Anläßlich von Verhandlungen über Nutzung der Wasserkraft für die neue Eisenindustrie-Fachschule in Fulpmes wird auch eine Verbesserung der Verkehrsverbindungen ins Tal gefordert. Schon im Mittelalter baute man im Raum Fulpmes Eisen, Silber und Blei ab und verarbeitete es an Ort und Stelle. Mit der Zeit versiegte der Bergsegen, und der Abbau wurde wegen mangelnder Rentabilität eingestellt. Geblieben war eine Verarbeitungsindustrie, die vor allem Werkzeuge und andere Kleineisenwaren herstellte. Solange das Pferdefuhrwerk das einzige Transportmittel im ganzen Land war, fanden die Bewohner des Stubaitales ihr Auslangen. Mit dem fortschreitenden Ausbau der Eisenbahnen kamen allerdings die nicht davon berührten Gegenden wirtschaftlich ins Hintertreffen. Die einzige Verbindung mit dem Wipptal bestand aus einer schmalen, steilen Schotterstraße, die besonders im Winter häufig unpassierbar war. Für die Stubaier und ihre Industrie war also die Verbesserung der Verkehrsbedingungen eine Überlebensfrage. Das Straßenbauprogramm des Tiroler Landtages sah zwar eine neue Straße vor, welche bei der Stephansbrücke von der Brennerstraße abzweigen und dem Ruetzbach folgend am Talboden nach Fulpmes verlaufen sollte. Die höher am Talrand gelegenen Sommerfrischorte Schönberg, Mieders und Telfes wären zum Teil weit abseits der neuen Straße gelegen und versagten daher diesem Projekt jegliche Unterstützung. Der Direktor der LBIHiT, Ing. H. Ritter v. Schwind, schlug den Bau einer Bahnlinie, welche nach Art einer Straßenbahn vom Bergiselbhf in Innsbruck auf der Brennerstr. bis zur Stephansbrücke, von dort über Telfes, Fulpmes, Mieders nach Schönberg bzw. sogar bis Matrei verlaufen sollte, vor. Während über die Trassierung der neuen Straße keine Einigung erzielt werden konnte, herrschte bei den Gemeinden über das Bahnprojekt sofort volle Übereinstimmung.

 

1886 Erste Überlegungen, das Stubaital mit einer Bahn zu erschließen.

 

1895 Am 22. Juli wurde von Ing. v. Schwind ein Detailprojekt für diese Bahnlinie vorgelegt, wonach am 10. August die Bewilligung zu technischen Vorarbeiten erteilt wurden.

 

1897 30. Oktober: Erteilung einer Vorkonzession auf 1 Jahr. Zwei Trassierungsvarianten - Innsbruck-Natters-Mutters-Telfes-Fulpmes oder Brennerstr.-Stephansbrücke (Gh Schupfen)-Telfes-Fulpmes-Neustift mit einem Flügel Fulpmes-Mieders-Schönberg-Matrei kommen in Frage.

 

1899 16. Juli: Versammlung des Straßenbaukomitees in Mieders. Die Gemeinden billigen das Projekt Riehls. Die in Meterspur zu errichtende Bahn soll mit Dampf betrieben werden.

 

1900 März: Nach Abschluß der Vorarbeiten steht fest, daß die Straße infolge geologischer Schwierigkeiten nicht um den vorgesehenen Preis gebaut werden kann. Um den Bahnbau zu retten, schlägt Ing. Riehl eine andere Variante mit Benutzung der Brennerstr. bis zur Abzweigung Natters vor.

3. bis 5. September: Die Variante wird gebilligt und die Trassenrevision kann erfolgen. Am Bergisel muß ein eigener Bahnhof gebaut werden, dadurch wäre auch ein Anschluß an das Netz der LBIHiT gegeben, auf dem die Züge der Stubaitalbahn bis zum Südbhf fahren sollen.

An Fahrzeugen sollen vorerst 3 Dampfloks der IMB-Type, 12 Personen- und 6 Güterwagen sowie 1 Schneepflug beschafft werden. Fulpmes soll einen Kopfbahnhof erhalten.

Durch den Bahnbetrieb sollen das Stubaital dem Fremdenverkehr besser erschlossen, der notleidenden Kleineisenindustrie der Absatz Ihrer Produkte erleichtert und der Abbau der Eisenerzlager oberhalb von Neustift ermöglicht werden.

