Vom Haltestellenschild zum Tiefbahnhof
Von Gunter Makinger
Seit 110 Jahren Abfahrtsstelle
Traditionell nimmt die Salzburger Lokalbahn am Vorplatz des Hauptbahnhofes, dem heutigen Südtiroler Platz, ihren Ausgang.
Aber kaum ein Bahnhof oder eine Haltestelle mußte in den vergangenen 110 Jahren solche Veränderungen über sich ergehen lassen, als der Salzburger Lokalbahnhof.
Mit Errichtung der ersten Lokalbahnstrecke von Salzburg über Hellbrunn - Anif - Grödig nach Drachenloch wurde auch erstmalig am Bahnhofvorplatz in Salzburg eine Lokalbahnhaltestelle mit der offiziellen Bezeichnung "Salzburg Lokalbahn" eingerichtet.
Die Züge hielten an einem Haltestellenschild zum Aus- und Einsteigen der Fahrgäste, wobei notwendige Verschubmanöver im Bereich der nahen Remise (etwa im Bereich der heutigen Tunnelrampe gelegen) getätigt wurden.
Ein festes Bauwerk zum Unterstand für die Fahrgäste war in der Ursprungsausstattung noch nicht vorgesehen. Auch Betriebsdirektion und Betriebsleitung waren nicht in der Nähe der Remise angesiedelt, sondern residierten in einem angemieteten Lokal in der Salzburger Neustadt.
1891 errichtete die Salzkammergut-Lokalbahn (SKGLB) gegen über dem Staatsbahnhof ein eigenes Bahnhofgebäude, welches als Abfahrtsstelle der Züge nach Mondsee und ab 1893 auch nach St. Gilgen und Bad Ischl diente. Im ersten Stock dieses Gebäudes waren neben Räumlichkeiten für die SKGLB auch solche für die SETG-Verwaltung vorgesehen.
Bei unveränderter Gleislage für die Salzburger Lokalbahn konnten Dienst- und Warteräume im neuen Bauwerk mitbenutzt werden.
Ab 1896 war der Salzburger Bahnhofplatz auch Abfahrtsstelle der Lokalbahnzüge nach Oberndorf und Lamprechtshausen.
Neue Verkehrsorganisation
Die Entscheidung der SETG, in Zusammenarbeit mit den bayerischen Nachbarn einen durchgehenden elektrischen Bahnbetrieb zwischen Salzburg und Berchtesgaden einzurichten, aber auch die Bemühungen der Landeshauptstadt um Einrichtung eines städtischen Straßenbahnbetriebes, führten nach der Jahrhundertwende zu Überlegungen zur verkehrlichen Neugestaltung des späteren Südtiroler Platzes.
Alle Überlegungen flossen in ein 1908 begonnenes Projekt ein, wonach der bestehende Ischlerbahnhof in den künftigen Lokalbahnhof der SETG umgewandelt werden sollte.
Als Ersatz für die SKGLB wurde ein typischer Jugendstilbau nördlich der Kaiserschützenstraße vorgesehen. Ab Herbst 1908 liefen die Bauarbeiten auf Hochtouren. Der bestehende Ischlerbahnhof wurde für die Zwecke der SETG adaptiert.
So wurde im Erdgeschoß ein Bahnhofrestaurant mit Sälen für 2. und 3. Klasse und im Keller Küchen- und Kühlanlagen eingerichtet.
Neue Räume für Fahrdienstleitung und Fahrkartenschalter sowie ein Zollraum für den Transit von Reisegepäck aus Bayern wurden errichtet. Eine umfangreiche neue Gleisanlage wurde nunmehr westlich des Empfangsgebäudes anstelle der alten schmalspurigen Gleisanlagen der SKGLB erstellt. Es standen der Betriebsabwicklung ein durchgehendes Hauptgleis aus Richtung Salzburg Itzling/Remise (ab 1923 ein zweites solches durch Verlängerung des Stutzgleises 3) zur Verfügung. Dar über hinaus bestanden die Gleise 5, 7 und 9 für Abfahrten in Richtung Parsch - Hellbrunn und Berchtesgaden. Die Gleise 11 und 13 waren der Salzburger Stadtbahn, also der städtischen Straßenbahn vorbehalten.
Modernstes Zentralstellwerk für 350 Züge
Zur Verkehrsabwicklung und zur Sicherung des Zugverkehrs stand, als eine der modernsten Stellwerksanlagen der damaligen Zeit, an der südlichen Stirnfront des Lokalbahnhofes ein Stellwerksturm zur Verfügung.
Von diesem Zentralstellwerk aus wurden 18 Weichen ferngestellt bzw. festgelegt, sowie die Ein- und Ausfahrtslichtsignale betätigt.
Der Bahnhof Salzburg Lokalbahn war damit der erste Bahnhof der k.k. Monarchie, der ausschließlich mit Lichtsignalen ausgestattet war.
Daß eine solche hochwertige technische Ausrüstung durchaus am Platze war, zeigen die damaligen Zugzahlen.
So mußten an Werktagen rund 330 Zugfahrten und an sommerlichen Sonn- und Feiertagen sogar bis zu 350 Zugfahrten an diesem Bahnhof abgewickelt werden.
Darüber hinaus waren zahlreiche Verschubbewegungen zum Umsetzen der Garnituren und zum Beistellen von Beiwagen erforderlich.
Der Vollbetrieb dieser Stellwerksanlage wurde zu Pfingsten 1910 aufgenommen.
Die Ischlerbahn erhielt anstelle der alten Lokalbahnremise einen neuen Endbahnhof nördlich der heutigen Kaiserschützenstraße.
Zeitweise diente dieser Bahnhof auch der Ankunft beziehungsweise der Abfahrt der Lamprechtshausener Züge.
Bei Aufnahme des elektrischen Betriebes der Lokalbahn bis Plainbrücke (heute Maria Plain) waren alle Gleisanlagen beider Lokalbahnhöfe elektrisch überspannt.
Gleichzeitig standen auch zwei durchgehende Streckengleise für die Fahrt von der Nord- auf die Südlinie und umgekehrt zur Verfügung.
Durch Einstellung des städtischen Straßenbahnbetriebes 1940 wurden erste Reduzierungen der Gleisanlagen möglich.
Von Salzburg-Lokalbahnhof Richtung Süden wurde ab 1940 nur mehr eingleisig gefahren.
Schwer heimgesucht wurde der Lokalbahnhof während der Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges.
Nicht nur die Gleisanlagen, sondern auch das elektrische Zentralstellwerk wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Letzteres mußte außer Betrieb genommen und in den ersten Nachkriegsjahren abgetragen werden.
Die Elektrifizierung der Nordlinie bis Lamprechtshausen führte zur vor übergehenden Aufgabe des nördlichen Lokalbahnhofes, auch Salzburg O (wie Oberndorfer Bahn) oder Ischlerbahnhof genannt, für die Züge der Salzburger Lokalbahn. Lediglich das Ausweichgleis wurde regelmäßig für Zugkreuzungen benötigt.
Nach Einstellung der Leonharder und Parscher Strecke blieb der südliche Lokalbahnhof vorerst bestehen.
Große Umwälzungen
Erst der Wunsch der Stadtväter nach einem Autobusbahnhof anstelle der vorhandenen Abfahrtsstellen für Regionalbusse am Südtiroler Platz und am Residenzplatz führte zur Aufgabe des traditionsreichen Bahnhofes im Juni 1956.
Die verbleibenden Lokalbahnzüge nach Lamprechtshausen endeten von nun an nördlich der Kaiserschützenstraße am gemeinsam mit der Ischlerbahn benutzten Gebäude aus dem Jahre 1908.
Das Gebäude des südlichen Lokalbahnhofes blieb weiter bestehen und diente in seinem Erdgeschoß den Zwecken des Autobusbahnhofes sowie den der Obus- und Kraftwagenlinien.
Die Lokalbahndirektion war weiterhin im ersten Stock in Nachbarschaft zu der der SKGLB zu finden.
Die Gemeinsamkeit mit der Ischlerbahn in deren Bahnhofgebäude sollte jedoch nicht lange dauern. Ende September 1957 fuhr vielbeweint der letzte Zug von Salzburg nach Bad Ischl.
Mitte 1958 erwarben die Salzburger Stadtwerke für die Lokalbahn das Gebäude am Südtiroler Platz von der SKGLB mitsamt dem dortigen Bahnhofrestaurant.
Nur ein Provisorium
Anfang der 70er Jahre rückte wieder die Frage einer Neugestaltung des Salzburger Bahnhofvorplatzes in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Als erste Maßnahme (für lange Zeit auch als letzte) wurde 1973/74 der alte Ischlerbahnhof sehr zum Bedauern vieler Salzburger geschliffen und durch einen reinen Zweckbau ersetzt, welcher als "Provisorium" bis zur endgültigen Neugestaltung des Platzes der Lokalbahnabfahrtsstelle dienen sollte.
Das gleiche Schicksal ereilte 1977 den noch vorhandenen südlichen Lokalbahnhof, nachdem die Lokalbahndirektion in das Remisengelände Plainstraße übersiedelt war.
