Lainzer Tunnel

Vorwort

Von ersten Überlegungen in der Zwischenkriegszeit abgesehen, reichen planerische Ansätze zum Projekt "Lainzer Tunnel" bis in das Jahr 1972 zurück. Damals wie heute ging es um die Schaffung einer leistungsfähigen Eisenbahnverbindung durch Wien, die West-, Süd- und Donauländebahn miteinander verbinden wird.

Seit 1972 hat sich viel verändert: Das Verkehrsaufkommen hat sich dramatisch erhöht, das Umweltbewußtsein ist gestiegen, die Öffnung Osteuropas führte zu gänzlich neuen Rahmenbedingungen für die mitteleuropäische Verkehrsstruktur, und schließlich hat auch Österreichs Beitritt zur Europäischen Union neue Grundlagen geschaffen. Die Notwendigkeit der Realisierung des Projektes hat sich dadurch noch verstärkt.

Als gesetzlich beauftragte Planungs- und Errichtungsgesellschaft hat die HL-AG in der Planungsphase stets vernünftige Kompromisse herbeigeführt. Im Mittelpunkt stand dabei der weitgehende Interessenausgleich zwischen den vom Projekt berührten Menschen, der Umwelt, den technischen Anforderungen für Bau und Betrieb sowie den allgemeinen wirtschaftlichen Interessen der Region. Schon die grundsätzliche Wahl einer vergleichsweise kostenintensiven, dafür aber umweltschonenden Tunnellösung ist Ausdruck dieses Interessenausgleichs. Auch während der Bauphase werden die Bemühungen in dieser Richtung fortgesetzt, denn sowohl die Planung als auch die Errichtung eines Schienenverkehrsweges sind dynamische Prozesse, in die neue technische oder umweltrelevante Erkenntnisse jederzeit integrierbar sein sollen.

Die Zukunft Europas

Der Lainzer Tunnel ist ein Teil davon.

In Europa wird der Ausbau des Schienennetzes gefördert. Denn nur durch eine für Menschen und Güter attraktive Bahn kann der Personen- und Güterverkehr von der Straße auf die umweltschonende Schiene verlagert werden. Auch die künftige Verbindung zwischen West-, Süd- und Donauländebahn in Wien, der "Lainzer Tunnel", wird ihren Teil zu dieser Verlagerung beitragen.

Den verkehrspolitischen Konsequenzen der europäischen Integration kann man sich nicht verschließen. Erhöhte Güterverkehrsströme sind durch den Abbau wirtschaftlicher und politischer Schranken absehbar. Auch die Mobilität der Menschen wird weiter zunehmen. Schnelligkeit, Komfort und Kosten werden in Zukunft die Wahl des Verkehrsmittels in Europa wesentlich mitbestimmen. Europa reagiert darauf, indem es ein verkehrspolitisches Leitschema mit besonderer Forcierung der Transeuropäischen Netze entwickelt hat. In diese Planungen ist Österreich integriert.

Aufgrund unserer heimischen topographischen Verhältnisse werden Hochleistungs- statt Hochgeschwindigkeitsstrecken realisiert: also Schienenverkehrswege, die sowohl für den Personen- als auch Güterverkehr geeignet, leistungsfähiger in bezug auf Kapazität sind, höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten ermöglichen und Sicherheitsstandards auf höchstem Niveau bieten. Wie der Teil eines Puzzles ist der "Lainzer Tunnel" als Hochleistungsstrecke Teil eines leistungs- und konkurrenzfähigeren europäischen Schienenverkehrsnetzes. Ohne ihn wäre das Gesamtbild nicht vollständig. Ohne das Bekenntnis der Europäischen Union, die Bahn zum Zwecke einer umweltverträglichen Mobilität der Gesellschaft und zur Forcierung der Wirtschaftsentwicklung besonders zu fördern, würde sich der Verkehr in noch höherem Maße auf die Straße verlagern.

