Die Familienfabrik Lohner

Reklameblatt der Firma Lohner, etwa um 1865. Hier werden nicht nur acht wichtige Wagentypen der Firma und die Fabriksanlage in der Servitengasse gezeigt. Der russische, cyrillisch gedruckte zweite Text zeugt von der Wichtigkeit des Geschäfts uber den Donauweg in das Zarenreich.
Lohner-Porsche -Mixtewagen beim Exelbergrennen 1902. Am Steuer Ferdinand Porsche, am Beifahrersitz Ing. Ludwig Lohner.
Ein Verband von Lohner "Pfeilfliegern" B (Serie B I, Militärreihe 11) mit 90 PS Austro-Daimler-Motor. Die Flugzeuge tragen die anfangs 1914 eingeführte und bis zum Frühjahr 1915 übliche rot-weiße Kennbemahlung der österreichischen Militärflugzeuge.
Montage von Postautobus-Karosserien - im Vordergrund ein Briefsammelwagen - in der Donaufelder Straße im Jahe 1928.
Der einzige Gelenkautobus der Lohnerwerke wurde nach Leoben geliefert.
Wiener Straßenbahntriebwagen L3 mit Beiwagen c3.

5 Generationen Lohner haben ein - man soll nicht unbescheiden sein - Imperium errichtet, mehr als eine Firma im landläufigem Sinn; nicht so sehr hinsichtlich ihrer finanziellen Potenz, vielmehr was Neuschöpfungen und im jetzigen Sprachgebrauch Innovationen genannt, bedeutete.

Die Männer, die das alles vollbracht haben, kommen vielleicht im nachfolgenden Text etwas zu kurz und so will ich ihnen hier ein Denkmal errichten, wenn mir auch recht wenig Platz zur Verfügung steht, was zu einer gedrängten Darstellung zwingt.

Die frühen Lohner, beginnend mit dem fast schon sagenhaften Stammvater der österreichischen Linie "Heinrich", der aus Mayen am Rhein einwanderte, wiesen im großen und ganzen noch den Charakter von Handwerkern auf. Laurenzi hingegen, der Schwiegervater seines Sohnes Jakob Lohner, konturierte sich schon mehr als Unternehmer, wenngleich er sich auch noch im Fabrikanten-Frühstadium befand. Später erst, als sein Sohn Jakob Lohner, Laurenzis Tochter Luise heiratete und als Laurenzi verstarb, wurde das Unternehmen in "Laurenzi & Lohner" umbenannt, welcher Firma später auch Jakobs Bruder Franz beitrat. Auf diesem Unternehmen baute Ludwig Lohner schließlich die 3. Generation auf.

Jakob und Franz dürften, so viel man weiß, tüchtige und fleißige Männer gewesen sein, über die mir hinsichtlich ihrer persönlichen und sonstigen Eigenschaften leider nur wenig bekannt ist. Es steht außer Zweifel: in dieser zweiten Generation wurden für die damalige Zeit beachtliche Leistungen erbracht, die trotz aller Nachforschungen, wie dann das Kapitel von der Wagnerwerkstätte zur Wagenfabrik zeigt, ein bisserl doch vom Nebel der nicht ganz aufzuhellenden Vergangenheit bedeckt waren. Mit anderen Worten, aus dieser Periode, welche von den beiden Brüdern Jakob und Franz Lohner sowie dem später hinzugetretenen Schwager Brauner charakterisiert war, fehlt es mir als Nachfahre naturgemäß an lebendiger Anschauung, da ich sie ja persönlich nicht kannte.

Die 3. Generation, der dieses Denkmal vorwiegend gewidmet sein soll, verwirklichte in Ludwig Lohner, Jakob Lohners Sohn, den Aufstieg zur Großindustrie und wies auch weiterhin den typischen Stempel auf, den Ludwig Lohner der Firma in den folgenden Zeiten aufprägte.

Wie sah nun der Stempel aus? Anders und moderner als seine Vorgänger fabrizierte er schon einmal durch den Einsatz neuzeitlicher Maschinen (Radfabrikation) und rationalisierter Arbeitsmethoden. Als der Wagenbau um die Jahrhundertwende in die große Krise kam und nicht mehr hinreichende Beschäftigung bot, wandte sich Ludwig Lohner dem selbstverständlich sehr risikovollen Bau von Automobilen zu, ein atemberaubender Sprung ins kalte Wasser. Heute vielleicht nur mehr vergleichbar mit der Erzeugung von Mikroprozessoren oder elektronischen Bauteilen, also einer ganz neuen unbekannten Welt, die Arbeit schaffen sollte.

