Historisches

Bahnbau oberhalb des Spornbergerhofes. (Foto: Tourismusverein Ritten)
Zugeinheit der Rittnerbahn auf der Zahnradstrecke. (Foto: Tourismusverein Ritten)
Der Bahnhof in Klobenstein. 1997 wurde der Bahnhof anläßlich des 90jährigen Bestehens der Lokalbahn renoviert. Nachdruck einer historischen Postkarte. (Foto: Tourismusverein Ritten)

Saumweg - Kaiserstraße - Rittner Bahn

Der Ritten, auch als das Herzstuck Südtirols bezeichnet, ist jener breite Bergrücken aus Quarzporphyr, der sich von Bozen (265 m) aufsteigend bis zum Rittner Horn (2260 m) erstreckt und im Osten (Eisacktal), im Süden (Talkessel von Bozen) sowie im Westen (Sarntal) von schroffen Steilhängen begrenzt wird. Trotzdem wickelte sich der Nord-Süd-Verkehr bis ins 14. Jahrhundert über den Ritten ab, da die Eisackschlucht zwischen Waidbruck und Kardaun nicht befahrbar bzw. nur zeitweise passierbar war.

Dieser mit groben Steinen gepflasterte, bis zu 35 % Steigung aufweisende Weg von Kollmann über Rotwand, Lengstein, Lengmoos und Unterinn nach Bozen erhielt nach 8OO n. Ch. die ehrenvolle Bezeichnung "Kaiserstraße", weil gar etliche der 80 insgesamt bekannten Kaiserzüge auf dem Weg zur Krönung nach Rom diesen Karrenweg benutzten. Nach 1480 verlor diese "Kaiserstraße" ihre internationale Bedeutung, denn der ausgebaute Kuntersweg ermöglichte nunmehr eine viel weniger anstrengende Fahrt entlang des Eisacks.

Fortan diente jener Teil, der Bozen mit den Ortschaften am Hochplateau verbindet, dem Lokalverkehr. Ab 1560 erlebte dieses Streckenstück wieder eine Aufwertung: Der aufkommende Sommerfrischlerverkehr belebte die Straße im Früh- und im Spätsommer, wenn die Bozner Adels-, Kaufmanns- und Bürgerfamilien mit "Sack und Pack" in die Sommerfrische bzw. zurück in die Stadt fuhren. Als 1610 in Maria Himmelfahrt das erste Sommerfrischhaus bezogen wurde, gewann der Saumweg zwischen Bozen und diesem neuen "Frischort" an Wichtigkeit. Bald wurde es "Mode", zwischen dem Peter- und-Paulstag (29. Juni) und dem kleinen Frauentag (8. September) der Talkesselhitze zu entfliehen und sich den Annehmlichkeiten des äußerst abwechslungsreichen "Frischlebens" zu widmen.

Ein Aus- bzw. teilweiser Neubau dieses Saumweges, der übrigens die spätere Trasse der Zahnradbahn vorzeichnete, war die Folge dieses regen, sommerlichen Treibens.

Die Verbindungswege auf der Hochebene selbst blieben weiterhin Saum- und Karrenwege, auf denen man nach jedem Regen im Morast versank.

Mit dem aufstrebenden Alpentourismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde auch der Ritten als Ausflugs- und Wandergebiet entdeckt; der Zustrom von Bergsteigern und Wanderern hielt sich aber in Grenzen, eben wegen der schlechten Wege.

Nachdem die 1889 in Betrieb genommene erste Zahnradbahn Tirols (Achenseebahn) überaus gute Erfolge aufweisen konnte, zeigte der österreichische Touristenklub, der gerade auf dem Rittner Horn ein Schutzhaus errichtete, großes Interesse am Bau einer ebensolchen Zahnradbahn von Bozen auf den Ritten.