25. Dezember: Minister Wittek stellt eine staatliche Kostenbeteiligung nur für den Fall in Aussicht, daß das Projekt auf die Strecke Innsbruck-Fulpmes beschränkt bleibt und das Straßenprojekt wegfallt.

 

1901 17 bis 25. Juni: Politische Begehung der Strecke Fulpmes-Natters. Unter Berücksichtigung der geforderten Trassenänderung und der Wünsche Minister Witteks änderte Riehl sein Projekt nochmals ab.

 

1902 Riehl als Generalunternehmer des Bahnbaues gelingt es, die AEG Union für den Bau zu interessieren. Die bis dahin meistverbreitete Stromart für Bahnbetriebe ist Gleichstrom, der zu jener Zeit isolationsmäßig jedoch nur bis ca. 1000 V beherrscht wird; Drehstrom bedingt komplizierte Fahrleitungen. Als dritte Möglichkeit bietet sich der aus der allgemeinen Landesversorgung zu beziehende Einphasen-Wechselstrom (erlaubt höhere Fahrleitungsspannungen) an, für den es noch keinen brauchbaren Traktionsmotor gilt.

Riehl läßt sich auf das Wagnis ein, das neue und völlig unerprobte Stromsystem auf der Stubaitalbahn zu verwenden. AEG erklärte sich bereit das fehlende Baukapital in Aktien anzulegen. Nun ist der Bahnbau gesichert, und die Stubaitalbahn wird die erste mit 50-Hz Einphasen-Wechselstrom betriebene Bahn der Welt (die 1903 eröffnete Versuchsanlage Niederschöneweide-Spindlersfeld in Deutschland lief mit 25 Hz).

 

1903 1. Mai: Baubeginn der Stubaitalbahn.

4. Juli: Politische Begehung Natters-Innsbruck. Für die Anlage des Bahnhofes Wilten kommen 3 Stellen in Frage. Die Arbeiten gehen rasch voran, es stehen 800 Arbeiter im Einsatz.

17. August: Konzessionserteilung.

8. November: Gründung der Aktiengesellschaft Stubaitalbahn (AGSTB).

 

1904 Juni: Die Bahnanlage ist fertiggestellt. Die gesamte Länge beträgt 18,16 km die größte Steigung 46‰, der Minimalradius 40 m. Die Bahn verläuft ausschließlich auf eigenem Bahnkörper. Bemerkenswerte Kunstbauten sind der 150 m lange Kehrtunnel, der ebenfalls 150 m lange Tunnel bei der Mutterer Brücke, der auf 25 m hohen Betonpfeilern ruhende 109 m lange Mühlgraben- oder Mutterer Viadukt sowie der 110 m lange Kreither Viadukt. Wegen Mangels an Baumaterialien in der Nähe der Baustelle wurde dieser als Gerüstträgerbrücke ausgeführt. Daneben gibt es noch kleinere Brücken, Durchlässe, Stützmauern sowie äußerlich nicht sichtbare Einbauten zur Befestigung der Strecke, besonders auf der von zahlreichen Wasserläufen und Quellen durchsetzten Hangstrecke zwischen Mutters und Kreith.

7. Juli: Lieferung des 1. Triebwagens.

27. Juli: Erste Probefahrt mit Tw 3 und Bw 13. Infolge Absinkens der Fahrdrahtspannung auf 1800 V bleibt der Zug nach 400 m in der Höchststeigung liegen.

31. Juli: Feierliche Eröffnung der Bahn mit Volksfest, Bergfeuern und Fackelzug. Die Betriebsbewilligung wurde, da es sich um ein neues, unerprobtes System handelte, provisorisch bis zum 31. Dezember 1906 erteilt.

1. August: Aufnahme des Personenverkehrs. Mit Rücksicht auf die unzureichende Stromversorgung kann vorerst nur ohne Bw gefahren werden.

Oktober: Nach Umgestaltung der Stromversorgung kann der volle Zugsbetrieb mit Güterverkehr aufgenommen werden. Das Unterwerk an der Stephansbrücke wurde abgebaut und in Kreith neu errichtet.

20. Dezember: Dammrutsch bei km 2,8 (südlich des Sonnenburger Hofes). Verlegung der Gleise auf eine provisorische Holzbrücke.

 

1905 Jänner: Infolge starker Schneefälle Betrieb für mehrere Tage eingestellt.

April: Lieferung der bestellten Fahrzeuge.