Umwelt und Menschen sind aber mancherorts bereits heute kaum noch erträglichen Belastungen ausgesetzt. Kernpunkt der europäischen Verkehrsstrategie ist also die schrittweise Verlagerung des Güter- und Personenverkehrs von der Straße auf die umweltschonende Schiene. Damit dies auch tatsächlich geschehen kann, muß das Schienennetz unter Berücksichtigung optimaler Verbindungsmöglichkeiten sowie höherer Geschwindigkeiten und Aufnahmekapazitäten aus- bzw. neugebaut werden. Der "Lainzer Tunnel" erfüllt alle diese Anforderungen und trägt damit seinen Teil zur positiven Verkehrs- und Umweltentwicklung des vereinten Europas bei.

Verkehrsknotenpunkt Österreich

Der Lainzer Tunnel ist ein Teil davon.

Vorrang für die Bahn bedeutet Vorrang für die zukünftigen Bedürfnisse von Menschen und Umwelt! Mittels der Durchbindung von Güter- und Personenzügen durch den "Lainzer Tunnel" können diese Österreich bzw. Wien schneller und umweltschonend durchqueren. Darüber hinaus können unter dieser Voraussetzung auch frei werdende Kapazitäten auf der gesamten West- und Südbahnstrecke für die Verbesserung des innerösterreichischen Güter- und Personenverkehrs genutzt werden.

Der Beitritt einiger osteuropäischer Staaten zur Europäischen Union ist nur noch eine Frage der Zeit. Österreich wird dadurch - noch mehr als bisher nicht nur zum Herzen Europas, sondern auch zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Um die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt zu sichern, wurde daher der Bahn bereits im Österreichischen Gesamtverkehrskonzept 1991 absoluter Vorrang eingeräumt. Der teilweise bereits erfolgte oder in Planung befindliche Aus- bzw. Neubau von Teilen des zu einem Großteil noch aus dem vorigen Jahrhundert stammenden österreichischen Schienennetzes zu Hochleistungsstrecken dient sowohl einer umweltgerechten Lösung der Transitproblematik als auch einer Verbesserung des innerösterreichischen Transport- und Nahverkehrsangebotes. Und gerade in dieser Beziehung bringt der "Lainzer Tunnel" entscheidende Vorteile, denn er fördert die Leistungsfähigkeit der West- und Südbahn, indem er dort höhere Kapazitäten zuläßt. Das heißt beispielsweise, daß sich auch für Pendler rund um Wien ein attraktiveren Schienenverkehrsangebot durch die Schaffung kürzerer Zugsfolgen und verbesserter Anbindungen eröffnet. Die verstärkte Nutzung der Bahn und die damit verbundene Reduzierung des Autoverkehrs gehen Hand in Hand mit vielen Umweltvorteilen.

Denn im Vergleich zum Straßenverkehr verursacht der Bahnverkehr wesentlich weniger CO2-Emissionen, benötigt weniger Platz und Primärenergie und entwickelt weniger Lärm. Diese Umweltvorteile führen nicht zuletzt auch zu einer Entlastung der österreichischen Volkswirtschaft in bezug auf Gesundheitskosten und Kosten für die Erhaltung von Natur und Bauwerken. Der "Lainzer Tunnel" trägt also direkt und indirekt so wie alle anderen Abschnitte des Hochleistungsstreckennetzes in Österreich - seinen Teil dazu bei, daß jeder Österreicher bei gleichzeitiger Steigerung von Mobilität und Wirtschaftsentwicklung vielfältigsten Nutzen lukrieren kann.

Für ein lebenswertes Wien

Der Lainzer Tunnel ist ein Teil davon.

Nach Inbetriebnahme des "Lainzer Tunnels" werden sich für die Stadt Wien und ihre Menschen viele positive Auswirkungen ergeben. Der öffentliche Verkehr wird attraktiver und die Umwelt von Lärm und Abgasen des Straßenverkehrs entlastet. Der Tunnel selbst ist daher aus städteplanerischer Sicht die beste Lösung und führt auch für unmittelbare Anrainer zu keinen unzulässigen Belastungen.

