Aus der Chronik der Stubaitalbahn (AGStB)

Solo-Tw der Stubaitalbahn in der Haltestelle Gärberbach, die sich heute in tiefem Wald befindet. Links im Bild der Sonnenburghügel (beim Bau der Brennerautobahn abgetragen). (Foto: Sammlung W. Kreutz, 1904)
Tw der Stubaitalbahn beim Übersetzen der Brennerstraße bei der Haltestelle "Plateau" (heute Sonnenburgerhof). (Foto: Sammlung W. Kreutz, 1904)
Zug der Stubaitalbahn beim Sonnenburgerhof. Voraus der Tw 4, noch mit den breiten Fenstern im 2. Klasse Abteil. Nach Auflassen der 2. Klasse 1949 wird die Fenstereinteilung an die anderen Wagen angeglichen. (Foto: Sammlung W. Kreutz, 1936)
Das Schienenauto der Stubaitalbahn bei einer Probefahrt oberhalb von Mutters. (Foto: Sammlung G. Mackinger, 1926)
Zug der Stubaitalbahn bei Mutters. (Foto: September 1958, Alfred Luft)

Anläßlich von Verhandlungen über Nutzung der Wasserkraft für die neue Eisenindustrie-Fachschule in Fulpmes wird auch eine Verbesserung der Verkehrsverbindungen ins Tal gefordert. Schon im Mittelalter baute man im Raum Fulpmes Eisen, Silber und Blei ab und verarbeitete es an Ort und Stelle. Mit der Zeit versiegte der Bergsegen, und der Abbau wurde wegen mangelnder Rentabilität eingestellt. Geblieben war eine Verarbeitungsindustrie, die vor allem Werkzeuge und andere Kleineisenwaren herstellte. Solange das Pferdefuhrwerk das einzige Transportmittel im ganzen Land war, fanden die Bewohner des Stubaitales ihr Auslangen. Mit dem fortschreitenden Ausbau der Eisenbahnen kamen allerdings die nicht davon berührten Gegenden wirtschaftlich ins Hintertreffen. Die einzige Verbindung mit dem Wipptal bestand aus einer schmalen, steilen Schotterstraße, die besonders im Winter häufig unpassierbar war. Für die Stubaier und ihre Industrie war also die Verbesserung der Verkehrsbedingungen eine Überlebensfrage. Das Straßenbauprogramm des Tiroler Landtages sah zwar eine neue Straße vor, welche bei der Stephansbrücke von der Brennerstraße abzweigen und dem Ruetzbach folgend am Talboden nach Fulpmes verlaufen sollte. Die höher am Talrand gelegenen Sommerfrischorte Schönberg, Mieders und Telfes wären zum Teil weit abseits der neuen Straße gelegen und versagten daher diesem Projekt jegliche Unterstützung. Der Direktor der LBIHiT, Ing. H. Ritter v. Schwind, schlug den Bau einer Bahnlinie, welche nach Art einer Straßenbahn vom Bergiselbhf in Innsbruck auf der Brennerstr. bis zur Stephansbrücke, von dort über Telfes, Fulpmes, Mieders nach Schönberg bzw. sogar bis Matrei verlaufen sollte, vor. Während über die Trassierung der neuen Straße keine Einigung erzielt werden konnte, herrschte bei den Gemeinden über das Bahnprojekt sofort volle Übereinstimmung.

1886 gab es erste Überlegungen, das Stubaital mit einer Bahn zu erschließen.

Am 22. Juli 1895 wurde von Ing. v. Schwind ein Detailprojekt für diese Bahnlinie vorgelegt, wonach am 10. August die Bewilligung zu technischen Vorarbeiten erteilt wurden.

30. Oktober 1897: Erteilung einer Vorkonzession auf 1 Jahr. Zwei Trassierungsvarianten - Innsbruck-Natters-Mutters-Telfes-Fulpmes oder Brennerstr.-Stephansbrücke (Gh Schupfen)-Telfes-Fulpmes-Neustift mit einem Flügel Fulpmes-Mieders-Schönberg-Matrei kommen in Frage.

Am 16. Juli 1899 gab es eine Versammlung des Straßenbaukomitees in Mieders. Die Gemeinden billigen das Projekt Riehls. Die in Meterspur zu errichtende Bahn soll mit Dampf betrieben werden.

Nach Abschluß der Vorarbeiten steht im März 1900 fest, daß die Straße infolge geologischer Schwierigkeiten nicht um den vorgesehenen Preis gebaut werden kann. Um den Bahnbau zu retten, schlägt Ing. Riehl eine andere Variante mit Benutzung der Brennerstr. bis zur Abzweigung Natters vor. Die Variante wird gebilligt und die Trassenrevision kann erfolgen. Am Bergisel muß ein eigener Bahnhof gebaut werden, dadurch wäre auch ein Anschluß an das Netz der LBIHiT gegeben, auf dem die Züge der Stubaitalbahn bis zum Südbhf fahren sollen.

An Fahrzeugen sollen vorerst 3 Dampfloks der IMB-Type, 12 Personen- und 6 Güterwagen sowie 1 Schneepflug beschafft werden. Fulpmes soll einen Kopfbahnhof erhalten.

Durch den Bahnbetrieb sollen das Stubaital dem Fremdenverkehr besser erschlossen, der notleidenden Kleineisenindustrie der Absatz Ihrer Produkte erleichtert und der Abbau der Eisenerzlager oberhalb von Neustift ermöglicht werden.
Minister Wittek stellt am 25. Dezember 1900 eine staatliche Kostenbeteiligung nur für den Fall in Aussicht, daß das Projekt auf die Strecke Innsbruck-Fulpmes beschränkt bleibt und das Straßenprojekt wegfallt.

Vom 17 bis 25. Juni 1901 erfolgte die Politische Begehung der Strecke Fulpmes-Natters. Unter Berücksichtigung der geforderten Trassenänderung und der Wünsche Minister Witteks änderte Riehl sein Projekt nochmals ab.

Riehl als Generalunternehmer des Bahnbaues gelingt es 1902, die AEG Union für den Bau zu interessieren. Die bis dahin meistverbreitete Stromart für Bahnbetriebe ist Gleichstrom, der zu jener Zeit isolationsmäßig jedoch nur bis ca. 1000 V beherrscht wird; Drehstrom bedingt komplizierte Fahrleitungen. Als dritte Möglichkeit bietet sich der aus der allgemeinen Landesversorgung zu beziehende Einphasen-Wechselstrom (erlaubt höhere Fahrleitungsspannungen) an, für den es noch keinen brauchbaren Traktionsmotor gilt.

Riehl läßt sich auf das Wagnis ein, das neue und völlig unerprobte Stromsystem auf der Stubaitalbahn zu verwenden. AEG erklärte sich bereit das fehlende Baukapital in Aktien anzulegen. Nun ist der Bahnbau gesichert, und die Stubaitalbahn wird die erste mit 50-Hz Einphasen-Wechselstrom betriebene Bahn der Welt (die 1903 eröffnete Versuchsanlage Niederschöneweide-Spindlersfeld in Deutschland lief mit 25 Hz).

Am 1. Mai 1903 erfolgt der Baubeginn der Stubaitalbahn und am 4. Juli die politische Begehung Natters-Innsbruck. Für die Anlage des Bahnhofes Wilten kommen 3 Stellen in Frage. Die Arbeiten gehen rasch voran, es stehen 800 Arbeiter im Einsatz.

Am 17. August erfolgte die Konzessionserteilung und am 8. November wurde die Gründung der Aktiengesellschaft Stubaitalbahn (AGSTB) durchgeführt.

