Von Erich KODYM, Semmering
Nach dem zweiten Weltkrieg
Während der ersten Jahrzehnte wurde an den Bauten und an der Strecke nicht viel verändert und instandgesetzt. Die Belastung der Strecke wurde aber immer größer; so fuhren z.B. in den Kriegsjahren Kohlenzüge mit drei Lokomotiven und 900 t über den Berg. Zur Zeit des Jugoslawienfeldzuges wurden täglich mehr als 75.000 Tonnen Fracht über den Semmering befördert. Darunter litt jedoch die Strecke extrem und eines der größten Probleme war der Semmering-Haupttunnel mit einer Länge von 1430 Metern. Bereits um die Jahrhundertwende wurde der Tunnel zwischen den Zügen mit Toren verschlossen und es wurde versucht, ihn mit Gasbrennern zu beheizen. Es kam durch ungünstige geologische Verhältnisse zu Wassereinbrüchen und im Winter 1946/47 wurden 440 Waggonladungen Eis aus dem Tunnel entfernt. Daher wurde ein Neubau eines Tunnels neben dem alten Semmering-Tunnel beschlossen. Zu dem Zeitpunkt waren ca. 28% der Tunnelausmauerung absturzgefährdet, 67% dringend erneuerungsbedürftig und nur 5% noch in Ordnung.
Der Spatenstich erfolgte am 8. 9. 1949.
Der neue Tunnel führt in bis zu 100 in Entfernung am alten Tunnel vorbei und mündet erst unmittelbar bei den Tunneleingängen wieder zusammen. Dies deshalb, da der alte Tunnel durch die Bauarbeiten und Erschütterungen nicht gefährdet werden durfte. Der neue Tunnel ist 1.551,1 m lang.
Noch eine Gegenüberstellung
Ghega benötigte für seinen Tunnel ohne Maschinen 4000 Menschen und 4,000.000 Tagwerke; am neuen Tunnel arbeiteten 600 Arbeiter mit 282.000 Tagwerken.
Die Eröffnung des neuen Tunnels erfolgte am 1. März 1952.
Die Elektrifizierung
Am 29. 9. 1956 wurde der elektrische Betrieb von Wien bis Gloggnitz aufgenommen, und unmittelbar daran anschließend mit den Elektrifizierungsarbeiten an der Semmeringstrecke begonnen. Es wurde ein Vierjahresprogramm erstellt. Dabei wurden außer den Tunnelverkleidungen auch alle anderen Kunstbauten grundlegend saniert. 1500 Fahrleitungsmaste wurden errichtet. Vom Oberbau der 42 km langen Semmeringstrecke wurden auf beiden Gleisen rund 60 km ausgewechselt. Die Höchstgeschwindigkeit mit 70 km/h auf der Nordrampe und mit 80 km/h auf der Südrampe festgelegt. Bei fünf Bahnhöfen wurden die Gleisanlagen verlängert.
Die Kosten der Elektrifizierung und die Streckenerneuerung betrugen damals rund 125 Millionen Schilling.
Am 29. 5. 1959 fuhr der Eröffnungszug über den Semmering. Somit war nach fast 105 Jahren der Dampfbetrieb am Semmering zu Ende.
Betriebsabwicklung
Seit 1. 10. 1977 gibt es die letzte grundlegende Neuerung: Seit diesem Tag wird die gesamte Strecke zwischen den Bahnhöfen Payerbach-Reichenau und Mürzzuschlag vom Bahnhof Semmering aus ferngesteuert. Zwei Fahrdienstleiter wechseln sich bei einem jeweils 12 stündlichen Dienst ab.
Abschließend kann gesagt werden, daß die Semmeringbahn deren Errichtung vor über 150 Jahren (3. 8. 1842) durch "Kaiserliche Verfügung verordnet" wurde, auch heute den Anforderungen entspricht.
Es wurde nur ein Bauwerk gänzlich neu errichtet, - der zweite Semmering Tunnel. Durch die enorme Belastung der Strecke ist es aber notwendig geworden, ständig Reparatur- und Erhaltungsarbeiten durchzuführen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwo gearbeitet wird.
Größere Renovierungsarbeiten werden wieder unumgänglich werden, u. U. auch der Bau eines Basistunnels.
Man sollte aber jedenfalls die Strecke erhalten und den Regionalverkehr "über den Berg" führen, sowie mit Nostalgiezügen die Semmeringbahn wieder zu einer Attraktion für den Semmering und seine Umgebung werden lassen.
Besondere Ereignisse
In der Chronik des Gendarmeriepostens Semmering sind zwei Zugzusammenstöße vermerkt: Am 9. 8. 1967 fuhr eine vom Semmering Richtung Gloggnitz fahrende E-Lok gegen einen Kleinwagen (Draisine) eines Arbeitszuges. Einige Arbeiter konnten rechtzeitig abspringen, der Kleinwagenführer und ein Arbeiter wurden schwer verletzt, der Arbeiter verstarb im Krankenhaus. Am 28. 7. 1976 stieß eine Hilfslok gegen einen liegengebliebenen Schnellzug. Es wurden 8 Reisende verletzt und es entstand schwerer Sachschaden.
In beiden Fällen lag das Verschulden beim Fahrdienstleiter. Von größeren ”Eisenbahnkatastrophen“ blieb die Semmeringbahn jedoch bis zum heutigen Tage verschont.