Die positiven Auswirkungen des "Lainzer Tunnels" für Europa und Österreich sind unumstritten. Die positiven verkehrs- und umweltpolitischen Auswirkungen für Wien sind noch weitaus vielfältiger. Folgende Vorteile ergeben sich aus dem "Lainzer Tunnel":

  • Im Sinne des Wiener Verkehrskonzeptes (Heft 9, Generelles Maßnahmenprogramm, 1994) wird der "Lainzer Tunnel" durch die Verlagerung des Güterfernverkehrs von der Straße auf die Schiene für eine Entlastung der Straßen-Hauptverkehrswege in Wien sorgen. Besonders gilt dies für den Transitverkehr, für den eine starke Steigerung erwartet wird. Hier gilt es, eine entsprechende Infrastruktur bereitzustellen.
  • Die innenstädtischen Abschnitte von West- und Südbahnstrecke können durch die Entlastung vom Güter- und Personenverkehr für verbesserte Nahverkehrsanbindungen genutzt werden.
  • Die "alte" Verbindungsbahn wird großteils vom Güterverkehr befreit und kann durch kürzere Zugsfolgen der Schnellbahn zu einer Attraktivierung des Nahverkehrsangebotes genutzt werden.
  • Der Meidlinger Einschnitt, das bisherige "Nadelöhr" des Wiener Bahnnetzes, wird im Zuge des Baus des "Lainzer Tunnels" ohne zusätzlichen Platzbedarf neu gestaltet und auf höhere Kapazitäten ausgerichtet. Davon profitieren sowohl der Fernbahn- als auch der Schnellbahnverkehr.
  • Direkte und indirekte positive Effekte für die Wiener Bevölkerung und die Umwelt stellen sich weiters folgendermaßen dar:
  • Die Lärm- und Erschütterungsbelastung Tausender Anrainer entlang der bestehenden Verbindungen sowie Schadstoffbelastungen aller Wiener durch Autoabgase werden deutlich reduziert.
  • Schnellbahn und Pendlerverkehr werden attraktiver.

Damit wird der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel forciert. Auch beim Vorhaben "Lainzer Tunnel" prägt der Grundsatz der offenen Planung die Projektaufbereitung. Aus diesem Grund wurden in jeder Phase der Planung betroffene Bevölkerungsgruppen in die Entscheidungsfindungen mit einbezogen und intensiv informiert. Und zwar mittels Befragungen, Bürgerforen, Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, periodisch erscheinender Anrainerzeitungen und persönlicher Gespräche. Die Trasse - entsprechend der Trassenverordnung vom 3. Dezember 1993 - berücksichtigt daher weitestgehend gleichermaßen die Erfüllung der Bedürfnisse von Menschen und Umwelt sowie der technischen und wirtschaftlichen Anforderungen.

Die wichtigsten Bauinformationen

Tunnelbauweisen, Seilbahntransport des Aushubmaterials

Abtransport des Aushubmaterials

Beim Bau des "Lainzer Tunnels" werden mit der "Deckelbauweise" und der "Neuen österreichischen Tunnelbaumethode" (NÖT) zwei vielfach erprobte und bewährte Tunnelbaumethoden zur Anwendung gelangen. Rund 35 % des Tunnels werden "offen", in der sogenannten "Deckelbauweise", errichtet: Der Tunnel wird gewissermaßen von oben geöffnet, und die seitlichen Tunnelwände werden gleich zu Beginn entweder im Schlitzwandverfahren oder als Bohrpfahlwand hergestellt. Bereits kurze Zeit danach wird die oberste Tunneldecke betoniert, sodaß die Oberflächengestaltung sofort wieder in Angriff genommen werden kann. Beeinträchtigungen für Anrainer und den Verkehr sind damit auf ein kürzestmögliches Ausmaß reduziert. Unter dem Schutz des "Deckels" erfolgen dann der Aushub, die Herstellung des Tunnelbodens und der weitere Tunnelausbau.