Von vornherein also sah man in dem Rittner Bahnprojekt eine vorwiegende Touristen- und Vergnügungsbahn nach Schweizer Vorbild, maßgeschneidert auf die Aufstiegserwartungen des Bozner Fremdenverkehrs und darauf ausgelegt, ein neues Gebiet dafür zu erschließen.

Die Idee einer Bahn auf den Ritten wird mit Pickel und Schaufel in die Tat umgesetzt

Eine erste Trassenrevision (Geländebegehung) im Juli 1896 für eine mit Dampfkraft zu betreibende Zahnradbahn nach den Planen der Wiener Firma Stern & Hafferl verlief erfolgversprechend, ein Baubeginn unterblieb jedoch vorerst.
Mit der Inbetriebnahme des großen Töll-Elektrizitatswerkes bei Meran (1898) lebte die Diskussion um einen Bahnbau Bozen-Ritten, nunmehr in elektrischer Ausführung, wieder auf. Ein "Aktionskomitee", bestehend aus acht bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik, Fremdenverkehrswesen, Bankwesen und Ingenieurwesen, stellte umfangreiche Rentabilitätsberechnungen an und wies auf die Verbesserungen der Fremdenverkehrseinrichtungen auf dem Ritten hin (Bau von Promenaden, Erweiterungen und Verbesserungen von Gastbetrieben, Anschluß an das Telefonnetz...). Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, daß bereits 1895 in Klobenstein und 1902 in Oberbozen, "Verschönerungsvereine" gegründet wurden, welche ebenfalls einen raschen Bahnbau befürworteten. Untermauert wurde dieser Wunsch mit den Hinweisen, daß mit Lokalbahnen in vergleichbaren Gebieten (Achensee-, Mendel-, Stubaitalbahn) äußerst gute Erfahrungen gesammelt werden konnten.

1905 beschloß der Bozner Stadtmagistrat, die Rittner Bahn in Verbindung mit dem "Tiroler Eisenbahnvater", Ing. Josef Riehl, zu bauen. Dieser überarbeitete sodann das Projekt der Dampfzahnradbahn von Stern & Hafferl.
So rückten in den ersten Märztagen des Jahres 1906 die Arbeiter der Baufirma Riehl an, stellten ihre Unterkunftshütten in Oberbozen auf und begannen mit den schwierigen Arbeiten. Zeitweise waren über 500 Leute mit Erdarbeiten, Sprengungen, Bau von umfangreichen Stützmauern usw. beschäftigt - für die zuständige Behörde Grund genug, für die Dauer der Arbeiten in Oberbozen einen eigenen Gendarmerieposten einzurichten. Oberleitung, Gleise und Zahnstange wurden sodann fortlaufend verlegt und mit Hilfe einer von der Trieste-Opcina-Bahn ausgeliehenen Zahnradlok das benötigte Material bis zur jeweiligen Baustelle hinaufgeschoben. Nach nur 14 monatiger Bauzeit konnte die 11,746 km lange Strecke bereits durchgehend befahren werden (zum Vergleich: der Bau der Panoramastraße Bozen-Klobenstein von 14,5 km Länge dauerte von 1959 bis 1971).

Die technisch-polizeiliche Begehung (heute spricht man von eisenbahnbehördlicher Kollaudierung) lobte die gediegene Bauausführung. Trotzdem mußte die für Mitte Juni 1907 vorgesehene Betriebseröffnung um zwei Monate verschoben werden. Der Grund dafür waren gravierende Mängel im Zahnradbremssystem der von der Brünn-Königsfelder-Maschinenfabrik gelieferten Triebwagen. Dieses böhmische Werk unterbreitete zwar den billigsten Kostenvoranschlag für das gesamte Rollmaterial der Rittner Bahn (außer den Zahnradloks), hatte aber keinerlei Erfahrung in der Herstellung von Zahnrad-Bergbahnwagen.

