Der Saumpfad
Schon vor mehr als zwei Jahrtausenden führte ein Saumpfad über den Semmering. Kelten und Römer benützten ihn als Handelsweg. Dieser strebte längs des Greisbaches auf kürzestem Weg zum 900 m hoch gelegenen Bärensattel empor, senkte sich in den Martinsgraben und zog dann zum Semmeringpaß (980 m) hinan.
In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters wurde es still um den unwirtlichen Alpenpaß. Die Blütezeit dieses Gebirgsüberganges begann im 12. Jahrhundert, als sich Wien zum Sammelplatz deutscher Kaufleute, die mit dem Süden regen Handel trieben, entwickelte. Auch viele Palästinapilger zogen über den Sattel. 1160 erbauten der steirische Markgraf Ottokar V. und seine Gemahlin Kunigunde für die Handelsleute und Kreuzfahrer im "Zerewalt" ein Hospital, aus dem der Ort Spital am Semmering hervorging. Diesseits des wichtigen Passes entstand Schottwien, der Ort in der Felsenklause, der sein Aufblühen seiner Lage am Saumpfad und am Fuße des Bergjoches, sowie dem Aufschwung des Verkehrs verdankte.
Die privilegierte Straße
Als man gelernt hatte, die Wagen so stark zu bauen, daß man sie auch im Gebirge verwenden konnte, mußte auch der Weg über den Semmering dem Wagenverkehr angepaßt werden.
Im 14. Jahrhundert wurde der Verkehr äußerst rege. Der Weinhandel aus Osterreich und Ungarn in die Steiermark nahm einen großen Aufschwung. Herzog Albrecht III. verordnete 1386, daß die Städte in Steiermark, Kärnten und Krain die von Venedig und Ungarn rollenden Frachten über den Semmering zu leiten hätten. Auch die Kaufleute aus Böhmen, Schlesien und Polen wurden auf diese Straße, die Venezianerstraße, festgelegt. Wer dagegen verstieß, mußte damit rechnen, daß ihm die Waren beschlagnahmt wurden. Auch noch andere Strafen hatte er zu gewärtigen. Mit dieser Verordnung wurde der Weg über den Semmering zu einer privilegierten Straße.
In den Türkenkriegen zogen österreichische Heere über den Semmeringsattel. Die 1535 von Ferdinand I. eingerichtete reitende Feldpost übermittelte von den Kriegslagern über Pettau, Graz, Bruck, Semmering und Wiener Neustadt Nachrichten und Befehle in die Hauptstadt und umgekehrt.
Der Semmering in grauer Vorzeit
Auffallend lange hat der Semmering im Verkehr keine Rolle gespielt. Wohl mögen schon, wie einige wenige Funde von steinernen Lochäxten oder deren Fragmente von Schottwien, Gloggnitz und Payerbach andeuten, vorgeschichtliche Wanderer aus der Gloggnitzer Bucht und vom Mürztal her auf einsamen Pfaden durch den menschenleeren, dunklen Bergwald seine Höhen überschritten haben - wir haben davon keine nähere Kunde. Wahrend dann vielbenützte Römerstraßen weiter im Westen über den Paß Pyhrn, den Rottenmanner Tauern, den Neumarkter Sattel zogen oder im Osten das Gebirge von Carnuntum nach Poetovio (Pettau) umgingen, verharrte die Furche des Semmerings, abwehrend durch ihre Wälder und Schluchten, im Winter unter tiefem Schnee begraben, im Sommer schweren Gewittern ausgesetzt, die sich um die ohnedies nur mit einer gewissen Angst betrachteten Riesenmauern der Kalkberge schwarz und schreckhaft sammelten, wenig begangen in stiller Weltabgeschiedenheit. Nur einige wenige Funde künden von einer wenigstens zeitweisen Begehung durch Kelten und Römer. So sind ein Münzschatzfund keltischer Silbermünzen aus Schottwien, aus der Zeit als die Boier das Wiener Gebiet verließen (um 60 v. Chr.), und ein Depotfund römischer Kultgegenstände aus Steinhaus bekannt geworden. Beide Funde wurden vergraben, d. h. also, daß sie durch irgendwelche Notsituationen dem Besitzer verlorengingen.