1. Juni: Eröffnung der Umladestelle am Staatsbhf (Westbhf). Hauptsächliches Transportgut ist Baumaterial.

 

1906 12. Juni: Die AGSTB erhält die Vorkonzession für eine teils als Schienen-, teils als Seilbahn auszuführende Strecke Fulpmes-Froneben.

 

1907 4. Mai: Auf der Generalversammlung wird die Umbenennung der Hst Plateau in Sonnenburger Hof beschlossen. Zum Bau der Fronebenbahn soll das Aktienkapital erhöht werden.

 

1908 22. März: Bahnhof Innsbruck um 1 Remisengleis erweitert.

7. Juni: Verregneter Sommer. Strecke bei km 2,8 neuerdings abgerutscht.

 

1912 Das besonders schlechte Wetter bringt einen Einnahmenausfall während der Sommermonate im Personenverkehr.

 

1913 Höchstgewichte der beladenen Züge bergwärts mit 50 t, talwärts mit 57 t festgelegt.

 

1915 Nach der Kriegserklärung Italiens wird in Mieders ein Militärerholungsheim, in Fulpmes ein Notreservespital eingerichtet. Ein Marschbataillon ist ebenfalls einquartiert. Dies alles bringt der AGSTB einen ungewöhnlich starken Verkehr.

22. November: Militärsonderverkehr.

 

1916 Jänner: Verwundetentransporte Lindengasse (Krankenverteilanstalt)-Fulpmes.

10. Juni: Fernsprechstelle Gärberbach (zum Rückmelden der Züge) eingerichtet.

 

1917 1. September: Im UW Telfes ist ein Trafo ausgefallen. Nach Ausfahrt von Zügen Richtung Innsbruck ist das UW abzuschalten, Vorspannfahren Fulpmes-Telfes ab sofort verboten.

 

1918 28. August: Für die Abwicklung des Personenverkehrs steht noch 1 Tw zur Verfügung.

29. September: Auf Winterfahrplandauer werden die Hst Sonnenburger Hof, Gärberbach, Nockhofweg und Außerkreith (bergwärts) zwecks Motorschonung aufgelassen.

 

1919 April: Triebwagenmangel, schadhafte Motoren führen zu einer Fahrplaneinschränkung.

1. Oktober: Die Hst Sonnenburger Hof (nur in Richtung Innsbruck), Gärberbach, Nockhofweg und Außerkreith zu Bedarfshst erklärt.

13. Dezember: Im UW Telfes neuerdings ein Trafo ausgefallen. Das Jahr 1919 schließt erstmals mit Verlust.

 

1920 1. Jänner: Tariferhöhung.

22. April: Zur Betriebsabwicklung stehen nur 2 Tw zur Verfügung, daher Fahrplaneinschränkung.

1. Mai: Bedingt durch die Inflation, muß der Tarif wieder erhöht werden. Auch das Jahr 1920 schließt mit Verlust.

 

1921 November: Die AGSTB will der LB deren selbstgebaute vierachsige Gw abkaufen. Trotz Tariferhöhung am 30. März, 9. Juli und 20. Oktober endet auch 1921 mit Verlust. Bahnaktien sind überwiegend in deutschem Besitz.

 

1922 Trotz der Verluste werden notwendige Erhaltungsarbeiten durchgeführt.

 

1924 17. Februar: Interessentenversammlung für den Bau der Sellraintalbahn in Birgitz.

14. Mai: Infolge der allgemein schlechten Wirtschaftslage bleiben die Urlaubsgäste im Stubaital aus.

5. bis 9. Juli: Streik wegen Lohnforderungen. Obwohl im Mai die Einheimischentarife erhöht werden, reichen die Einnahmen zur Deckung der Lohnforderungen nicht aus.

10. Juli: Einheimischentarife um ca. 20 Prozent gesenkt.

16. August: Versuch zur Einführung eigener Anschlußzüge Maria-Theresien-Str.-Stubaitalbhf.

 

1925 17. Dezember: Sonnenburger Hof und Nockhofweg bleiben bis auf weiteres auch bergwärts als Hst.

 

1926 24. Februar: AGSTB am Internationalen Eisenbahngütertarif beteiligt.

17. März: Aufnahme eines beschränkten Güterverkehrs mit Lkw bis Sonnenburger Hof. Höchstgewicht pro Stück 100 kg, pro Sendung 500 kg.

