Eine Fahrt über den Semmering
Von Gloggnitz nach Mürzzuschlag
Schon lange vor der Erbauung der Semmeringbahn gab es zu den späteren Ausgangsbahnhöfen der Semmeringbahn Teilstrecken der Südbahn. Diese wurden in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eröffnet. Der Bau wurde von privaten Aktiengesellschaften finanziert und ging aber später in das Eigentum des Staates über. Dieser verkaufte diese aber bald an die "Gesellschaft der südlichen Staats-, Lombardisch-Venezianischen und Zentralitalienischen Eisenbahn". Erst später erhielt diese Gesellschaft den Namen "KK priv. Südbahngesellschaft". Die Teilstrecken zwischen Wien und Gloggnitz wurden wie folgt eröffnet:
- Wien - Mödling 20. 6. 1841
- Mödling - Baden 16. 5. 1841
- Baden - Wiener Neustadt 15. 5. 1841
- Wiener Neustadt - Neunkirchen 24. 10. 1841
- Neunkirchen - Gloggnitz 5. 5. 1842
Die südlich des Semmerings gelegenen Teile der Südbahn wurden eröffnet:
- Mürzzuschlag - Bruck September 1842
- Bruck - Graz 21. 10. 1844
- Graz - Cilli 2. 6. 1846
- Cilli - Laibach 16. 9. 1849
- Laibach - Triest 28. 7. 1857
Beginnen wir nun unsere Reise über den Semmering im ehemaligen Kopfbahnhof Gloggnitz. In dieser Stadt wurden früher die gewöhnlichen Zugslokomotiven mit eigens für die Steilrampen gebauten Berglokomotiven vertauscht. Ausgedehnte Anlagen am Gloggnitzer Bahnhof waren für diesen Tausch errichtet worden. Heute sind davon nur noch einige bauliche Reste vorhanden.
Bahnhof Gloggnitz: Seehöhe 439 m, Baukilometer 75; seit dem Südbahnhof in Wien wurden 231 m Höhenunterschied überwunden.
Nach wenigen Minuten Fahrt erkennt man links die Silhouette der Stadt Gloggnitz und auf einem Geländevorsprung, im Zwiesel des Weißenbaches (Auebach) und der Schwarza, das Wahrzeichen der Stadt, die ehemalige Benediktinerabtei Gloggnitz. Dahinter können wir auf halber Bergeshöhe die mächtige Burg Wartenstein sehen. Schon haben wir das Engtal zwischen Eichberg und Silbersberg erreicht. Am steilen Hang des Silbersberges führt die Strecke entlang, teilweise auf hohen Stützmauern. In diesem Engtal müssen alle Verkehrsträger (Bahn und Straßen) sowie der Schwarzafluß und auch die 1. Wiener Hochquellenwasserleitung Platz finden. An den Hängen des Silbersberges wurde bis um 1800 verbreitet Weinbau betrieben. Bald wird das Tal wieder weiter und der Zug fährt in die Station Schlöglmühl ein.
Haltestelle Schlöglmühl: Seehöhe 459 m, Baukilometer 78. Wenn man die Karte aufmerksam verfolgt, so wird man feststellen, daß wir uns eigentlich im Moment vom Semmering eher entfernen, als sich ihm zu nähern. Das kommt daher, daß die Erbauer jede Gelegenheit nützen mußten, um an Höhe zu gewinnen; somit kam es zu dem großen Bogen durch das Payerbacher Becken. Für die Orte im mittleren Schwarzatal war dieser notwendige Umweg sehr bedeutungsvoll, weil durch den Anschluß an das Eisenbahnnetz ein Aufschwung des Fremdenverkehrs erfolgte.
Der Ort Schlöglmühl besteht noch nicht sehr lange. Den Namen erhielt er von der einst hier bestehenden Mühle die einem Herrn Schlögel gehörte. Der heute bestehende Fabrikskomplex der Papierfabrik Schlöglmühl hatte seine Ausdehnung schon im Jahre 1853 erhalten. Einige jüngere Zubauten kamen in den letzten Jahrzehnten dazu. Bevor die Fabrik umgebaut wurde, war sie in frühester Zeit eine "ärarische Spiegel- und Blaufarbenfabrik". Von besonderer Bedeutung wurde die Papierfabrik dadurch, daß nämlich hier vor rund 100 Jahren die Spezialpapiere für die österreichischen Banknoten hergestellt wurden.
