Zusammenarbeit als Verpflichtung und Chance zugleich

Zweifellos muß in einem optimal funktionierenden Verkehrsnetz, das den Marktbedürfnissen in der Europäischen Union entsprechen soll, die Bahn eine immer wichtigere Rolle übernehmen. Infrastrukturpolitik hat aber nicht nur der Nachfrage zu entsprechen, sondern muß auch den Zielsetzungen des Gemeinwohls folgen: speziell in der Umwelt-, Energie- und Raumordnungspolitik. Gerade die Bahn wird diesen Zielen durch geringe Schadstoffemissionen, geringen Raumbedarf und durch hohe Sicherheit in besonderem Maße gerecht.

Die Verkehrsentwicklung der letzten 25 Jahre war durch einen starken Anstieg gekennzeichnet. Zwischen 1970 und 1990 stieg das Aufkommen im Güterverkehr jährlich um 2 %, im Personenverkehr sogar um 3 %. Im selben Zeitabschnitt haben sich aber Güter- und Personenverkehr europaweit zugunsten der Straße verlagert. Nicht zuletzt aufgrund mangelnder leistungsoptimierter Infrastruktur konnte die Bahn nicht mit den Entwicklungen der Verkehrsträger Straße und Luftfahrt mithalten. So erfolgten zwar in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Investitionen in die Straßeninfrastruktur, nicht jedoch in den Ausbau des Bahnnetzes.

Diese Erkenntnis hat sich auch in der EU durchgesetzt. Zunehmendes Umweltbewußtsein in allen europäischen Staaten und nicht zuletzt die Verpflichtung aus der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 und der Folgekonferenz von Berlin 1995, die CO2-Emissionen zu senken, führten zu einem Umdenken. Darüber hinaus wurde nach dem Wegfall des Eisernen Vorhanges erkannt, daß ein neuer Prozeß des Zusammenwachsens und der Integration in Mittel- und Zentraleuropa angebrochen ist. Verkehrspolitische Divergenzen wurden beigelegt, eine klare EU-Strategie formuliert und im "Maastricht-Vertrag" beschlossen. Kernpunkt dieser Strategie ist die schrittweise Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die umweltschonende Schiene.

Es ist also das Bestreben der gesamten Europäischen Union, die Bahn zum Zwecke einer umweltverträglichen Mobilität der Gesellschaft und zur Forcierung der Wirtschaftsentwicklung besonders zu fördern. Denn dies ist für das Funktionieren eines leistungsfähigen europäischen Gesamtverkehrsnetzes unabdingbar: Eine besonders wichtige Maßnahme dabei ist die Schaffung eines europäischen Hochgeschwindigkeitsstreckennetzes, um die Bahn als Güter- und Personenverkehrsträger leistungsfähiger, schneller und damit attraktiver zu machen. Leitlinien für ein europäisches Verkehrsnetz mit 15 Schlüsselverbindungen, die im Rahmen der Transeuropäischen Netze (TEN) als vorrangig eingestuft wurden, sind bereits erstellt worden. Es handelt sich dabei um Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse, darunter auch zehn Projekte, die das Eisenbahnnetz betreffen. Wie der Ausbau der TEN den Marktanteil der Bahn bis zum Jahr 2010 steigern wird, belegen die Prognose-Ergebnisse einer von der EU-Kommission beauftragten und Anfang 1994 abgeschlossenen Studie.

Eine Studie des internationalen Eisenbahnverbandes UIC und der EU zeigt, daß über die leistungsfähigen Transeuropäischen Netze bis zum Jahr 2010 jährlich rund 142 Mrd. Personenkilometer hinzugewonnen werden könnten. Das entspricht einem Wachstum von über 72 %, wobei 40 % von der Straße und 31% vom Luftverkehr stammen würden.

Der EU ist daher die Verwirklichung des beschlossenen Leitschemas überaus ernst, werden dadurch doch entscheidende Beiträge zur Stärkung des Binnenmarktes, des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigungsförderung erwartet. Die wichtigsten Bahnprojekte bis zum Jahr 2000 werden derzeit mit einem Investitionsvolumen in dreistelliger Milliardenhöhe veranschlagt.

Bei Verwirklichung des internationalen Hochgeschwindigkeitsnetzes mit den 15 Schlüsselverbindungen sinkt der Anteil der Straße auf 45,3 %, während der Anteil der Bahn auf fast 19,6 % steigt.

Durch die aktive Verkehrspolitik der EU in Richtung "Förderung der Bahn" besteht für Österreich nicht nur die Verpflichtung zur Zusammenarbeit, sondern gleichzeitig die Chance, mittels finanzieller Unterstützungen Bahn-Projekte zur Entlastung der Umwelt und zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Österreich realisieren zu können.