Juni 1904: Die Bahnanlage ist fertiggestellt. Die gesamte Länge beträgt 18,16 km die größte Steigung 46‰, der Minimalradius 40 m. Die Bahn verläuft ausschließlich auf eigenem Bahnkörper. Bemerkenswerte Kunstbauten sind der 150 m lange Kehrtunnel, der ebenfalls 150 m lange Tunnel bei der Mutterer Brücke, der auf 25 m hohen Betonpfeilern ruhende 109 m lange Mühlgraben- oder Mutterer Viadukt sowie der 110 m lange Kreither Viadukt. Wegen Mangels an Baumaterialien in der Nähe der Baustelle wurde dieser als Gerüstträgerbrücke ausgeführt. Daneben gibt es noch kleinere Brücken, Durchlässe, Stützmauern sowie äußerlich nicht sichtbare Einbauten  zur Befestigung der Strecke, besonders auf der von zahlreichen Wasserläufen und Quellen durchsetzten Hangstrecke zwischen Mutters und Kreith. Am 7. Juli wurde der 1. Triebwagen geliefert, am 27. Juli erfolgte die erste Probefahrt mit Tw 3 und Bw 13. Infolge Absinkens der Fahrdrahtspannung auf 1800 V bleibt der Zug nach 400 m in der Höchststeigung liegen.

Der 31. Juli war der Tag für die feierliche Eröffnung der Bahn mit Volksfest, Bergfeuern und Fackelzug. Die Betriebsbewilligung wurde, da es sich um ein neues, unerprobtes System handelte, provisorisch bis zum 31. Dezember 1906 erteilt.
Am 1. August erfolgte die Aufnahme des Personenverkehrs. Mit Rücksicht auf die unzureichende Stromversorgung kann vorerst nur ohne Bw gefahren werden. Nach Umgestaltung der Stromversorgung kann im Oktober der volle Zugsbetrieb mit Güterverkehr aufgenommen werden. Das Unterwerk an der Stephansbrücke wurde abgebaut und in Kreith neu errichtet.

Im April 1905 erfolgte die Lieferung der bestellten Fahrzeuge. Der 1. Juni war der Eröffnungstag der Umladestelle am Staatsbhf (Westbhf). Hauptsächliches Transportgut ist Baumaterial.

1913 werden die Höchstgewichte der beladenen Züge bergwärts mit 50 t, talwärts mit 57 t festgelegt.

Nach der Kriegserklärung Italiens wird 1915 in Mieders ein Militärerholungsheim, in Fulpmes ein Notreservespital eingerichtet. Ein Marschbataillon ist ebenfalls einquartiert. Dies alles bringt der AGSTB einen ungewöhnlich starken Verkehr.

Am 24. Februar  wird die AGSTB am Internationalen Eisenbahngütertarif beteiligt.

27. April 1926: Erste Probefahrt des Schienenautos, ein Kleinwagen Type Perl MD 1000, wie ihn auch die Bundesbahn verwendet. Für die Benützung des Autos ist der Fahrpreis für die 2. Klasse zu bezahlen. Am 28. Juli wird aus technischen Gründen der Verkehr des Schienenautos eingestellt. Seit der Inbetriebnahme hatte der Wagen 136 km zurückgelegt.

1930 wird die Vereinigung der AGSTB mit den anderen Innsbrucker LB wird erwogen.

1941 geht die Aktienmehrheit in den Besitz der Stadt Innsbruck über und die Betriebsführung wird durch die IVB übernommen.

Bei den Luftangriffen im Oktober 1944 werden auch die Anlagen der AGSTB schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Remise Innsbruck, das Umlademagazin am Westbhf, die Gleisanlagen in Innsbruck und sogar in Kreith erhalten Bombentreffer.

Die letzten Luftangriffe auf Innsbruck vom Juli 1945 treffen zwar keine Einrichtungen der AGSTB, dafür sind die Tw-Motoren größtenteils wieder schadhaft. Der Fahrplan muß eingeschränkt werden.