An der steilen Lehne des Kohl- und Grillenberges führt die Bahn teilweise auf hohen Dämmen, teilweise auf langen Stützmauern und durch Erd- und Felseinschnitte. Knapp vor der Rotte Werning wird das Gelände wieder flacher und wir haben hier auch auf der rechten Seite eine gute Sicht auf die steil abfallenden Berge des Gahns. Oberhalb von Werning liegt das ehemalige Bergbaugebiet des Grillenberges. Die weiß schimmernden Schutthalden sind letzte Zeugen des vor einigen Jahrzehnten hier noch tätigen Eisen-Bergbaues. Entlang von sanften Wiesen kommen wir nun zum Bahnhof Payerbach-Reichenau.
Payerbach-Reichenau: Seehöhe 1495m, Baukilometer 82. Der Bahnhof war Ausgangspunkt der Probefahrten mit den ersten Lokomotiven. Beide Orte erlebten durch den Bahnbau einen bedeutenden Aufschwung. Der Bahnhof ist gleichzeitig auch der Ausgangspunkt für den Tourismus auf die zahlreichen Berge der Umgebung. Eine Lokalbahn verbindet den Bahnhof mit der Ortschaft Hirschwang, womit eine direkte Verbindung mit der Raxseilbahn hergestellt ist. Nachdem der Personenverkehr auf dieser Lokalbahn einige Jahre eingestellt war, ist es vor kurzem gelungen, die Strecke zu revitalisieren und als Fremdenattraktion wieder in Betrieb zu nehmen.
Kurz nach dem Bahnhof Payerbach-Reichenau beginnt die eigentliche Bergstrecke der Semmeringbahn. Von Gloggnitz bis Payerbach wurde auf 7 km Länge nur ein Höhenunterschied von 56 m überwunden.
Das Schwarzatal bildet zwischen den Orten Payerbach und Reichenau eine Enge, und die Wurde von den Planern der Bahn ausgenützt. Einer der bedeutendsten Viadukte der Semmeringbahn übersetzt hier Straße und Fluß.
Schwarza-Viadukt: 227 m lang, 24,6m hoch; Bogenhalbmesser 253 m; 13 Bögen, wovon die 5 mittleren eine Spannweite von 19,9m und die übrigen eine solche von 9,8 m haben; Steigung 1:100. Der Schwarza-Viadukt ist in massiver Quader-Parabetmauer-Bauweise ausgeführt.
Die landschaftliche Szene hat sich durch die Überquerung des Tales geändert. Im Tal gegenüber kann man nun die schon zurückgelegte Strecke sehen. Hinter uns befindet sich die Raxalpe. Im Anschluß daran sehen wir nördlich davon die Vorberge des Schneeberges; der Feuchter mit dem Mittagsstein, den Schwarzenberg (höchste Erhebung des Gahns) und den Saurüssel (eine weit ins Tal vorspringende Felspartie). Diese Berge begrenzen das Tal im Norden. Ihnen vorgelagert sind die Höhen des schon erwähnten Kohl- und Grillenberges sowie am Eingang des Tales der Silbersberg.
Die Trasse bis Klamm ist extrem steil. Hier treten mehrfach Steigungen von 1: 40, also von 25 Promille, auf. Unter uns befindet sich der alte Ortskern von Payerbach, der mit dem "neuen", linksufrigen Teil durch eine 26m lange Betonbrücke verbunden ist, die zur Zeit ihrer Erbauung einiges Aufsehen erregte.
Der Payerbachgraben wird durch einen Viadukt übersetzt.
Payerbachgraben-Viadukt: geradlinig; Seehöhe 502 m; Baukilometer 83,2; 60,7 m lang; 15,2 m hoch; 5 Bögen zu 7,9 bzw. 15,2m Spannweite. Durch waldreiches Gelände, das aber doch zeitweise eine schöne Aussicht auf das Tal erlaubt, kommen wir zur Haltestelle Küb:
- Haltestelle Küb: Seehöhe 545 m, Baukilometer 84,8. Kurz danach wird der Kübgraben mit einem Viadukt überspannt. Kübgraben-Viadukt: Seehöhe 557 m, Baukilometer 85 41,8 m lang; 18 m hoch; 3 Bögen mit 6,5 bzw. 11,4 m Spannweite; Halbmesser 190 m; Steigung 1:45. Die Aussicht wird hier durch den Blick auf den Schneeberg gekrönt, der über dem Einschnitt zwischen Gahns und Feuchter sichtbar wird. Kurz danach fährt der Zug in den ersten Tunnel ein.
