalen Wiederaufbau teil und es dauerte nicht lange, bis die SGP auch am internationalen Markt wieder auftrat. Zur Produktpalette gehörten damals u.a. Kräne, Dieselmotoren, Pressen, Kraftwerkskessel und natürlich auch Schienenfahrzeuge verschiedenster Art. Die wichtigsten Kunden waren schon zu dieser Zeit die Österreichischen Bundesbahnen und die Wiener Verkehrsbetriebe, daneben ging man aber auch erfolgreich in den Export. So wurden Personen- und Güterwagen in die Türkei und nach Kolumbien geliefert, Triebwagenzüge nach Uruguay, andere Fahrzeuge nach Indonesien, Indien, Syrien, in den Iran, nach Chile und Ägypten. In den sechziger- und siebziger Jahren galt die Simmering-Graz-Pauker AG als eines der Vorzeigeunternehmen innerhalb der österreichischen verstaatlichten Industrie. Klar strukturiert in die Bereiche Maschinenbau, Kraftwerksbau und Schienenfahrzeugbau brachte man Produkte hervorragender Qualität auf den Markt. Die Bilanz stimmte. Die Mitarbeiter nannten sich selbstbewußt SGP´ler. Und der Name SGP war weltweit ein Begriff geworden. Als sich in den achtziger Jahren die Krise der verstaatlichen Industrie schon abzeichnete, schien das an der erfolgreichen Entwicklung SGP zunächst nichts ändern zu können. Als man schließlich aber daran ging, den gesamten ÖIAG Konzern vollkommen neu zu strukturieren, war bald klar, daß auch die SGP betroffen sein würde. Das Ergebnis: 1989 wurde die Simmering-Graz-Pauker AG in zwei selbständige Gesellschaften geteilt. Die Energietechik und die noch relativ junge Umwelttechnik bildeten gemeinsam mit einem Bereich aus der VÖEST Alpine die SGP-VA Energie- und Umwelttechnik.
Der Schienenfahrzeugbau operierte ab nun als eigenständige SGP Verkehrstechnik GmbH, mit den Standorten in Wien Simmering und Graz, eigentlich ganz wie am Anfang der Geschichte. Allerdings nur für kurze Zeit. Denn mittlerweile hatte es am Schienenfahrzeugmarkt viele Veränderungen gegeben. Darunter als wichtigste wohl die, daß sich sogenannte Systemanbieter herauskristallisierten. Eine Handvoll weltweit agierender Unternehmen nämlich, die alle Bereiche der Schienenfahrzeug-, ja sogar Bahntechnik abdeckten. In diesem Zusammenhang betrachtet, war es deshalb nur ein Frage der Zeit, bis der kleine, aber feine Mechanspezialist SGP Verkehrstechnik in den Verband eines der großen Systemanbieter aufgenommen würde. Tatsächlich beteiligte sich 1992 die Siemens AG Österreich mit 26 % an der SGP Verkehrstechnik GmbH. 1994 wurde diese Beteiligung auf 74 % ausgeweitet. Seither ist das traditionsreiche Unternehmen ein Partner der Siemens Schienenfahrzeuggruppe - und operiert damit im Verband eines der drei weltweit größten Systemanbieter für Bahntechnik. Diese Entwicklung wurde 1996 auch nach Außen deutlich gemacht durch die Änderung der Firmenbezeichnung des Unternehmens auf "Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH".