Oberbozen

Bahnhof Oberbozen - Bahnseitige Ansicht und Grundriß des Bahnhofsgebäudes (Pläne von 1906). (Bildquelle: Rittnerbahn AG)
Triebwagen Nr. 2 bei der Ausfahrt aus Oberbozen (Gasthof Hofer = heutiges Hotel Post) im Frühjahr 1908, unmittelbar nach der Inbetriebnahme der beiden vierachsigen Motorwagen. (Foto: Rittnerbahn Komitee)

Bozen-Oberbozen in 12 anstatt in 55 Minuten:
Fast wehmütig wird immer wieder an die ehemalige Zahnradbahn gedacht, wenn man lautlos mit der roten Seilbahngondel über die noch gut sichtbare alte Trasse schwebt; bei den älteren Einheimischen werden Jugenderinnerungen wachgerufen, bei vielen Jüngeren unter uns sowie den Gästen aus nah und fern kommt Bewunderung für die einstige kühne Bahnanlage auf. Unsere heutige Feinfühligkeit für technisch-historische Kulturleistungen, welche mit einfachen Hilfsmitteln naturnah und umweltschonend errichtet wurden, bedauert die Bahneinstellung zutiefst. Aus heutiger Sicht wäre eine großzügige Erneuerung der Zahnradstrecke vorteilhafter- gewesen als der Neubau einer Seilschwebebahn. Konnte man früher vom Bozner Waltherplatz bis Klobenstein sitzen und - bei Kälte - im geheizten Verkehrsmittel in einem durchfahren, muß nunmehr ein zweimaliges Umsteigen vom Stadtbus in die ungeheizte und ohne Sitzplätze ausgestattete Gondel und von dieser in die Lokalbahn in Kauf genommen werden.

Seit dem 14. Juli 1966 verbindet also die 4565 m lange Kabinenbahn die Landeshauptstadt mit Oberbozen; als die längste Seilbahn der Welt (ohne Unterbrechung) fand sie sogar Eingang in das Guinnessbuch der Rekorde! Es ist schon ein überwältigendes Erlebnis, direkt aus dem Häusermeer der Stadt über die Weinhänge von St. Magdalena, den kargen Buschwald, über steil abfallende Porphyrplatten und schließlich über gepflegte Wiesen nach Oberbozen zu "fliegen".

Der Fahrpreis schließt nicht nur eine technisch interessante Beförderungsart ein, sondern vor allem Aus- und Tiefblicke, die jedermann ganz unwilikürlich in ihren Bann ziehen. Bei einer Geschwindigkeit von acht Metern in der Sekunde (nicht ganz 30 km/h) kommt man mit dem Schauen gar nicht mehr nach: zu Füßen die entschwindende Stadt, das Etschtal, das Überetsch, die vielen Bergkuppen und natürlich die markanten Erhebungen aus Dolomitgestein, die mediterran-alpine Mischflora wenige Meter unter der Gondel ...

Nach diesem Genuß stehen manche Fahrgäste der Seilbahn nach Verlassen der Bergstation wiederum erstaunt vor einer Überrraschung: Holzgetäfelte Straßenbahnwagen mit altertümlichen Lyrastromabnehmern und blankgeputzten Messingarmaturen - Überbleibsel einer altösterreichischen Lokalbahn.