In der erstaunlich kurzen Zeit von wenigen Wochen war die in dieser Hinsicht erfahrene Grazer Waggonfabrik imstande, zwei Ersatzmotorwagen (die beiden Zweiachser) zu liefern. Die beiden Vierachser konnten jedoch erst Ende Februar 1908 ausgeliefert werden.

Trotz dieser widrigen Umstände - es konnten vorläufig nur fünf tägliche Zugpaare anstatt der vorgesehenen neun verkehren - feierte die damalige Prominenz am 13. August 1907 mit einem Festzug und einem üppigen Buffet im bahneigenen Hotel "Maria Schnee" zu Oberbozen die Eröffnung der Bahn.

Um 7.16 Uhr des 14. August verließ der erste allgemein benützbare Zug fahrplanmäßig den Rittner Bahnhof in Bozen und leitete damit eine neue Ära für den Ritten und seine Bevölkerung ein. Diese konnte ja bisher nur barfuß, auf Schusters Rappen, zu Pferd oder mittels "Pennen" (das sind meist von Ochsen gezogene, einfachste Fuhrwerke) über die steilen Saum- und Karrenwege ins Tal gelangen.

Die neue Bahn wurde daher auch rasch als bequemes Verkehrsmittel, sowohl für den Personen- als auch den Gütertransport angenommen und behielt ihre Rolle als Lebensnerv des Ritten bis zu Einstellung der Zahnradstrecke bzw. Fertigstellung der Autostraße.

Die Hauptkundschaft der Bahn aber waren die Touristen und die Bozner Sommerfrischler und Ausflügler sowie die Fremdenverkehrsbetriebe auf dem Ritten (für viele Rittner Bürger war aufgrund der kargen wirtschaftlichen Erträge aus der Landwirtschaft der Fahrpreis der Bahn einfach zu teuer).

Nach dieser festlichen Inbetriebnahme der kombinierten Zahnrad- und Adhäsionsbahn wurden noch einmal bereits vor Beginn der Bauarbeiten aufgetauchte Pläne einer Verlängerung über Lengmoos und Lengstein nach Klausen aktuell; der angeblich bevorstehende Baubeginn einer Lokalbahn zwischen Klausen und Plan (Grödner Tal) gab dazu den Anstoß. Allerdings verzögerten Probleme in der endgültigen Trassenwahl sowie finanzielle Schwierigkeiten die Realisierung der Grödner Bahn bis ins Jahr 1916 hinein, so daß auch die Erweiterung der Rittner Bahn nach Norden nicht mehr weiter verfolgt wurde.

Eine Bahn macht Geschichte

Der 13. August 1907 bescherte also allen am Projekt "Rittner Bahn" beteiligten Personen und Firmen ein tolles Fest. Vier Tage lang gab es um die begehrten Fahrkarten für die modernste Gebirgsbahn des Alpenbogens ein regelrechtes Gerangel. Unvermittelt aber entgleiste ein zweiachsiger Triebwagen auf der Stadtstrecke und legte den Betrieb für einige Tage lahm. Ähnlich wie in unseren Tagen die Medien kritisch über Störfälle bei Neuentwicklungen berichten, so war es auch 1907; dieser Zwischenfall verlief aber glimpflich. Zeigte sich die damalige Presse noch zwei Tage vorher begeistert über die solide Ausführung der Arbeiten, so klang nun die Befürchtung durch, die Sicherheitsvorschriften wären zuwenig streng. Was wäre alles passiert, wenn...

Nach eingehenden Erprobungen und Prüfungen und kleineren Veränderungen am Fahrgestell der Triebfahrzeuge erteilte die Behörde dann doch eine - vorläufige - Betriebsgenehmigung. Den definitiven Benützungskonsens für die Gesamtstrecke erteilte das k. u. k. Eisenbahnministerium erst mit Erlaß vom 13. Juli 1908, ZL. 48522.