Obwohl für das Jahr 1947 die Rückkehr zum Normalfahrplan vorgesehen ist, muß mit 3 statt mit 5 Zugspaaren das Auslangen gefunden werden. Erst gegen Jahresende gelingt es, 3 Tw fahrbereit zu machen und damit auch den Ausflugs- und Wintersportverkehr wieder zu ermöglichen. Für das längst nötige Wartehäuschen in Natters wird wegen des fehlenden Baumaterials keine Baubewilligung erteilt. Die Vorarbeiten für einen Berglift auf die Mutterer Alm scheitern an Grundbenützungsschwierigkeiten. In diesem Jahr können die Fahrleitungen instand gesetzt und die letzten Bombenschäden behoben werden. Erst am 1. Dezember kann der Normalfahrplan wieder eingeführt wrden.

Am 7. Juni 1949 wird die 2. Klasse aufgelassen.

15. April 1954: Einführung von Rundfahrkarten Innsbruck-Fulpmes-Innsbruck, eine Fahrt mit Autobus, eine Fahrt mit der Bahn.

Der 1. August 1954 wurde zur Feier des 50jährigen Jubiläums genutzt. In den Festreden kommt die Furcht vor der drohenden Betriebseinstellung zum Ausdruck. Ein überalterter Fahrpark und sinkende Beförderungsziffern lassen die Zukunft düster erscheinen.

Mit Inkrafttreten der Schillingeröffnungsbilanz am 2. Jänner 1956 wird die Firma Verkehrsunternehmen Stubaital gelöscht, die neue Bezeichnung lautet Stubaitalbahn AG-Omnibusbetrieb.

Am März 1962 erfolgte eine Aussprache zwischen den Bürgermeistern des Stubaitales und dem AGSTB-Aufsichtsrat über die Zukunft der Bahn. Alle Bürgermeister und Fremdenverkehrsobmänner sind für die Beibehaltung der Bahn und deren Modernisierung. Der Aufsichtsrat beschließt, Verhandlungen mit dem Land und dem Finanzministerium zu führen.

6. Mai 1970: Einstellung der Stückgutübergabe ÖBB-AGSTB in Innsbruck Westbhf.

22. Mai 1971: Die Postbeförderung auf der Stubaitalbahn wird eingestellt.

1971: Auf einer Versammlung erklärt der Kaufmännische Direktor der IVB, Gastl, daß zur Aufrechterhaltung des Stubaitalbahnbetriebes 40 Millionen Schilling, für das Gesamtprojekt (Trassenverlegung) sogar 150 Millionen Schilling erforderlich wären.

Juli 1977: Da alle Bahnhöfe außer Innsbruck unbesetzt sind, soll zur Verständigung des Zugpersonals eine Funkanlage mit Richtantenne in Igls installiert werden. Vorerst wird aber die Verständigung zwischen dem Fahrdienstleiter in Innsbruck und den Triebwagenführern auf der Strecke mit tragbaren Funkgeräten abgewickelt.

Im Jänner 1990 wird der StB wird für 1991-1995 ein Zuschuß von S 52 Mill. zugesprochen; davon sollen die Remisen Nord und Süd errichtet werden, weiters vorgesehen für den Umbau der 8 Gelenk-Tw, Anschaffung von Fahrscheinautomaten, Umbau des Bahnsteigs am Hauptbhf, Bau einer Ausweiche in Raitis, verschiedene Haltestellen-Häuschen sowie Lichtsignalanlagen in Telfes und Fulpmes. Der Remisenneubau dürfte aber nur dann aktuell werden, wenn es auch zum Bau der Bahnlinie Mutters-Götzens-Axams käme, der als eine Alternative zum starken Straßenverkehr in Götzens angesehen wird.

Buchauszug "Straßenbahnen, Busse und Seilbahnen von Innsbruck"
ISBN 3-85423-008-7 - mit freundlicher Genehmigung des Autors Walter Kreutz.