Von der Sommerfrische zum Fremdenverkehr

Die Naturforscher am Ende des 18.Jahrhunderts machten durch ihre Bücher das Zillertal nicht annähernd so bekannt, wie dies die Zillertaler Wanderhändler und vor allem die Nationalsänger besorgten. Die Tracht, die Lieder und das urwüchsige Gehabe, der in ganz Europa herumgekommenen wandernden Zillertaler weckten in den Großstädten die Sehnsucht, die Heimat dieser Menschen kennenzulernen und die Naturschönheiten des Tales zu genießen. Da damals der städtische Mensch überhaupt der Gesundheit erstmals großes Gewicht beimaß und sich die Sommerfrische großer Beliebtheit erfreute, glaubte man auch im Zillertal, sich diesem Tätigkeitsfeld, das notwendige Zubuße zum kargen Broterwerb bedeutete, widmen zu müssen. Sommerfrische bedeutete Luftveränderung für den Großstädter, der die gute Luft, das Wandern, die schöne Landschaft suchte und das einfache Leben der Bauern und ihr Brauchtum bewundern wollte. Gegen 1890 nahm der Fremdenverkehr in Tirol einen gewaltigen Aufschwung, an dem das Zillertal großen Anteil hatte.

1895 zählten die Fremdenverkehrsorte Fügen, Zell, Mayrhofen, Tux und Ginzling 5400 Gäste; die Zahl der Fremdenbetten in Mayrhofen betrug 281 (zum Vergleich: l992 standen 8.150 Betten zur Verfügung).

Die Zillertalbahn sollte daher nicht nur als Transportmittel für land- und forstwirtschaftliche Produkte dienen, sondern war von Anfang an als Zubringer für den Fremdenverkehr geplant worden. Der Stellwagenbetrieb - ein Pferdegespann, das seit 1863 dreimal täglich die Strecke befahren hat und bei dem die Reisenden in Zell übernachten mußten war dem Verkehr nicht mehr gewachsen. Zumal der Zustand der Landstraße ein enger, kurvenreicher und holpriger, zum Teil sumpfiger Fahrweg- so schlecht war, daß er größtenteils nur mit Pferden und Saumtieren benutzt werden konnte. Was wunder, wie es damals in der Localpresse hieß, daß "der goldene Traum erhitzter Köpfe" einem echten Bedürfnis entsprang, als am 25.November 1892 im Gasthof Brau in Zell eine Versammlung sämtlicher Gemeindevorsteher und angesehener Persönlichkeiten des Tales stattfand und ein "Bahnkomitee" gewählt wurde. Aber erst zweieinhalb Jahre später, am 21.April 1895, wurde der Bau der Eisenbahn endgültig beschlossen. Das Bahnkomitee bestellte die Aktionäre Kaspar Schneider, Landtagsabgeordneter aus Zell, den Fügener Arzt Dr. Raimund Rainer und den Jenbacher Hotelier Franz Prantl als Konzessionswerber. ( Die Triebwagen tragen heute die Namen dieser Gründungsmitglieder). Diese Herren betrieben die notwendigen Formalitäten im k&k Ministerium und erhielten am 2.Dezember 1895 von k&k Eisenbahnminister Heinrich von Wittek die "Concessions-Urkunde" überreicht. Aber über den Verlauf der Bahn und über die Art gab es verschiedene Ansichten. Die einen wollten die Bahn von Brixlegg auf der rechten Talseite, andere von Jenbach nach Strass und in der Folge am linken Zillerufer, einige waren für eine Normalspur- und wieder andere für eine Schmalspurbahn, wieder andere wollten eine Verbindung über Gerlos zur Krimmler-Bahn. Zu den verschiedenen Meinungen kam noch die schwierige Finanzierung. Trotz all dieser Schwierigkeiten, aber nicht zuletzt aufgrund des großen Erfolges der Achenseebahn, wurde im Juli 1898 das erforderliche Stammkapital von 150.000 Gulden (das wären heute ca. 17 Mo. Schilling) erreicht und damit konnte am 16.Dezember 1899 die "Zillerthalbahn Actiengesellschaft" gegründet werden. Der Kampf um die Spurweite endete zu Gunsten der Schmalspur, da nicht nur wirtschaftliche Gründe sondern auch wehrtechnische Erwägungen dafür ausschlaggebend waren. Im Kriegsfalle sollte es möglich sein, im damaligen "Occupationsstaat Bosnien" (Vorherrschen der 760mm Spur) den Fahrzeugpark der Zillertalbahn einzusetzen. Es ist aber nicht bekannt, ob während des ersten Weltkrieges die Verschleppung Zillertaler Dampflokomotiven in Erwägung gezogen wurde. Bekannt ist aber, daß 1943, gegen Ende des zweiten Weltkrieges, der techn. Inspektor der Reichsbahndirektion München Peter Moder, ein Kufsteiner, einen Zustandsbericht über die Zillertalbahn für das Oberkommando in Berlin erstellen mußte, weil in der Ukraine Ersatz an Eisenbahngerät dringend notwendig war. Der Bericht dieses Patrioten war so negativ, daß man keine weiteren Pläne in dieser Richtung verfolgte.