Ende Februar 1908 bereicherten die beiden schon lange ersehnten Vierachser den Fuhrpark; ihre behördliche Abnahme erfolgte ohne Schwierigkeiten, so daß ab nun der volle Fahrplan in Kraft treten konnte.
Im Frühjahr 1909 ergänzten Lok 4 und zwei weitere Güterwagen die Fahrzeugliste; zugleich erweiterte man die Haltestelle und den "Lokwechselbahnhof" Maria Himmelfahrt, um den Betrieb effizienter ablaufen lassen zu können.
Da das Platzangebot der 1. Klasse kaum genutzt wurde - es gab Abteile für eine 1. und eine III. Klasse - wurde es im Herbst 1910 in ein solches der III. Klasse umgewandelt, indem die Polsterung der Sitze abgenommen wurde.
Aufgrund des beachtlichen Verkehrsaufkommens entschloß sich die Verwaltung der Rittner Bahn im Herbst 1913, eine Ausweiche zwischen Oberbozen und Klobenstein (und zwar in Lichtenstern) einzubauen.
Beinahe sieben Jahre lang - es waren die fetten Jahre der Rittner Bahn - bewies dieser Bahnbetrieb, daß Bozens Stadtväter klug investiert hatten, schüttete er doch jährlich beachtlich zunehmende Dividenden aus. Doch dann unterbrach ein weltbewegendes Ereignis diesen touristischen Aufwärtstrend jäh: der Ausbruch des Ersten Weltkrieges!

Der rührige Sekretär des damaligen Landesverkehrsrates schrieb am 2. August 1914 in der Landesfremdenverkehrszeitung: "Den Tiroler Fremdenverkehr hat mitten in der Saison ein Schlag getroffen, dessen Folgewirkungen jetzt noch nicht abzusehen sind. Es ist leider zu befürchten, daß sie verheerend sein werden..." Sie waren verheerend, für Europa, für die Donaumonarchie, für Tirol, für Bozen, für die Rittner Bahn.
Ein Vergleich zwischen den Betriebsjahren 1913 (letztes Friedensjahr) und 1915 (erstes, volles Kriegsjahr) zeigt den dramatischen Rückgang der Bruttoeinnahmen: Erbrachte der Personenverkehr 1913 erstaunliche 219.610 Kronen, so sackten diese 1915 auf 49.849 Kronen ab. Nicht ganz so stark, aber doch auch erheblich geschrumpft sind die Einnahmen aus dem Gepäck- und Frachtenverkehr (von 47.506 auf 18.864 Kronen), so daß die Jahresabschlußbilanz von 1915 mit roten Zahlen zu Buche schlug.

Kein Wunder, denn schon wenige Tage nach Kriegsausbruch - also gerade zu Beginn der Hauptsaison - leerten sich die Fremdenverkehrsbetriebe; fast fluchtartig verließen die vielen Sommerurlauber aus aller Herren Länder ihre Quartiere. Zugleich mußten zahlreiche im Beruf stehende Männer dem Einberufungsbefehl folgen, um für "Gott, Kaiser und Vaterland" in den damals als gerecht empfundenen Krieg zu ziehen. Auch der Betrieb der Rittner Bahn litt unter diesem Aderlaß und konnte nur einen beschränkten Verkehr aufrechterhalten.

Die Kriegserklärung des Königreiches Italien an seinen bisherigen Verbündeten, den Kaiserstaat Österreich-Ungarn, brachte es mit sich, daß Tirol Schauplatz heftiger Kämpfe wurde. In Bozen-Gries errichtete die Militärbehörde Lazarette in eilends diesbezüglich ausgestatteten Hotelkomplexen. Die von der Südfront mit der k. u. k. Südbahn nach Bozen gebrachten Verletzten und Verwundeten wurden mit der Straßenbahn nach Gries gebracht. Zu diesem Zweck stellte die Rittner Bahn ab Herbst 1915 einen Güterwagen zur Verfügung. Ab Jänner 1917 lieh die Rittner Bahn drei weitere Güterwagen der Bozner Straßenbahn, die damit vom Rittner Bahnhof (direktes Umladegleis mit der Südbahn) bis zu den Lazaretten in Gries Verpflegungsartikel transportierte.