- Pettenbach-Tunnel: Seehöhe 568 m; Baukilometer 85,7;
Länge 185,25 m; geradlinig. Die Fassaden und die Flügel sind aus Bruchsteinen, Sockel, Fußsteine und Gesimse aus Quadern, Widerlager und Gewölbe aus Ziegeln hergestellt. Dasselbe gilt auch für alle anderen Tunnel bis zur Weinzettelwand. Unmittelbar nach dem Verlassen des Pettenbach-Tunnels folgt der Viadukt über den Höllgraben.
- Höllgraben-Viadukt: Seehöhe 568m; Baukilometer 85,9; 81,5 m lang, 28 m hoch; 5 Gewölbeöffnungen mit 9,5 bzw. 19,7 m Spannweite; Bogenhalbmesser 288 m; Steigung 1:200. '
- Schon kurze Zeit später nimmt die Steigung der Bahn wieder zu. In einem Einschnitt und durch Waldpartien zieht sich die Bahnstrecke weiter hinan und übersetzt den Pettenbachgraben auf einer gemauerten Brücke. Rechts erkennt man die Reste des ehemaligen Eichberger Magnesitwerkes. Danach tauchen wir in den Steinbauer-Tunnel.
- Steinbauer-Tunnel: Seehöhe 569 m; Baukilometer 86,6; Länge 87,66; gekrümmt gebaut mit einem Bogenhalbmesser von 285 m. In bedeutender Steigung erreichen wir den Viadukt über den Abfaltersbachgraben.
Abfaltersbachgraben-Viadukt: Seehöhe 598 m; Baukilometer 87,5; 93m lang; 30m hoch' 5 Öffnungen mit 14,3m Spannweite; Bogenhalbmesser 190 m. Das anschließende kurze Stück bis zum Stationsplatz Eichberg ist wieder extrem steil angelegt. Die Steigung erreicht hier 1:45.
- Station Eichberg: Seehöhe 610 m; Baukilometer 88,2. Diese Station hieß zur Zeit der Erbauung "Abfaltersbach" und war die Endstation des ersten Bauabschnittes, der im Jahre 1852 fertiggestellt wurde. Die Haltestelle Eichberg ist und war vor allem eine Wartestation für Lastzüge. Zur Zeit der ersten Probefahrten kam ihr besondere Bedeutung zu, da hier die Berglokomotiven umgedreht wurden, um wieder die Talfahrt antreten zu können. Ausgedehnte Lager und Werkstätten bestanden auf dem Gelände der Station und prägten das Bild zur Zeit des Bahnbaues.
- Die Strecke beschreibt nun einen engen Bogen um den 754 m hohen Gotschakogel. Noch einmal können wir einen kurzen Blick zurück ins Payerbacher Becken und auf die Schroffen des Gahnsabbruches werfen, denn schon erkennen wir tief unten im Tal die Stadt Gloggnitz, unseren Ausgangspunkt. Auch die Klosterburg Gloggnitz liegt jetzt schon tief unter uns. Gegenüber sieht man den bewaldeten Gupf des Raachberges. Weiter im Osten liegt das breite Schwarzatal, in dem wir den großen Siedlungsraum von Ternitz-Pottschach und Wimpassing mit seinen Industriewerken sehen können. Schon weiter draußen, hinter der Waldeshöhe des Petersberges, liegt die Bezirkshauptstadt Neunkirchen. Bei guter Fernsicht ist es möglich, weit in das Steinfeld zu blicken und sogar die Höhen des Leithagebirges zu sehen.
- Die Szene wechselt rasch, denn wir haben ein neues Tal erreicht. Tief unten fließt der Weißenbach (Auebach), nach dem auch das Tal und eine Siedlung ihre Namen tragen. Wie ein Märchenschloß grüßt von halber Bergeshöh` gegenüber die Burg Wartenstein. Rund 180 m Höhenunterschied haben wir seit Gloggnitz überwunden. In diesem Streckenabschnitt zwischen Eichberg und Klamm steigt die Bahntrasse steil bergan (ununterbrochen 1:40!). Nur kurz verbleibt uns die Möglichkeit des Fernblicks in das Schwarzatal und das Steinfeld, denn wir fahren sogleich in den nächsten Tunnel ein.
- Eichberg-Tunnel: Seehöhe 628 m, Baukilometer 89, 1; 88,8 m lang. Wenige Meter nach Verlassen des Eichberg-Tunnels folgt ein weiterer Tunnel.
- Geyregger-Tunnel: Seehöhe 635 m; Baukilometer 89,4 80,95 m lang; Krümmungsradius 284 m.
- Die Bahntrasse bis Klamm verläuft am steilen, linken Hang des Weißenbachtales. Tief unter uns liegen die Orte Aue und Weißenbach. Die Triester Bundesstraße begleitet uns tief unten im Tal ein Stück des Weges. Eine Aussicht ist nur bis zum gegenüberliegenden Hang des Grasberges möglich. Dahinter sind Teile von Otter und Sonnwendstein zu sehen. Die steilen Hänge des Eichberges, an denen wir jetzt entlang fahren, wurden lange Jahre bergmännisch genützt. Wie schon am Nordhang des Eichberges, so wurde auch hier im Weißenbachtal ein Magnesitbergbau betrieben. Bevor wir in den nächsten, kurzen Tunnel einfahren, sehen wir im Tal die Häuser der kleinen Ortschaft Aue mit der ehemaligen Spinnfabrik.
- Rumpler-Tunnel: Seehöhe 686 m; Baukilometer 91,0; Halbmesser 284 m; Länge 52,36 m. Je näher wir der Station Klamm kommen, desto mehr prägt der Sonnwendstein, früher auch Göstritz genannt, die Silhouette. Bald wird auch die auf halber Bergeshöhe gelegene Wallfahrtskirche Maria Schutz sichtbar. 170 Meter unter uns liegt in der Schlucht der Markt Schottwien und rechts auf steiler Felszacke thront die Ruine Klamm.
- Station Klamm: Seehöhe 700 m; Baukilometer 92,36. In der Station Klamm wurden früher die Personenzüge für die längeren Tunnelfahrten beleuchtet. Die Schnellzüge erhielten die vorschriftsmäßige Beleuchtung für die Tunnelstrecke schon in Gloggnitz. Klamm liegt am Hang des 923 m hohen Kobermannsberges. Eine Rückfallkuppe, auf der auch die Ruine Klamm liegt, fällt gegen den Adlitzgraben bzw. gegen Schottwien in einer senkrechten Felswand fast 170 m steil ab. Dieser Geländevorsprung heißt Heubachkogel und unter diesem führt auch der nächste Tunnel hindurch.
- Klamm-Tunnel: Seehöhe 704 m; Baukilometer 92,7; Länge 190,83 m; Bogenhalbmesser 190 m. Bei seinem Bau wurden im Jahre 1851 zwei Arbeiter verschüttet, von denen einer nach 104 Stunden noch lebend geborgen werden konnte. Nach dem Verlassen des Tunnels blicken wir links zurück und sehen nun die Ruine sowie Kirche und Schule ganz nahe. Tief unter uns, von senkrecht abfallenden Felswänden begrenzt, die Schlucht des Adlitzgrabens. Wir befinden uns jetzt in jenem Teil der Strecke, die für die Erbauer die größten Schwierigkeiten brachte. Ein kurzer Graben ziel t nun von den Höhen des Kobermannskogels dem Adlitzgraben entgegen; es ist der tief eingeschnittene Wagner- oder Jägergraben. Ein bedeutendes Bauwerk überbrückt diese Schlucht.
- Wagnergraben- Viadukt: Seehöhe 714 m; Baukilometer 93,1 zweigeschoßig!; 39 m hoch (nur die Kalte Rinne ist höher), 142 m lang, Halbmesser 190 m; die unteren 5 Gewölbeöffnungen haben 9,5 m, die oberen 9 Öffnungen je 12 m Spannweite. Zwischen den Bahnhöfen Klamm und Breitenstein überwindet die Bahn einen Höhenunterschied von 92,4 m, das entspricht einer durchschnittlichen Steigung von 1:45 bei einer Streckenlänge von 5.290 Metern.
- Vom Wagnergraben haben wir zum ersten Mal freie Sicht auf das Südbahnhotel und auf die Bauten am Wolfsbergkogel. Nach dem Wagnergraben-Viadukt folgt ein Einschnitt und die pittoresken Felspartien des Adlitzgrabens beginnen sich voll zu entfalten. Der nächste Talübergang ist der Gamperlgraben.
- Gamperlgraben-Viadukt: Seehöhe 725 m; Baukilometer 94,3; Länge 112 m; Bogenhalbmesser 190 m; Höhe 37 m zwei Stockwerke, unten 5, oben 7 Gewölbeöffnungen; Steigung 1:45. Gleich danach folgt der
- Gamperl-Tunnel: Seehöhe 737 m, Baukilometer 94,5; 78,2 m lang, teilweise als Bogen, teils geradlinig ausgeführt. Wenn wir nach der Ausfahrt aus dem Tunnel zurückblicken, sehen wir nochmals das Felsennest der Ruine Klamm und im Hintergrund Burg Wartenstein. Gegenüber der Bahnstrecke befindet sich, vom tiefen Adlitzgraben getrennt, der 1.004 m hohe Eselstein (auch Baufelsen genannt). An seinem Südosthang (von der Bahn nicht einzusehen) schlängelt sich die Semmeringstraße in mehreren Serpentinen zum Bärensattel empor.
- Nach Durchfahren eines kleinen Einschnittes, des sogenannten "Blauen Einschnittes", wird auf der Höhe das Südbahnhotels fast die ganze Semmeringkolonie bis zur Station Semmering und der Semmeringpaß sichtbar. Wieder muß ein Graben durch einen großen Bogen umfahren und mittels eines großen Viaduktes überspannt werden. Es handelt sich um den Rumplergraben.
- Rumplergraben-Viadukt: Seehöhe 756 m, Baukilometer 95,3; Länge 43,6 m; 3 Gewölbeöffnungen zu je 9,5 m; Höhe 19 m; Steigung 1:200.
- Anschließend fahren wir ein Stück fast genau in südlicher Richtung, überqueren eine kleine Brücke, die Lechnerbrücke, und dann wendet sich die Trasse wieder in westliche Richtung, um in den nächsten Tunnel einzufahren. Weinzettl-Tunnel: Gesamtlänge 688 m; teils geradlinig, teils Bogen mit einem Halbmesser von 190 m.
- Weinzettl-Wandgalerien: 1 x 1 Öffnung und 6 Öffnungen mit je 8,7 m Spannweite. Die Weinzettlwand ist eine aus dem Adlitzgraben nahezu 300 Meter hoch, fast senkrecht ansteigende Felswand, welche aus lockerem, bröckelndem Gestein besteht. Nach dem ursprünglichen Bauplan sollte die Bahn an dieser Wand in Form einer Galerie außen herum geführt werden. Als sich aber herausstellte, daß das zerklüftete Gestein keine hinreichende Sicherheit bot und eine Gefährdung nicht nur beim Bau, sondern auch beim Betrieb der Bahn entstehen werde, beschloß man, auch die Weinzettlwand durch einen Tunnel zu überwinden. Während des Bahnbaues waren hier Teile der Felswand abgestürzt, wobei 14 Arbeiter tödlich verunglückten.
- Herrlich ist der Blick aus dem schwarz angerauchten Torbogen, der durch ein massives Steindach gegen Lawinen und Steinschlag geschützten großen Galerie, auf die hellgrünen Matten, den Sonnwendstein und den größten Teil des Semmerings mit dem alles überragenden "Silbererschlößl". Nach Verlassen des Weinzettlwandtunnels können wir die Aussicht nur kurz genießen, dann wenige Meter später fahren wir in den nächsten Tunnel ein.
- Weinzettlfeld-Tunnel: Seehöhe 785 m; Baukilometer 96,7; teils geradlinig, teils in Bogenform mit einem Halbmesser von 379 m; Länge 238,96 m. Die einstige Ziegelwölbung wurde durch ein Betongewölbe ersetzt. Bald danach haben wir den Ort Breitenstein erreicht.
- Station Breitenstein: Seehöhe 792 m; Baukilometer 97,6. Der Ort ist eine Streusiedlung und liegt in einem Talkessel am Fuße des 1.082 m hohen Kreuzberges. Nach der Station durchbricht die Bahn einen kühn vorspringenden Felsen. Wir befinden uns jetzt in der sogenannten "Spießwand".
- Krausel-Tunnel: Seehöhe 804 m; Baukilometer 98,1; Länge 13,55 m. Gleich darauf wird eine mächtige Felsschlucht übersetzt, die die Spießwand von der Polleroswand trennt. Krauselklause-Viadukt: Seehöhe 806 m; geradlinig in zwei Stockwerken, wobei die untere Etage 3 Gewölbeöffnungen mit je 10 m, die obere 6 Öffnungen mit je 11,4 m Spannweite besitzt; Länge 87 m; Höhe 36,5; Steigung 1:60. An wild zerklüfteten Felsen vorbei führt die Strecke zum Portal des nächsten Tunnels.
- Polleros-Tunnel: Länge 337 m, leicht gekrümmt.
Nach dem Verlassen dieses Tunnels gelangt man zum großartigsten Bauwerk der Semmeringbahn. Es ist der höchste Viadukt, der hier den tief eingeschnittenen Graben überspannt, der "die Kalte Rinne" genannt wird. Gemeinsam mit der Polleroswand, der Krauselklause und der Spießwand wurde dieser Viadukt oft auf Bildern und Stichen und sogar auf der 20-Schilling-Banknote dargestellt.
- Kalte-Rinne-Viadukt: Seehöhe 813 m; Baukilometer 98,7; Länge 184 m; Höhe 46 m; 190 m Halbmesser; 5 Gewölbe der unteren Etage mit je 12,6 m und 10 Gewölbe der oberen Etage zu je 14,5 m Spannweite; Steigung 1:60.
Auf der anderen Talseite wendet sich die Trasse wieder ostwärts dem Adlitzgraben zu. In diesem Abschnitt ergeben sich die imposantesten und schönsten Eindrücke der ganzen Bahnfahrt über den Semmering. Die eben zurückgelegte Strecke mit den Bauten des Krauseltunnels, des Krauselviadukts, des Polleroswandtunnels und der "Kalten Rinne" zeigen nicht nur die reizvolle Landschaft, in der die Bahn auf den Semmering erbaut wurde, sondern auch die Schwierigkeiten, die hier den Erbauern entgegentraten. Der Bergzug, welcher die "Kalte Rinne" vom Adlitzgraben trennt, heißt Alpkamm. Der Nordhang des Alpkamms ist die Rotleiten, und entlang dieses Hanges führt die Bahn auf steiler Rampe dem nächsten Viadukt entgegen. Die Strecke überfährt den 100. Baukilometer; der Adlitzgraben, in den wir jetzt wieder kommen, weist hier nicht mehr jene wildromantischen Felspartien wie in seinen unteren Teilen auf. Der Graben teilt sich hier in zwei Zweige auf, wovon der rechts zur Ochnerhöhe hinanziehende Zweig als "Unterer Adlitzgraben" und der links vom Pinkenkogel kommende Arm als "Oberer Adlitzgraben" bezeichnet wird. Die Bahn überfährt den "Unteren Adlitzgraben" mittels eines Viaduktes.
- Viadukt über den Unteren Adlitzgraben ("Fleischmann-Viadukt"): Seehöhe 851 m; Baukilometer 100,4; Länge 151 m; Höhe 24 m; 8 Bögen zu je 24 m. Der Bergrücken, der die beiden Adlitzgräben voneinander trennt, heißt Weberkogel und wird mittels eines weiteren Tunnels durchfahren.
- Weberkogel-Tunnel: Seehöhe 867 m; Baukilometer 100,7; Länge 406,91 m. Anschließend folgt eine kurze Brücke über den Oberen Adlitzgraben. Der 933 m hohe Weberkogel ist eine kleine Rückfallkuppe des Pinkenkogels. In seinen flacheren Partien, oberhalb des Tunnels, befinden sich die Meierei und der Golfplatz. In der Nähe des ehemaligen Hotels "Sonnhof" fahren wir in den nächsten Tunnel ein. Wolfsbergkogel-Tunnel :Seehöhe 867 m; Baukilometer 101,4; Länge 439,53 m. Der 960 m hohe Wolfsbergkogel bildet jenen Rücken, auf dem nicht nur das gleichnamige Hotel steht, sondern neben einer großen Anzahl von Villen am gegenüberliegenden Hang auch das riesige Südbahnhotel. Die große Siedlungsdichte, die hier vor Jahrzehnten einsetzte, bewog die Bahnverwaltung zur Errichtung einer eigenen Haltestelle "Wolfsbergkogel". Es folgt ein weiterer Viadukt.
- Kartnerkogel-Viadukt: Seehöhe 886 m; Baukilometer 102,6; Länge 44 m; Höhe 16 m; 3 Öffnungen zu je 11,3 m Spannweite. Der hier weit nach Nordosten vorspringende Sporn des Kartnerkogels (auch "Semmeringkogel" genannt, 1183 m), wird in einem Tunnel durchfahren.
- Kartnerkogel-Tunnel: Länge 201,16 m; teils in Bogen, teils geradlinig geführt. Nach der Ausfahrt aus diesem Tunnel eröffnet sich dem Fahrgast eine völlig andere Landschaft. Tief unten liegt der Myrthengraben, in dem wir die Gipswerke sehen können. Mächtig steigt der Sonnwendstein vor uns empor. An seinem Hang können wir die Semmeringstraße sehen, die den Myrthengraben mit einer hohen Bogenbrücke überspannt.
Durch das vermehrte Auftreten von Gleisanlagen erkennen wir, daß wir uns der Station Semmering nähern. Nach einem Wohngebäude befindet sich das dem Erbauer der Bahn gewidmete Denkmal, dessen Inschrift lautet:
Carl Ritter v. Ghega
dem Erbauer der Semmeringbahn errichtete dieses Denkmal
über Antrag des k.k. Generalinspektors J. R v. Wagner
der österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein 1869
- Bahnhof Semmering: Seehöhe 895 m; Baukilometer 103,4. Von Breitenstein bis hierher haben wir auf der 5,5 km langen Strecke einen Höhenunterschied von 103 m überwunden. Kurz hinter der Station beginnt der große Semmeringtunnel.
- Haupttunnel: Seehöhe 896 m; Baukilometer 103,5; Gesamtlänge 1.430,34 m; etwa 300 m vor der Tunnelmitte wird die Landesgrenze zwischen Niederösterreich und Steiermark überschritten. In der Mitte des Tunnels bei Baukilometer 104,3 und am höchsten Punkt der Bahnlinie, in 898 m Höhe, bricht sich die beiderseitige Steigung, die 1:300 beträgt. Zwischen dem höchstgelegenen Punkt der Bahn und der Einsattelung des Passes liegen noch 84 m Differenz.
Die Richtung des Tunnels ist vollkommen geradlinig, sodaß es möglich ist, vom Waggon aus bei der Einfahrt das südliche Tunnelende als Lichtpunkt schimmern zu sehen.
Zum Bau des Tunnels sei vermerkt, daß dieser an mehreren Punkten zugleich in Angriff genommen wurde, wozu außer den beiden Mündungen noch fünf, teils schiefe, teils senkrechte Schächte dienten. Diese Schächte wurden bergmännisch abgeteuft, kunstvoll ausgezimmert und wurden zur Beförderung des ausgegrabenen Materials, zur Hebung des Bergwassers und zum Transport des Baumaterials und der Arbeiter eingesetzt.
Der erste Tunnel war ganz mit Ziegel ausgemauert und nur die Gewölbkränze der Fassaden und die Fußsteine wurden aus Quadern hergestellt.
Beim Bau wurden zahlreiche Quellen angeschnitten, die dem Ziegelgewölbe arg zusetzten, sodaß 1854/55 an vielen Stellen Ausbesserungsarbeiten durchgeführt werden mußten, wobei die schadhaften Ziegel durch Quadersteine ersetzt wurden.
Das in den Tunnel durch die Öffnungen einfließende Quellwasser, dessen Menge 300 l/Stunde beträgt, wurde in einem zwischen beiden Gleisen 1,3 m unter der Oberfläche angelegten Kanal vom Gefällsknick nach außen geleitet, wobei das zur Station Semmering fließende Wasser in einer Zisterne aufgefangen wurde. Dieses Wasser wurde früher zur Speisung der Dampflokomotiven verwendet.
Zur Verhinderung der Eisbildung und der Schneeverwehung im Tunnel wurden beide Mündungen im Jahre 1855 mit Toren versehen, sodaß im Winter, wo keine Züge verkehrten, der Tunnel abgeschlossen blieb. Man versuchte auch eine Gasheizung zu installieren, wozu in der Station Semmering ein Gasometer gebaut wurde. Trotz Anbringung von 150 Gasbrennern im Innern des Tunnels wurde keinerlei Erfolg erzielt. Später versuchte man eine Heizung mit Koksöfen, die am südlichen Ausgang des Tunnels errichtet wurden. Auch von dieser Art der Beheizung nahm man bald wieder Abstand, als man merkte, daß die Quadersteinverkleidung des Tunnels durch die Frostbildung keinen Schaden erlitt.