Zurück zur Chronik. Am 10. Feber 1901 fand die erste ordentliche Generalversammlung in Zell statt. Das Aktienkapital betrug 843 000 Kronen. Bekanntlich wurde am 1.1.1900 die Kronenwährung eingeführt. Heute würde dieser Betrag ca. 47 Mo. Schilling bedeuten. Interessanterweise gibt es in den Unterlagen keine Hinweise über einen feierlichen Spatenstich oder über eine offizielle Festlichkeit anläßlich des Baubeginnes. Nachweisbar sind dafür die Fertigstellungsdaten und zwar war die Bahn am 20. 12. 1900 bis Fügen, am 24. 2. 1901 bis Kaltenbach, und am 21. 7. 1901 bis Zell fertiggestellt. Zell sollte vorerst Endstation der Bahn sein, da aus finanziellen Gründen eine Weiterführung der Linie bis Mayrhofen nicht möglich war. Die hohen Kosten der Bachsanierungen verursachten u.a. so hohe Auslagen, daß erst eine finanziere Zusage des Ministeriums die Vollendung des letzten Bauabschnittes und zwar am 31.7.1902 bis Mayrhofen ermöglichte. Zu diesem Zeitpunkt besaß die Zillertalbahn zwei Tender-Locomotiven, sogenannte Dreikuppler der Firma Krauß & Co aus Linz, sowie 10 Personenwagen (310 Sitzplätze) 2 Gepäckwagen, 10 gedeckte und 10 offene Güterwagen. Aufgrund des weit besser als erwarteten Geschäftsverlaufes mußte eine dritte Dampflok angekauft werden und konnten alle aufgelaufenen Schulden getilgt werden! Schon im ersten Betriebsjahr beförderte die Bahn 118. 000 Personen, 1952 waren es 600.000 und heute pendelt sich diese Anzahl bei knapp über eine Mio Fahrgäste ein. Bis 1914 konzentrierte sich der Fremdenverkehr auf wenige Orte, da sich nur das wohlhabende Bürgertum Sommerfrische leisten konnte. Erst von 1918 bis 1933 stieg der Fremdenverkehr gewaltig an, da sich eine sozial größere Gruppe von Gästen Urlaub leisten konnte, so stieg z.B. in Mayrhofen die Zahl der Übernachtungen auf 100.000 im Jahr 1927. Die Wirtschaftslage der Bahn war damals immerhin so gut, daß sich die Gesellschaft 1921/22 ein Elektrizitätswerk kaufte und Pläne für die Elektrifizierung schmiedete. Diese Pläne zerschlugen sich, das E-Werk wurde wieder abgestoßen. Dafür konstruierte man bei der Zillertalbahn als erster Schmalspurbahn in Österreich einen Triebwagen, der mit Dieselmotor-Antrieb (Verbrennungsmotor, daher das V in der Bezeichnung) ausgestattet wurde. Diesem Aufschwung macht die Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren ein Ende und bedrohte nicht nur die Bahn in ihrer Existenz. Im Juli 1937 hatte Mayrhofen 350 Gäste. Positiv zu vermerken war der 1928 in Tux beginnende Magnesitabbau, der für die Bahn wichtigste wirtschaftliche Grundlage bis zu seiner Einstellung 1976 blieb. Der rapide Gästeanstieg 38/39 war nur eine Scheinblüte, die im 2.Weltkrieg endete. Die Epoche von 1920 bis 1938 hatte einen größeren Strom von Gästen gebracht, weil der Tourismus und der Alpinismus in breite Bevölkerungskreise gedrungen ist. Auch der Skilauf erlebte die erste Blütezeit, allerdings noch ohne Aufstiegshilfe. Die Penkenbahn in Mayrhofen wurde erst 1954 und die Gerlossteinseilbahn erst 1960 gebaut.

1949 entschloß man sich bei der Zillertalbahn den Autobus Linienverkehr einzuführen. Die Bahn beförderte inzwischen ca. 545.000 Personen, der neue Autobus-Betrieb schaffte 55.000 Personen. "Dieser neuartigen Entwicklung auf der Straße Rechnung tragend", so lautet das Protokoll, wurde mit Beschluß der Hauptversammlung vom 12.Juli 1956 die Zillertalbahn AG in Zillertaler Verkehrsbetriebe AG umbenannt.

Im Jahre 1964 begann ein schwerer Kampf um den Bestand der Bahn, der 1965 den bislang kritischsten Punkt in der Geschichte erreichte. Die Bahn sollte zugunsten eines Straßenprojektes weichen. Nicht nur die Weitsicht und der Einsatz maßgeblicher Persönlichkeiten konnten den voreiligen Untergang dieses Kleinods verhindern, sondern auch die glücklichen Umstände, daß im hinteren Zillertal die Tauernkraftwerke ein Speicherkraftwerk planten. Die Zillertalbahn übernahm die Transporte der Baugeräte und lieferte pünktlich 325.000 Tonnen Zement, ohne die ohnehin infarktgefährdete Straße weiter zu belasten. Die Anschaffung von Rollwagen, neuen Dieselloks für die Güterzüge und die Einführung des Zugfunkes (wieder war die Zillertalbahn Pionier) bewiesen, daß selbst eine so kleine Bahn Unglaubliches zu leisten imstande war.