Was lange währt
Um den einer Festspielstadt nicht gerade vorzüglich entsprechenden Bahnhofvorplatz einer Gestaltung zuzuführen, wurde 1986 ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben, aus welchem 1987 das Architekturbüro Schürmann aus Köln als Sieger hervorging.
War in den ersten Gesamtlösungen die Abfahrtsstelle der Lokalbahn nur schlecht bis gar nicht gelöst, so entschied die Stadt Salzburg 1988 einen neuen Lokalbahnhof mit der Option auf eine Wiederverlängerung der Lokalbahn in südlicher Richtung unterirdisch vor dem Hauptbahnhof zu errichten.
Dieses Projekt wurde 1989 vom Gemeinderat einstimmig beschlossen.
Die Tieferlegung der Lokalbahn markierte den Beginn der Realisierungsphase zur Umgestaltung des Südtiroler Platzes.
Nach Durchführung von Leitungsumlegungen ab Frühjahr 1992, konnte im Herbst 1992 der offizielle Spatenstich durch Bürgermeister Dr. Harald Lettner getätigt werden.
In schwierigstem Untergrund (Salzburger Seeton, stark wassergesättigt) wurde mit den Tiefbauarbeiten begonnen.
Das Bauwerk wurde in offener Bauweise errichtet, wobei als erster Schritt 0,6 - 1,0 m breite, bis zu 24 m tiefe Schlitzwände erstellt werden mußten, die als Baugrubensicherung dienten.
Erschwerend wirkte sich für die Bauabwicklung neben der Grundwasserhaltung die Nähe zu vorhandenen Bauwerken von teilweise unter einem Meter aus.
Nach Fertigstellung der Schlitzwände und Aussteifung derselben zur Verhinderung einer Verformung, konnte der Aushub mittels eines eigens für dieses Bauvorhaben adaptierten Eimerkettenbaggers abgewickelt werden. Der Gesamtaushub des Bauwerkes betrug ca. 100.000m³.
Das neue Bauwerk ist über eine zweigleisige Abfahrtsrampe ab der Fanny-von-Lehnert-Straße in einem Gefälle von 5,0 % erreichbar.
Zwischen Tunnelbeginn und eigentlicher Station ist die sogenannte Technikspange eingerichtet, in welcher eine Gleichrichterstation und die umfangreiche Technik für den Tiefbahnhof vorgesehen sind.
Im Bereich des Bahnsteigbeginns wird der Kilometer 0,0 Nord/Süd erreicht und es folgt ein 115 m langer Mittelbahnsteig mit Aufgängen zur Verteilerebene (Bild 6 - Foto: Gunter Mackinger).
Am Bahnsteig mittig ist ein großzügig gestalteter Lift ebenfalls als Verbindung zur Verteilerebene neben festen und Rolltreppen vorgesehen.
Im Verteilergeschoß befinden sich Fahrkartenschalter und sonstige Diensträume. Südlich des Bahnsteigbereiches befinden sich zwei 120 m lange Abstell- und Ausziehgleise, wobei die Dimensionierung des Bauwerkes in diesem Bereich auf eine spätere Verlängerung in Richtung Süden Rücksicht nimmt.
Der neue Bahnhof Salzburg Lokalbahn liegt an den Schnittpunkten der Verkehrsdrehscheibe Hauptbahnhof Salzburg. Kurze Wege zu den Zügen der Bundesbahn und zu Obussen und Autobussen gewährleisten optimale Umsteigeverhältnisse für die Kunden der Salzburger Lokalbahn.
Beeindruckend die technischen Daten dieses zukunftsweisenden Bauwerkes.
So wurden zur Errichtung der Schlitzwände 20.000 m³ Beton und 2.000 t Bewehrung benötigt. Im Betonbau wurden 28.300 m³ Beton, für die Bewehrung des Bauwerkes 2.450 t Stahl benötigt.
Die neue Lokalbahnstrecke ist mit modernster Zugsicherungstechnik (Streckenblock), welche von der neuen Zugleitung im Remisengelände aus bedient wird, gesichert.
Zeitgemäße Sicherheitseinrichtungen sorgen für jeden Eventualfall vor.
Das gesamte Bauwerk wurde von der Einreichplanung bis zur Inbetriebnahme in nur sieben Jahren errichtet, wovon die eigentlichen Baumaßnahmen in vier Jahren abgewickelt wurden.
Daß die Fertigstellung 1996 im 110. Bestandsjahr der Salzburger Lokalbahn und zum 100. Jubiläum der Lamprechtshausener Linie erfolgte, mag als gutes Omen für die Zukunft der Salzburger Lokalbahn gelten.