Über dem nördlichen Portal des Tunnels steht die Inschrift:
Franciscus Josephus I. Aust. Imp. hominum rerumque commercio
und über dem südlichen Tore:
Adriaticum Germanico junxit mare MDCCCLIV
Übersetzt heißen beide Inschriften:
Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, hat für den Personen- und Warenverkehr
das adriatische mit dem deutschen Meer verbunden. 1854.
Nach Verlassen des Tunnels (Seehöhe 896 m; Baukilometer 105,0) sind wir nicht nur in einem anderen Bundesland, sondern finden uns auch in einer vollkommen veränderten Landschaft wieder. Anstatt der wildromantischen und zerklüfteten Gebirge begegnet uns hier nur das sanfte und liebliche Fröschnitztal. Die Triester Bundesstraße, die bisher immer links von der Bahn verlief, hat die Richtung gewechselt und befindet sich nun rechts oberhalb der Bahntrasse. Das Gefälle der Bahn ist beträchtlich und beträgt anfangs 1:47 und später 1 :45, da die Strecke von ihrem höchsten Punkt bis zur Station Spital auf einer Länge von 6,2 Kilometern um 108 Meter fällt. Ungefähr auf halbem Wege zwischen den beiden Stationen liegt wieder ein größeres Bauwerk.
- Viadukt bei Steinhaus: Seehöhe 839 m; Baukilometer 107,1; Länge 70 m; Höhe 17 m; 5 Gewölbeöffnungen mit je 11,4 m Spannweite. Das erste Tal, das sich links öffnet, ist der Dürrgraben, dann folgt der Fröschnitzgraben, an dessen Ausgang im Tale der Ort Steinhaus liegt. Hier finden wir auch die Reste der alten Semmeringstraße, die in gerader Höhe von der Paßhöhe herabzieht und parallel zu Bahn und Bach dahinzieht. Nach dem Viadukt fahren wir in die Station Steinhaus ein.
- Station Steinhaus: Seehöhe 838 m; Baukilometer 107,7. Kurz darauf folgt wieder ein größerer Viadukt, nämlich über den Holzergraben.
- Holzergraben-Viadukt: Seehöhe 838 m; Baukilometer 108,0; Länge 81,5 m; Höhe 13 m; 7 Bögen mit je 9,5 Spannweite, in einer Kurve angelegt. Es handelt sich dabei um das letzte größere Bauwerk der Semmeringbahn. Unter diesem Viadukt kreuzt die Triester Bundesstraße wieder die Bahntrasse und befindet sich in der Folge bis Mürzzuschlag an der linken Seite der Bahn.
Der vorletzte Viadukt befindet sich bei der kleinen Rotte Jauern.
- Viadukt bei Jauern: 30 m lang; 11 m hoch; 3 Bögen zu je 8 m Spannweite. Indem wir uns der Station Spital nähern, wird links der lange, kahle Rücken des Stuhlecks sichtbar. Wir fahren in die Station des Fremdenverkehrsortes Spital am Semmering ein.
- Spital am Semmering: Seehöhe 790 m; Baukilometer 110,5. In unserer Fahrtrichtung gesehen rechts begleitet uns schon seit der Ausfahrt aus dem Haupttunnel der langgestreckte, bewaldete Rücken der Kampalpe. An weiteren Bauten der Semmeringbahn ist letztlich nur noch ein Viadukt über den Fröschnitzbach erwähnenswert:
- Viadukt über den Fröschnitzgraben: Seehöhe 723 m; Baukilometer 113,9. Knapp vor Mürzzuschlag übersetzte die Bahn früher noch zweimal die Bundesstraße, woran sich ältere Autofahrer noch erinnern werden, da diese Engstellen regelmäßig zu Stauungen führten:
Anschließend kommen wir schon in den Bahnhofsbereich der Stadt Mürzzuschlag. Die zahlreichen Bauten entlang der Bahn, die alten Hallen und Anlagen geben nur noch ein geringes Zeugnis von der einstigen Bedeutung des Bahnhofes von Mürzzuschlag. Hier wurden die Lokomotiven gewechselt oder mit einer Vorspannlokomotive versorgt; Wasser und Kohle aufgefüllt und in den Werkstätten wurden Reparaturen vorgenommen. Mürzzuschlag ist auch Ausgangspunkt für die Bahnlinie nach Neuberg im Mürztal. Im Bahnhof Mürzzuschlag (Seehöhe 681; Baukilometer 116,7) haben wir den Endpunkt der Semmeringbahn erreicht.