25. März: Durchgehender Verkehr mit Zug 8 wieder aufgenommen.

27. April: Erste Probefahrt des Schienenautos, ein Kleinwagen Type Perl MD 1000, wie ihn auch die Bundesbahn verwendet. Für die Benützung des Autos ist der Fahrpreis für die 2. Klasse zu bezahlen.

1. Juni: Das max. Zuggewicht wird mit 50 t (1 Tw, 2 Bw und 1 Gw) beschränkt. Dreiachsige Gw dürfen (wegen des Brückenprovisoriums an der Abrutschstelle) mit max. 2 t beladen werden.

2. Juli: Fahrplan des Schienenautos: Maria-Theresien-Str. ab 14.15 Uhr, Hbf ab 14.21 Uhr, Stubaitalbhf ab 14.33 Uhr, Fulpmes an 15.18 Uhr.

27. Juli: Neue Halte- und Ladestelle "Telfeser Wiesen" in Betrieb genommen.

28. Juli: Aus technischen Gründen wird der Verkehr des Schienenautos eingestellt. Seit der Inbetriebnahme hatte der Wagen 136 km zurückgelegt.

1926: Wegen des Parallelbetriebes mit dem neuen Achenseewerk wird das Sillwerk in diesem Jahr auf Drehstrom umgebaut. Die AGSTB wird nun mit 12 000 V gespeist, wodurch die Fahrleitungsspannung auf 3 000 V erhöht wurde.

 

1927 20. Oktober: Einführung batteriebetriebener Schlußleuchten.

 

1928 1. April: Errichtung einer eigenen Betriebsleitung. Direktor Alois Engl übernimmt das Amt des bisherigen LBIHiT-Direktors Ing. Hans Huber.

August: Entsprechend den Anschlußbeiwagen der IMB möchte auch die AGSTB eigene Zubringerzüge von der Maria-Theresien-Str. durch die LBIHiT erhalten.

 

1929 26. Juni: Die AGSTB möchte ähnlich dem Botenwagen Hall-Innsbruck auch einen zwischen Innbrücke und Fulpmes für den Boten Denifl.

13. Juli: Eröffnung der Autobuslinie 7 Hbf-Stubaitalbhf.

Oktober: Das seit 2 Jahren unbenutzte Schienenauto soll wieder Verwendung finden und während der Messezeit für Gruppenfahrten dienen.

 

1930 Vereinigung der AGSTB mit den anderen Innsbrucker LB wird erwogen.

 

1932 Februar: Ausgabe kombinierter Fahrkarten Stubaital-Nordkettenbahn.

 

1933 20. Juni: LBIHiT Probefahrten mit 1000-V-Gleichstrom Innsbruck-Mutters.

 

1934 4. April: Die AGSTB wünscht die Betriebsführung wieder durch die LBIHiT.

30. Mai: Die LBIHiT soll der AGSTB Einsparungsvorschläge unterbreiten.

 

1939 Das Schienenauto scheint in den Fahrparkangaben nicht mehr auf.

 

1940 Ankauf von 2 offenen 2-achsigen Gw (gebraucht) von Orenstein & Koppel.

 

1941 Der Zustand des Oberbaues ist mittlerweile sehr schlecht. Es kommt bei Zugfahrten Öfters zu Entgleisungen. Alle 4 Tw erhalten eine Hauptrevision, da der Verkehr durch Monate hindurch nur mit 1 Tw abgewickelt werden mußte.

Übergang der Aktienmehrheit in den Besitz der Stadt Innsbruck und Übernahme der Betriebsführung durch die IVB.

 

1942/43 Die Autobuslinie Innsbruck-Neustift wird wegen Treibstoffmangels eingestellt Die Bahn ist die einzige Verbindung in das Stubaital.

 

1944 Bei den Luftangriffen im Oktober werden auch die Anlagen der AGSTB schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Remise Innsbruck, das Umlademagazin am Westbhf, die Gleisanlagen in Innsbruck und sogar in Kreith erhalten Bombentreffer.

 

1945 Juli: Die letzten Luftangriffe auf Innsbruck treffen zwar keine Einrichtungen der AGSTB, dafür sind die Tw-Motoren größtenteils wieder schadhaft. Der Fahrplan muß eingeschränkt werden.

10. Dezember: Beförderung von Wintersportgeräten erfolgt nur nach Maßgabe des vorhandenen Platzes in den Zügen.

 

Buchauszug "Straßenbahnen, Busse und Seilbahnen von Innsbruck" - ISBN 3-85423-008-7 - mit freundlicher Genehmigung des Autors Walter Kreutz.