Die restlichen 65 % des Tunnels werden nach der NOT errichtet. Diese international anerkannte und z. B. beim Wiener U-Bahn-Bau bewährte Methode erlaubt den anrainer- und umweltschonenden Ausbau des Tunnels unter der Erde. Vereinfacht ausgedrückt, wird der Tunnel, von den Portalen ausgehend, meist mit Baggern oder Fräsen, die sich durch das Gestein graben, hergestellt. Diese "bergmännische" Bauweise folgt dem Grundprinzip des Gebirgstunnelbaus, ist selbstverständlich aber auch für den Innenstädtischen Boden geeignet. Dabei besteht die Absicht, das Aushubmaterial mit der Bahn abzutransportieren. Für den Westen Wiens ist darüber hinaus eine besonders innovative und nutzbringende Variante geplant: Um die Belastungen für Anrainer und Umwelt auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und gleichzeitig das Aushubmaterial sinnvoll zu deponieren, soll dieses im unmittelbaren Nahbereich für Lärmschutz bzw. landschaftsgestalterische Schüttungen verwendet werden, wobei der Transport mittels Seilbahn oder Förderband erfolgen könnte. Damit würde man zwei Vorteile auf einmal erzielen: Erstens ist dieser Transport im Gegensatz zum Transport mit LKW praktisch lautlos, staubfreier und wirtschaftlicher, und zweitens könnten mit dem Aushubmaterial im Bereich Auhof "grüne" Lärmschutzwälle errichtet werden, die zum Schutz der Bevölkerung des 14. Bezirks Lärmbelastungen durch die Autobahn dauerhaft reduzieren würden.

Masse Feder-System, Lärmschutzmaßnahmen

Erschütterungen und Lärm: Das sind jene Belastungen, die von in unmittelbarer Nähe zu Bahnlinien wohnenden Menschen am häufigsten genannt werden. Der "Lainzer Tunnel" wird daher zur Minimierung der Lärm- und Erschütterungsauswirkungen den neuesten technischen Erkenntnissen angepaßt. Eine dieser Erkenntnisse ist die verbesserte Körperschalldämmung des Oberbaus durch das sogenannte "Masse-Feder-System". Das Prinzip dieses Systems besteht darin, ein elastisches Element, ähnlich der Trittschalldämmatte unter einem schwimmenden Estrich, zwischen der Oberbaukonstruktion und dem Tunnelbauwerk vorzusehen. Dadurch werden die Erschütterungen weit unter die gesetzlichen Normwerte reduziert. Das "Masse-Feder-System" wird in allen Tunnelstrecken mit geringer Überdeckung bzw. mit naheliegender Wohnbebauung zum Einsatz kommen und dazu beitragen, die Menschen in diesen Bereichen vor Erschütterungsbelastungen zu bewahren.

Maßnahmen zum Lärmschutz werden sich auf die Tunnelportale und die an der Oberfläche verlaufenden Streckenteile konzentrieren. Eine von den ÖBB installierte Teststrecke im Bereich der Donauländebahn in Wien-Favoriten diente zur Feststellung der Wirksamkeit von Lärmschutzwänden in verschiedensten Ausführungen und Materialien (Beton, Holz, Plexiglas u. a.). Da nicht nur Wirksamkeit, sondern unter anderem auch Optik und Gestaltung bei der Auswahl der jeweiligen Lärmschutzwand eine Rolle spielen, wird gemeinsam mit den betroffenen Anrainern von Fall zu Fall besprochen, welches System tatsächlich zum Einsatz kommt.

Technische Daten

  • Projektlänge gesamt:    25,3 km
  • davon Tunnellange gesamt:    15,4 km
  • Baubeginn:    ab 1998
  • Inbetriebnahme:    ab 2004