Nicht einmal aus dem frühen Mittelalter haben wir Nachricht von einem Verkehr über den Paß. Aber die Besiedlung seiner Zugänge wird nun stärker greifbar, denn sie spiegelt sich noch heute in Orts-, Berg- und Flußnamen wider. Die ältesten Ortsnamen sind slawischen Ursprungs. So sind z. B. Gloggnitz, Göstritz, Adlitz, Fröschnitz, Mürz Namen mit einer altslawischen Wurzel. Auch dem Namen des Paßgebietes wird eine slawische Herkunft zugeschrieben: "Schneerosengebiet" heißt die wörtliche Übersetzung aus dem Altslawischen. An weiteren Namensdeutungen hat es ebenfalls nicht gefehlt, die aber heute alle überholt sind.
Allmählich belebte sich der Verkehr über den Paß aus verschiedenen Ursachen. Die deutsche Kolonisation bemächtigte sich der Gegend. Von Neunkirchen her schob sie sich seit der Mitte des elften Jahrhunderts heran.
1094, als die Propstei Gloggnitz von einem Grafen Formbach gegründet und bayrischen Benediktinern übergeben wurde (die bis 1803 im Besitz der Grundherrschaft Gloggnitz blieben), werden bereits die Orte Gloggnitz und Payerbach genannt, jedoch noch keiner aus der "Klamm" von Schottwien. Als Pfarrort wird Gloggnitz erst 1125 urkundlich genannt. Wo die noch 1334 erwähnte Villa Slavorum lag ist unsicher, vielleicht am Fuße des "Göstritz».
Schottwien wird 1220 zum ersten Mal urkundlich genannt. Der Ort wurde nach dem Frieden von Ofen (1254) von Premysl Ottokar befestigt.
Der Weg über die östlichen Vorberge der Alpen, den Hartberg, war noch immer von den Magyaren bedroht. Wohl führte auch der "Weinweg", ein Saumpfad, von Neunkirchen her über die Wellen der "Buckligen Welt", die Schanz zum Kummerbauerstadl und über die Höhen zwischen Wechsel und Stuhleck am Großen Pfaffen vorbei, hinab in das Feistritztal und hinaus in die Oststeiermark, doch konnte er sich neben der neuen Verkehrslinie, die durch den Aufschwung des fernen Venedig rasch wichtiger wurde, nicht behaupten: dem sogenannten "Schrägen Durchgang", der Drei-Pässe-Straße, die auf ihrer ganzen Länge, hat sie erst einmal den Semmering erreicht, nur noch zweimal leichte Anstiege von ein paar 100 m zu bewältigen hat, und sich nirgends auch nur auf 900 m Höhe erhebt (Neumarkter Sattel 888 m, Saifnitzer Sattel bei Tarvis 804 m). Der Neumarkter Sattel öffnet den Weg nach Kärnten, die flache Talwasserscheide von Saifnitz den Zugang zu der "Starken Klause" (Chiusaforte) und damit hinaus in das Friauler Tiefland und nach Venedig. C)b nun der Wein, den die Weinberge bei Neunkirchen seit 1125 nach Friesach lieferten, noch auf dem Weinweg befördert wurde, ist sehr fraglich; wahrscheinlich ging er schon über den Semmering. Jedenfalls wurde 1160 das Hospital St. Mariae, das Hospiz "am Zerewald", von Ottokar, Markgraf von Steiermark, neben einer für heilkräftig gehaltenen Quelle errichtet. Bei ihr stand von 1683 bis 1873 die Wallfahrtskirche "Fraubrunnkirche". Die Pfarrkirche wurde im selben Jahr wie das Hospiz erbaut. Neben ihr entstand das Dorf Spital.
Noch erstreckte sich die Steiermark über den Paß bis zur Piesting; das Wechselgebiet und die Markt Pütten waren zur Gänze steirisch. Der Wunsch, die Verbindung dieses Flügels ihres Herrschaftsbereiches mit dem übrigen Land zu stärken, im Ernstfall wenigstens diese Linie zur Verfügung zu haben, wenn der Verkehr im Osten unterbunden wäre, hat bestimmt bei der Gründung des "Spitals" eine Rolle gespielt. Nach der Vereinigung der Steiermark mit Österreich (1192) bildete der Paß die Klammer im Verkehr zwischen beiden Ländern und seine Bedeutung wuchs mit der Zunahme des Handels auf der "Venezianerstraße".
Anfänglich war eine Reise über den Paß kein Vergnügen. In den Wäldern hausten Räuber, in den Höhlen des Zerwaldes hatten sie ihre Schlupfwinkel. Allein mit dem Aufblühen des Verkehrs, mit seiner besseren Sicherung, mit der stärkeren Besiedlung des Gebietes erlosch das Unwesen und das Hospiz verlor mit der Zeit viel von seiner Bedeutung. Es war inzwischen den Karthäusern des steirischen Klosters Seiz zur Verwaltung übergeben worden. 1331 kam es durch den Habsburger Herzog Otto den Fröhlichen an das von ihm gegründete Stift Neuberg, das von Zisterziensermönchen aus Heiligenkreuz übernommen worden war und auch die Reichenau erhielt. Einer der ersten der Nachwelt überlieferten Namen eines Reisenden, der den Semmering benützte, ist Ulrich von Liechtenstein. Er selbst hat uns darüber in seiner "Venusfahrt" einiges berichtet (1227). Gern möchte man das Getriebe und die Ausstattung des Zuges mit eigenen Augen gesehen haben, den der Minnesänger mit Fiedels, Pfeifen und großem Gefolge durch die Paßlandschaft führte: "do zogt ich über den Semernic gegen Glokeniz alzehant, da ich wen sehs ritter vant gezimirt schone tjoste gern: die sach man mich da snelle wem". Auch auf seiner "Artusfahrt" (1240) kam er über den Semmering und freute sich, als er ihn hinter sich hatte: "Über den Semernic wir da zogten unde waren fro!".
In seinen Dichtungen wird auch Mürzzuschlag zum erstenmal genannt aus dem Jahre 1236: er ritt "in hohem, muete hinz Murczuslage". Schon früh erhielten dessen Bürger wichtige Freiheitsbriefe für den Markt und große Vorrechte im Eisenwesen.
Auf der anderen Seite war das noch lange Zeit steirische Wiener Neustadt lebhaft am Handel beteiligt, hauptsächlich Weinhandel in das Ennstal bis Schladming, durch das Murgebiet bis nach Friesach, den es seit der Mitte des 14. Jahrhunderts dank besonderer Vorrechte fast ganz an sich ziehen konnte. Die größten Einkünfte aus dem Handel mit Venedig strichen dagegen die Wiener ein. Die Kaufleute aus dem Ausland im Norden aus Böhmen, Schlesien, Polen waren unter Straßenzwang verhalten, den Weg über Wien und den Semmering zu nehmen. Neben der wirtschaftlichen darf man jedoch die politische Bedeutung des Passes nicht unterschätzen: er sammelte alle Straßen, durch welche die Residenz des Herrscherhauses mit Innerösterreich, Triest, Tirol usw. verknüpft war.
Dem Wachstum von Österreich haben der Semmering und die Anordnung des ostalpinen Haupttalnetzes die Richtung vorgezeichnet und eine schon von den Babenbergern eingeleitete, von den Habsburgern weitblickend fortgesetzte Hausmachtspolitik hat die natürlichen Gegebenheiten klug und erfolgreich ausgenützt.
Im späteren Mittelalter war der Verkehr über den Semmering ungemein lebhaft. Aus einem Mauttarif von Schottwien aus dem Jahre 1545 kann man die Mannigfaltigkeit der Waren entnehmen, die verfrachtet wurden:
- Mineralien und Metalle (Salz, Eisen, Blei, Zink) Speck, Schmer, Schmalz, Unschlitt;
- Honig, Zucker, Safran;
- Wein, Feigen, Anis, Kastanien, Weinbeeren, Mandeln, Limonen, Granatäpfel;
- Wolle, Federn, Schindeln, Reifenholz, Rebstöcke, Hafnerwaren;
- Böhmisches Glas ging in den Süden, venezianisches nach Norden. Der steile Anstieg hinter Schottwien erforderte Rast und Vorbereitung. Den Hauptgewinn davon hatten die Schottwiener selbst. Das muß ein Leben in dem engen Tal gewesen sein. Ursprünglich wurde alles auf Saumtieren oder auf Karren befördert.
Als im Jahre 1728 mit dem Bau der neuen Straße über den Semmering begonnen wurde, begann für den Verkehr über diesen Paß eine neue Epoche. Die altertümlichen Methoden des Warentransportes kamen ab. Die neue Kunststraße bot dem Handel neue Möglichkeiten.
Die alte Semmeringstraße
Unter Karl Vl. schickte sich Österreich an, Seestaat zu werden. Als Triest und Fiume durch Straßen erschlossen waren, mußte auch Schottwien durch eine verkehrsfreundliche Straße mit der Paßhöhe verbunden werden.
Im Jahre 1726 wurde der berühmte Ingenieur und Hofmathematicus Jakob Marioni beauftragt, die Trasse der neuen Straße abzustecken und in Mappen festzuhalten. Die Kommission war sich gleich im klaren, daß die neue Straße vom Greisbächlein abgelenkt und am Nordhang direkt zum Bärensattel geführt werden mußte.
Im Frühjahr 1728 wurde mit dem Bau begonnen. Die rund 200 Arbeiter wurden von den umliegenden Herrschaften gestellt, wobei Klamm 60 Mann, Reichenau 40, Feistritz 30, Kirchberg, Kranichberg und Wartenstein je 20 Mann zu stellen hatten.
Beim Bau erwies es sich als nötig, Felsen zu sprengen Schutzbauten gegen Wildwasser zu errichten und über den Myrthengraben (Martinsgraben) eine Brücke, die "Kayser Pruckhen", zu wölben. Trotz aller Hindernisse kam die erste Kunststraße in der kaum faßbar kurzen Zeit von 48 Tagen zustande, wozu gewiß auch der sechstägige Aufenthalt des Kaisers Karl Vl. im Posthofe Schottwien beigetragen hatte. Die Kaisserreise nach Triest und Fiume brachte die glanzvolle Eröffnung der "Karolusstraße". Am 21. Juni 1728 fuhren Karl Vl., seine Gemahlin und der Hofstaat über den Semmering. Kaiser und Kaiserin drückten ihr besonderes Wohlgefallen über dieses Werk aus, traten unter die Arbeiter und beschenkten sie.
Den Ruhm des Kaisers, des Leiters und des Erbauers der neuen Straße kündet allen Zeiten ein von vier Adlern gekröntes, barockes Denkmal auf der Paßhöhe, womit die Stände Innerösterreichs diese Großtat würdigten. Die lateinische Inschrift am Denkmal lautet in deutscher Übersetzung: "Dem durchlauchtigsten Kaiser Karl Vl. von Österreich. Weil die unermüdliche Wachsamkeit des obersten geheimen Hofkanzlers Philipp Grafen von Sinzendorf bei Leitung des Werkes unter dem strebsamen Fleiße des Grafen Ernst von Herberstein und der gleich eifrigen Ausführung des Werkes von Seite Sigismund Grafen von Wagensperg, beide Statthalter von Steiermark, für den früher abgezogenen Handel einen Steinweg zu den Ufern des Adriatischen Meeres aus dem Staatsschatze zur Freude eröffnet hat, errichteten die Stände Innerösterreichs auf der Bergeshöhe zum Danke glückbringender Opferwilligkeit ein Denkmal, damit, wenn der Wanderer über die behobene Elendigkeit des früheren Weges einen anhaltenden Freudenruf ausstößt, der Ruhm des gnädigen Erbauers umso weiter widerhalle."
Die Kunststraße fand bald viele Bewunderer. Auch der französische Denker und Politiker Montesquieu war, als er über das Bergjoch kam, voll des Lobes über das Wunderwerk des Bergstraßenbaues.
Der Verkehr nahm nun einen ungeheuren Aufschwung. 1730 brachte die "Ordinaripost" die Reisenden wöchentlich nach Venedig und Triest. Unter Kaiser Josef IJ., der für ständige Verbesserungen sorgte, verkehrten wöchentlich die Klagenfurter, die Grazer und die Triester "Diligence" (Eilpost) und täglich eine Reitpost nach Graz, die "Steirische Journalpost".
Mit der Eröffnung der neuen Semmeringstraße im Jahre 1841 verlor auch die "Karolusstraße" viel von ihrem Wert. Fortan bewegten sich auf der alten Straße nur mehr Fußgänger, Reiter und das leichteste Fuhrwerk. Heute wird sie streckenweise noch von einigen Einheimischen und von Sommergästen als Spazierweg benützt. Auf langen Strecken ist sie schon mit Gras bewachsen. Ihren Verlauf aber kann man auch heute noch gut verfolgen.
Die neue Semmeringstraße
Da man sich mit Recht eine weitere Steigerung des Personen- und Güterverkehrs erwartete, schritt man an den Bau einer neuen Straße. Nach jahrelangen Vorbereitungsarbeiten konnte 1839 der Straßenbau an den mindestfordernden Bauunternehmer Felix Tallachini aus Varese in der italienischen Provinz Como vergeben werden. Die Hofkanzlei übertrug dem Ingenieur Dlauhy die Leitung und dem Hofbaurat Francesconi die Überwachung des Baues.
Tallachini begann mit den Arbeiten im Mai 1839. Er beschäftigte sommers bis zu 2500 Arbeiter, meist Tschechen. Der Arbeitstag dauerte von 4 Uhr bis 20 Uhr. Der Lohn für die 16stündige Arbeitsleistung betrug 24 bis 36 Kreuzer, Handwerker erhielten 1 bis 2 Gulden. An Regentagen entfiel jedweder Verdienst. Die Arbeiter hausten schlecht und recht in Erdhütten. Verletzungen durch Erdlawinen und Sprengungen sowie Krankheiten waren an der Tagesordnung.
Die Straße windet sich in 7 waagrecht angelegten Kehren zum Bärensattel hinauf, überbrückt in einer Höhe von 39 Metern den Myrthengraben und steigt dann zur Paßhöhe empor. An einigen Stellen bietet sie eine herrliche Aussicht auf den Semmering, die Rax und den Schneeberg. Der 10 km langen Bergstrecke, die von Schottwien bis zum Semmeringübergang einen Höhenunterschied von 400 m überwinden muß und eine durchschnittliche Steigung von 1 :25 oder 4% aufweist, rühmte man nach, daß sie hinauf im Trabe, hinab ohne Radschuh befahren werden konnte.
Die Gesamtkosten betrugen 475.844 Gulden. In diesem Betrag waren inbegriffen: die Grundeinlösungsgebühren von 50.000 Gulden, eine Aufzahlung von 20.000 Gulden für die Myrthenbrücke, die größer gebaut wurde, als es ursprünglich geplant war, und ein Betrag von 6.000 Gulden für eine während des Baues notwendig gewordene Regulierung des Baches in der Nähe von Schottwien.
Die prachtvolle, neue Kunststraße wurde am 17. August 1841 feierlich eröffnet und von Kaiser Ferdinand und seiner Gemahlin Anna Karolina befahren.
Als 1844 auch die Bahnlinie Graz-Mürzzuschlag mit festlichem Gepränge eröffnet wurde, konnten auch die Fuhrwerker und Lohnkutscher wieder aufatmen. Da der Semmeringpaß dem Dampfroß noch unzugänglich blieb, mußten die von der Bahn nach Gloggnitz gebrachten Fahrgäste und Güter mit Pferdewagen nach Mürzzuschlag weiterbefördert werden. Franz Seiser, k.k. Postmeister in Wiener Neustadt und Landkutscher in Gloggnitz, leitete mit seinen Kutschern und Fuhrwerkern den Verkehr zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag und umgekehrt. Schon im ersten Betriebsjahr, im Jahre 1844, wurden 26.000 Personen und 28.000 Tonnen Fracht befördert. Für eine Fahrt 1. Klasse darunter verstand man eine Fahrt in einer zweispännigen Kalesche - zahlte man 1 Gulden 20 Kreuzer, 2. Klasse - in einem Stellwagen - 1 Gulden.
Ein im Jahre 1852 erschienener Reiseführer berichtet uns, daß durch Schottwien täglich viele schwerbeladene, breitfelgige Fuhrmannswagen, mit 12 Pferden bespannt, bergwärts rollten. Auch schildert er ein Ereignis, das großes Aufsehen erregt hatte: vor Sonderwagen, beladen mit je einer schweren Lokomotive, mußten je 20 Paar Pferde gespannt werden, damit die ungeheuren Lasten über den Berg nach Mürzzuschlag gebracht werden konnten, von wo sie zu ihren Bestimmungsbahnhöfen weiterfuhren.
Dieses geschäftige Treiben in Schottwien erlosch mit einem Schlage, als das Dampfroß den ersten Eisenbahnzug über den Semmering zog. Schon am folgenden Tage, am 16. Mai 1854, verkehrte der Poststellwagen zum letzten Mal über den Paß.
Je mehr das Pferdefuhrwerk von der Straße verschwand, desto mehr bemächtigte sich ihrer der Kraftwagen. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurden auf der Strecke vom 79. bis zum 89. Kilometerstein die großen Semmeringrennen ausgetragen. Am 27.8.1899 fand eine Klubfahrt statt, die als Vorläufer des Rennens von 1900 gilt. Ein Jahr später, am 8. September 1900, wurde am Semmering das erste Autorennen Österreichs ausgetragen. Sieger wurde Jakob Dietrich auf einem Bion-Benton-Motocycle in der Zeit von 14 Minuten und 38,8 Sekunden. Ferdinand Porsche beteiligte sich ebenfalls an diesem Rennen. Zwischen 1900 und 1909 sowie 1922 - 1924, 1926 - 1930 wurde jährlich ein Rennen abgehalten. 1933 fand das letzte Semmeringrennen statt.
Als nach dem zweiten Weltkrieg die Zahl der Autofahrer unerhört rasch wuchs, und der Lastwagen- und Öltankerverkehr von Jahr zu Jahr zunahm, mußte auch die Bergstrecke Schottwien - Semmering dem dichten Kraftwagenverkehr angepaßt werden.
Die Zeit von 1956 bis 1966 brachte der Bergstrecke einen tiefgreifenden Umbau nach den neuesten Erkenntnissen der Straßenbaulehre. Die 10 km lange Strecke wurde verbreitert und, wo es möglich war, mit einer dritten Spur, der "Kriechspur", versehen, auf der nun die schweren und schwersten Laster mit Anhänger bergwärts kriechen. Die Kehren wurden gänzlich umgestaltet. Sie zeigen sich heute viel breiter und weniger stark gekrümmt. Vor der Paßhöhe mußten lange und hohe Doppelmauern aufgeführt werden. An der Bergseite der Kehre, die im Volksmund früher "Maierreit" hieß und heute "Felsnerkurve" genannt wird, entstand im Jahre 1958 bei Kilometerstein 85,7 ein Streusandsilo mit 4 Kammern, die von oben gefüllt werden und deren Wände aus Stahlbeton bestehen. Eine eigene Heizung sorgt dafür, daß der Sand nicht verklebt.