Sein genius technicus und Pioniergeist ermöglichten ihm, das ererbte Unternehmen oder die "Firma", wie sie im lohner'schen Sprachgebrauch immer geheißen hat, in neue Fabrikationszweige zu steuern.

Die an die Automobil- so erfolgreich anschließende Flugzeugfabrikation, der ja ein Sonderkapitel gewidmet ist, parallel dazu die Erzeugung unzähliger Typen von Pferdewagen fürs k. u. k. Ärar, charakterisieren seinen Impetus in der Schaffung stets neuer und neuartiger Produkte.

Als typische Charaktereigenschaften, außer viel Humor und Seelensgüte, wies er neben Unternehmerlust auch eine gehörige Portion von Standhaftigkeit auf, andernfalls hätte er ja die überwältigende Masse von Widrigkeiten, die seine industrielle Schaffenskraft in Anspruch nahmen, niemals ertragen können. Er ertrug sie aber. Leider viel zu früh abberufen von dieser Welt, eine echte Unternehmergestalt und weiterhin als Edelmann ob seiner Charaktereigenschaften bekannt, lebte sein Geist in der vierten Generation fort, die ich nun anschließend zu würdigen versuchen werde.

Reicher Kindersegen wurde ihm beschert: 6 Söhne und 1 Tochter; durch die weit auseinanderliegenden Geburten quasi eine ältere und eine jüngere Familie, die sich in dieser merkwürdigen Struktur beinahe bis auf den heutigen Tag erhielt. Die älteren Brüder Max und Richard rückten verständlicherweise automatisch nach dem Ableben Ludwig Lohners in die, heute würde man sagen, Chefetage auf. Beide haben Vortreffliches geleistet, wenn auch gemäß ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten differenziert. Vor allem fand diese Generation nicht mehr die "g'mahte Wiesen" vor, vielmehr mußte das Firmenschiff in einer wilden, von wirtschaftlichen und politischen Stürmen gepeitschten See glücklich in den Hafen gesteuert werden.

Max vor allem, stets aber von Richard wirksam unterstützt, der gewissermaßen die gesunde Opposition verkörperte, erreichte dank seiner Besessenheit für die Firma und seiner gesunden Energie Erfolge, die in kurzem skizziert etwa lauten: Straßenbahnbau, Rollerbau, Mopedbau; der Name "Lohner-Roller" popularisierte noch einmal den schon in Vergessenheit geratenen Namen Lohner; Ankauf der ROTAX-Werke AG in Gunskirchen und damit den Grundstein zu einem spektakulären Erfolg, wie ihn die Firma zuvor noch nie erlebt hatte. Man muß aber auch der Historie Gerechtigkeit widerfahren lassen; den größeren Erfolg, zumindestens den sichtbarsten, als Mehrer des Reiches, konnte Max schon auf seine Fahnen heften.

Die vorliegende Arbeit wäre ohne Richards umfangreiche Vorarbeiten im Sammeln und Bewahren von Unterlagen niemals möglich gewesen.

Soll damit jedoch die vierte Generation personell erschöpft sein?

Alfred Lohner, genannt Bill, leitete Jahre hindurch den Einkauf der Lohnerwerke, bis er, zu anderen Zielen hinstrebend, die väterliche Firma verließ, um in der Textilindustrie Karriere zu machen. Fritz Lohner, in andere geschäftliche Bahnen ausgewichen, hat als Gesellschafter stets alle Belange des elterlichen Unternehmens zu schützen und fördern vermocht.

Last but not least Willy, der jüngste der Brüder, der am Ende eines bewegten geschäftlichen Lebens zuletzt in der neuerworbenen ROTAX in Gunskirchen jahrelang als Vorstandsmitglied "Vorzügliches" leistete.

Die 5. Generation, lange nicht so dicht besetzt wie die vierte, bildete mit Thomas Lohner das Schlußlicht in der Geschlechterfolge bis zum Verkauf der Lohnerwerke und der affiliierten ROTAX-Werk AG. Er erwarb sich entscheidende Meriten im mühsamen Zusammenspiel mit den kanadischen Partnern.

Einer 6. Generation bleibt es vorbehalten, ihren Weg außerhalb der Firma zu suchen und zu finden, wozu ich ihr von ganzem Herzen Glück und Erfolg wünsche.

Dkfm. Wilhelm Lohner