Das Semmeringgebiet
TOPOGRAPHIE DES SEMMERINGGEBIETES
Der Semmering liegt am östlichen Ende der Ostalpen. Er verbindet die österreichischen Bundesländer Niederösterreich und Steiermark. Der Semmering ist kein Berg, sondern die Bezeichnung bezieht sich nur auf die Einsattelung zwischen dem Pinkenkogel und dem Hirschenkogel. Es gibt zwar einen Semmeringkogel, der aber nur eine Rückfallkuppe des Pinkenkogels ist. Der Semmeringkogel wird auch Kartnerkogel genannt.
Räumlich gesehen liegt der Semmering am Übergang der Ostalpen zum Tiefland des Wiener Beckens, dessen südlicher Teil Steinfeld genannt wird. Das Wiener Becken ist wieder ein Teil der ungarischen oder pannonischen Tiefebene (Karpatenbecken).
Südlich des Passes beginnt der sogenannte "Schräge Durchgang", ein tektonisch bedingtes Talsystem, das die kürzeste Verbindung des Wiener Raumes mit dem adriatischen Raum darstellt. Diesem fast geradlinig verlaufenden "Schrägen Durchgang" verdankt der Semmering seine Bedeutung als Verkehrsweg, die vor allem seit dem 12. Jahrhundert ständig und seit dem Interesse der österreichischen Herrscher am oberitalienischen Raum soweit zunahm, daß der Übergang nach dem Brennerpaß die wichtigste Verbindung von Nord und Süd im Ostalpenraum darstellte. Es ist daher nicht verwunderlich, daß über diesen Paß schon sehr früh eine Kunststraße und dann die erste Gebirgsbahn Europas gebaut wurden.
Das Semmeringgebiet ist ein sehr bergiges Gebiet, das von den höchsten Bergen des Bundeslandes Niederösterreich begrenzt wird. Im Norden finden wir den Schneeberg (2075 m) mit seinen vorgelagerten Vorbergen, im Westen erhebt sich der langgezogene Kalkstock der Raxalpe, dessen höchste Erhebung, die Heukuppe (2009 m), an der Grenze zur Steiermark liegt. Schon auf steirischem Gebiet folgen die Schneealpe und südlich davon die Veitschalpe. Im Süden finden wir den langgestreckten Zentralalpenzug der Fischbacher Alpen, deren höchste Erhebung das Stuhleck bei Spital am Semmering ist (1783 m). Im Osten begrenzt der ausgedehnte Wechselstock das Semmeringgebiet. Seine höchste Erhebung ist der Hochwechsel mit einer Höhe von 1743 m.
Zwischen diesen mächtigen Gebirgsstöcken liegt die Semmeringgruppe. Eine Reihe von etwas niedrigeren Bergen bildet dieses etwa 400 Quadratkilometer große Gebiet. Nur im Nordosten dringt das Steinfeld bis nahe an das Gebirge heran. Ihr südlichster Ausläufer ist die Gloggnitzer Bucht.
Aber schon gleich dahinter erheben sich die ersten Schroffen des aufsteigenden Gebirges. Im Südwesten schließt das Mürztal an, das seine Entstehung einer tektonischen Bruchlinie verdankt.
Der geologische Bau des Semmeringgebietes ist sehr kompliziert. Eine sehr vereinfachte Darstellung lautet: im Norden befindet sich die nördliche Kalkalpenzone, daran schließt die Grauwackenzone und schließlich die Zentralalpen. Zur Kalkalpenzone gehören Schneealpe, Rax und Schneeberg. Die schmale, aber erzreiche Grauwackenzone umfaßt die Berge des Preintales und entlang des Schwarzaflusses. Der Semmeringpaß liegt in einem Gebiet, das am Übergang vom Erdaltertum zum Erdmittelalter (unterostalpine-permotriadische Phase) entstand. Die Berge der Fischbacher Alpen bestehen aus Grobgneisen des sogenannten Unterostalpins, während die Wechselgruppe noch etwas älter ist. Das Bergbaumuseum in Reichenau zeigt in anschaulicher Form den Aufbau des Semmeringgebietes. Zu den bedeutendsten Bergen des Semmeringgebietes gehören im westlichen Teil der Drahtekogel (1565 m), die Große Scheibe (1473 m), die Kampalpe (1535 m), die Ochnerhöhe (1397 m) und der Pinkenkogel (1291 m), der den westlichen Eckpfeiler des Passes bildet. Östlich des Passes liegen der Hirschenkogel (1318 m), der Dürr-Riegel, der Erzkogel (1501 m), der Sonnwendstein (1523 m), der Alpkogel (1418 m) und die Ottergruppe mit der höchsten Erhebung, dem 1356 m hohen Großen Otter. Weiter östlich geht das Bergland schon mehr in das geografisch zum Wechselgebiet gehörige Wechselvorland über. Eckpunkt des Semmeringgebietes ist der bei Gloggnitz gelegene 906 m hohe Raachberg.