Da mit Jahresbeginn 1917 eine Tariferhöhung in Kraft trat und zugleich eine erhöhte Frequenz in den Zügen der Bahn durch Einheimische erreicht werden konnte, verzeichnete der Geschäftsbericht für das zehnte Geschäftsjahr (1917) einen erfreulichen Aufschwung der Einnahmen und schloß wieder mit einem bescheidenen Betriebsüberschuß; dieser Trend hielt auch 1918 an.

Die trotzdem äußerst mageren Kriegsjahre 1914-1918 überschattete auch noch ein Unfall im Mai 1917, wobei eine Lok und ein vierachsiger Triebwagen schwerstens bechädigt wurden. Am 3. November 1918 trat der Waffentillstand zwischen Österreich-Ungarn und Italien in Kraft; in den folgenden Tagen wurde Tirol von den Italienern besetzt. Nur zwei Wochen danach, am 19. November 1918, übernahm die italienische Regierung vorläufig sämtliche Eisenbahn-, Lokalbahn- und Straßenbahnlinien Südtirols.

Endgültig unter italienische Verwaltung kam die Rittner Bahn nach der Vertragsunterzeichnung von St. Germain, in dem die Zerreißung des alten Kronlandes Tirol festgeschrieben wurde. In dieser Zeit wechselte ein Großteil der Aktien privater Südtiroler Lokalbahngesellschaften in italienischeHände über, sofern sie nicht ohnehin der Verstaatlichung zum Opfer fielen.

Dadurch veränderte sich der Status der Rittner Bahn innerhalb der Bevölkerung: Bozner wie Rittner identifizierten sich mit ihrer Bahn nur solange, als diese unter einheimischer Verwaltung und vor allem mit deutschem Personal geführt wurde. Nun aber - und verstärkt ab der Zeit der faschistischen Gewaltherrschaft - traten ethnische und soziale Probleme auf; die einheimische, altösterreichische Bevölkerung fand sich mit den zum Teil neuen Bahnbediensteten, zugewanderte Italiener aus den verschiedensten Provinzen, mit ihrer so völlig anderen Mentalität nicht zurecht. Die Bahn verlor also an Ansehen. Aber da sie das einzige Verkehrsmittel darstellte, war man bei Transporten vom Ritten nach Bozen und umgekehrt doch darauf angewiesen. So manch ehemaliger "capo stazione" (Bahnhofsvorstand) nützte diese Monopolstellung aus: Güterabfertigungen erfolgten mitunter erst dann wohlwollend, wenn "geschmiert" wurde (Geld, Naturalien, Arbeitskraft). So erzählen es jedenfalls betagte Rittner Bürger.

Ab dem Jahr 1923 besaß die STE (Società Trentina Elettricità) die Aktienmehrheit der Rittner Bahn. Zu dieser Gesellschaft gehörten ferner die Überetscher Bahn und die Mendelbahn, die Dermulo-Fondo-Mendelpaßbahn, die Fleimstalbahn und die Virglbahn.

Die Rittner Bahn warf in den folgenden Jahren aufgrund ihres Verkehrsmonopols guten Gewinn ab; trotzdem steckte man in die Bahnerhaltung nur die allernotwendigsten Mittel. Die Devise der Direktion mit Sitz in Turin muß damals gelautet haben: bei einem Minimum an Erhaltungsaufwand ein Maximum an Gewinn herauspressen!