Das Semmeringgebiet wird von zwei größeren Flußsystemen entwässert. Im Süden ist die Mürz, die schließlich bei Bruck in die Mur mündet. Die größten Nebenflüsse der Mürz aus dem Semmeringgebiet sind der Fröschnitz und der Raxenbach. Der Fröschnitzbach zieht vom Feistritzsattel herab und bildet ab Steinhaus den "Schrägen Durchgang". Im Norden wird das Semmeringgebiet durch die Schwarza entwässert, die sich bei Pitten mit der Pitten vereinigt und ab dort Leitha heißt und in die Donau fließt. Die wichtigsten Nebenflüsse sind der Preinbach, der Auebach (Weißenbach) und der zur Pitten fließende Trattenbach (Feistritzbach).
Das Klima:
Als wahres Sonnenland erweisen sich die Südhänge der großen Kalkalpenstöcke. Im Winter überragt das Gebiet durch das Phänomen der Temperaturumkehr die kalten Beckenlandschaften der Umgebung. Ein Vergleich der Sonnentage von Wien und dem Semmering zeigt diesen Unterschied deutlich auf:
| Winter | Frühling | Sommer | Herbst |
Wien | 7,9 | 12,4 | 17,6 | 14,4 |
Semmering | 24,6 | 19,3 | 19,5 | 27,6 |
Im Winter und Herbst liegt die Bundeshauptstadt oft in einer dichten, feuchtkalten Nebelschicht, während auf dem Semmering und in seiner Umgebung warmes, wolkenloses Wetter herrscht. Der Semmering wird deshalb auch oft das "Davos Österreichs" genannt. Es ist bemerkenswert, daß im Semmeringgebiet die wärmeliebende Edelkastanie vorkommt. Ebene und Gebirge zeigen eigenartige Erscheinungen der Windzirkulation. Den Winter hindurch wehen "Ausstrahlungswinde" gegen die Ebene. Im Sommer machen sich diese nur morgens und abends bemerkbar, während am Nachmittag der Luftstrom talaufwärts zieht.
Als Wintersportort ist der Semmering außerordentlich begünstigt. Die Zahl der Schneetage beträgt in Neunkirchen 31,8, in Reichenau 43,1, in Schwarzau 47,2 und am Semmering 78 Tage. Im Durchschnitt hält die Schneedecke von Dezember bis März durchgehend an. Die Höhen der Gebirge vermag der Frühling aber erst im Juni erreichen. Der Sommer bringt dem Gebiet oft heftige Gewitter, die jedoch nur kurz andauern und einem heißen Sommertag die erfrischende Kühle bringen.
Das Semmeringgebiet ist durchwegs mit Nadelwald bestanden. Grüne Almen sind überall zu sehen. Nur in einigen Übergangszonen findet man Laubwald bzw. Mischkulturen. Vorherrschender Nadelbaum ist die Fichte, gefolgt von der Föhre. Die günstige Lage und das günstige Klima bewirken auch das Gedeihen von Pflanzen, die sonst südlichere Gefilde gewöhnt sind. Vom Mittelalter an bis um die Zeit um 1800 wurde an den Hängen des Reichenauer Tales auch Weinbau betrieben. Die Höhen sind mit ausgedehnten Blumenwiesen bedeckt. Man findet fast alle Gewächse, die für die Kalkalpen, die Grauwackenzone und für das Urgestein des Zentralalpengebietes typisch sind.
Die Tierwelt des Semmerings ist der anderer alpiner Gebiete Osterreichs vergleichbar. Erwähnenswert ist das Rotwild und die relativ hohe Zahl von Gemsen. Die Gewässer sind wegen ihres Forellenreichtums bekannt.