Die Jahre des Zweiten Weltkrieges beanspruchten die Bahn bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit: Neben vielen Boznern, die infolge von Bombenschäden oder aus Sicherheitsgründen ganzjährig auf dem Ritten wohnten und täglich in die Stadt pendelten, mußte auch die "FLAK"-Station in Oberbozen mit Nachschub versorgt werden. Da kam es, trotz Polizeikontrollen im Bozner Rittner Bahnhof, häufig vor, daß heimlich Aufgesprungene wie Trauben an den Einstiegstreppen der überfüllten Wagen hingen.

Durch die unmittelbare Nähe der bahneigenen Werkstätten zum Hauptbahnhof, das vorrangige Ziel der Bombenangriffe auf die Stadt, verlegte die Betriebsleitung diese nach Klobenstein, wo die dortige Remise zweigleisig ausgebaut wurde. Ein Kurzschluß gegen Ende des Weltkrieges beschädigte dabei die beiden über Nacht dort abgestellten Vierachser. Sie wurden von Meistern in ihrer Kunst etwas vereinfacht (z. B. ohne Laternendach) wieder aufgebaut. Das heutige Aussehen des Triebwagens Nr. 2 geht auf diesen Teilneuaufbau zurück. All diese Belastungen, gepaart mit den nur allernotwendigsten Investitionen, ließen die Abnützungserscheinungen des Rollmaterials und der Strecke immer deutlicher zutage treten. Ab 1953 überlegten sich die Bahnverantwortlichen die Art und Weise einer notwendigen Erneuerung. 1954 legte eine Genueser Firma ein Modernisierungskonzept vor: Mittels kombinierter Zahnrad- und Adhäsionstriebwagen (also ohne Lokbetrieb), ausgerüstet mit zeitgemäßer Schweizer Zahnradtechnologie, sollte ein sicherer Betrieb gewährleistet werden. Außerdem wäre die 80minütige Fahrtdauer um die Hälfte verkürzt, die stündliche Transportfähigkeit von 100 auf 300 Personen erhöht und die Möglichkeit von Abfahrtszeiten im Halbstundenintervall erreicht worden. Die hohen Kosten dieser Pläne verzögerten jedoch ihre Verwirklichung.

1955 geht die Bahn auf die FEAR (Ferrovie Elettriche Autoservizi Riuniti) - die deutsche Bezeichnung lautet ab nun wieder "Rittnerbahn AG" - über. Die neue Direktion verfolgt das Erneuerungsprojekt nicht weiter, sondern entscheidet sich für den Bau einer kostengünstigeren Seilbahn anstelle der Zahnradbahn.

In den folgenden Jahren erbrachte die Zahnradbahn wiederum hohe Transportleistungen, da auf dem Ritten eine rege Bautätigkeit einsetzte und der Fremdenverkehr wieder in Schwung kam. Jedoch machten sich die technischen Verschleißerscheinungen immer stärker bemerkbar. Die Gleichgültigkeit der Betriebsdirektion, häufiges Überladen, zum Teil unsachgemäße Wartung und Verstöße gegen die Betriebsvorschriften bedingten schließlich einen schweren Zwischenfall: Am 3. Dezember 1964 entgleiste eine talwärtsfahrende Lok, wobei der überfüllte Triebwagen unglücklicherweise über eine Mauer in einen Weinberg stürzte. Vier Personen fanden den Tod, viele Verletzte mußten stundenlang in den Trümmern ausharren.

Der zu dieser Zeit bereits in Angriff genommene Seilbahnbau wurde durch diesen Vorfall nun rasch vorangetrieben. Trotz behördlicher Bedenken nahm die Zahnradbahn nach einigen Tagen den Verkehr wieder auf, da der Ritten sonst verkehrsmäßig abgeschlossen worden wäre.

Am 13. Juli 1966 schoben die Zahnradloks letztmalig Personen und Güter auf den Bozner Hausberg. Zufälligerweise regnete es leicht, als im letzten Abendzug nach Bozen eine bescheidene Abschlußfeier stattfand. Ein bedeutender Abschnitt in der jüngeren Geschichte des Ritten wurde damit selbst Geschichte.