Bauten, Daten und Technik zur Zeit der Erbauung
Was die Bauweise der gewölbten Viadukte und Tunnels betrifft, so wird im allgemeinen bemerkt, daß die Gewölbe aller vor der Station Semmering befindlichen Viadukte in Ziegelmauerwerk, die Pfeiler und Widerlager bis zur Sockelhöhe zumeist aus Hausteinen mit Quaderverkleidung, über dem Sockel jedoch aus Ziegeln ausgeführt sind, während die in der Strecke Semmering - Mürzzuschlag befindlichen Viadukte ganz aus Hausteinen oder Quadern bestehen. Sämtliche Viadukte besitzen massive, aus Quadern, Ziegeln oder aus Hausteinen bestehende Parapettmauern, welche mit Steinplatten gedeckt sind. Zur Erhöhung der Tragfähigkeit einzelner Mauerwerksanlagen wurden Pfahl- oder Schwellenroste sowie fest zusammengefügte Holzböden aus starken Eichen- oder Lärchenpfosten als Unterlagen verwendet. Pfahlroste wurden ausgeführt bei vier Mittelpfeilern des Viaduktes über den Adlitzgraben und bei allen Fundamenten des Fröschnitzbach-Viaduktes. Schwellenroste und Pfostenböden wurden eingelegt bei einzelnen Pfeilern der Viadukte über den Adlitzgraben sowie bei den Viadukten nächst Steinhaus und Jauern.
Die Tunnels sind größtenteils mit Ziegelmauerwerk ausgemauert, nur bei einzelnen sind die Widerlager aus Hausteinen hergestellt. Als Fundament der Widerlagsmauern wurden Quadern, sogenannte Fußsteine verwendet. Die Gewölbekränze und Gesimse der Tunnelportale bestehen aus Quadern, die Aufmauerung über den Gewölben und Portalflügeln teils aus Hausteinen, teils aus Bruchsteinen. Im Weinzettlfeld-Tunnel, der teilweise in einem von Tonadern durchzogenen Gestein liegt, wurde zwischen den Fundamentquadern auf einer Länge von 71 m ein Sohlengewölbe eingezogen.
Die angeführten Viadukte geben eine Gesamtlänge von 1477 m und die im Zuge der Linie befindlichen 15 Tunnels eine solchevon 4533 m. Außer diesen größeren Bauobjekten wurden noch 118 gewölbte Brücken von 2 - 15 m Spannweite und 11 Brücken mit Eisenkonstruktionen mit den Spannweiten von 2 - 10 m erbaut. Die Gesamtlänge der ausgeführten Wand- und Stützmauern beträgt 13 km. Das gesamte aufgewendete Mauerwerk beläuft sich auf 610,53 m³ d.i. ca. 14,5 m³ pro Kilometer Strecke. Diese außergewöhnlich hohe Ziffer der Mauerwerksanlagen haben der Bahn den Namen der "gemauerten Eisenbahn" eingebracht. Zur weiteren Charakteristik der vollbrachten Leistungen beim Baue dieser großartigen Gebirgsbahn mögen noch die nachstehenden Daten angeführt werden:
Die bewegte Erdmasse betrug 2,019.000 m³ und das durch Sprengung beseitigte Felsgestein 1,387.600 m³.
Dank der äußerst soliden und kunstgerechten Ausführung aller Bauwerke ist der Bauzustand derselben noch heute nach einem intensiven 125jährigen Betrieb - ganz ausgezeichnet, wenn auch einige Reparaturarbeiten durchgeführt werden mußten. Bei einzelnen Viadukten und Tunnels waren im Laufe der Zeit zur Verhütung der beginnenden Verwitterung einzelner Ziegelmauerwerkspartien verhältnismäßig geringfügige Reparaturarbeiten notwendig geworden, die in der Auswechslung der schadhaften Ziegel gegen Quader- oder künstliche Betonsteine bestanden. Derartige Arbeiten wurden bei einem Gewölbsbogen des Schwarza-, bei drei Bogen des Gamperlviaduktes ferner im Weinzettlfeld- und im Semmeringer Haupttunnel vorgenommen. Der Oberbau wurde mit Rücksicht auf die kühnen Steigungs- und Richtungsverhältnisse der Bahn sowie in Anbetracht der Verwendung schwerer Gebirgslokomotiven in besonders solider Weise ausgeführt. Die kräftigen Eisenschienen, im Gewicht von 42,5 kg pro Laufmeter, hatten eine Länge von 5.688 m und waren von sieben, mit je zwei eisernen Unterlagsplatten versehenen Querschwellen in einer durchschnittlichen Entfernung von 0,95 m unterstützt. Unter diesen Querschwellen wurden noch Langschwellen eingezogen. Die Verbindung der Schienen untereinander wurde durch Flachlaschen mit vier Schraubenbolzen bewerkstelligt und das war als sogenannter fester Stoß ausgebildet. Zur sicheren Lagerung dieses Holzrostes wurde geschlegelter Schotter verwendet, welcher nicht direkt auf dem angeschütteten oder abgegebenen Boden, sondern auf eine solide Steinunterlage gebettet und durch beiderseitige Bankettmauern abgeschlossen wurde.
Obwohl sich der damalige Oberbau bewährt hatte, gab die fortschreitende Erkenntnis der Wirkungsweise der Schienen und deren Konstruktion Veranlassung zur rationelleren Ausbildung des Profiles und Einführung neuer Oberbausysteme. So wurde im Jahre 1869 das ursprüngliche, mit VI bezeichnete Oberbausystem durch das System VII, vorerst mit Eisenschienen, später mit Stahlschienen, ersetzt, wobei durch eine nähere Aneinanderreihung der Querschwellen die bisher verwendeten Langschwellen entbehrlich wurden. Der weitere Fortschritt in gleicher Richtung führte im Jahre 1881 zu dem lange Zeit gebräuchlichen Oberbausystem X, dessen Stahlschiene bei größerer Tragfähigkeit ein Gewicht von nur 34 kg pro Laufmeter besitzt. Die Länge dieser Schienen, ursprünglich mit 7,5 m festgesetzt, konnte dank der verbesserten Hüttentechnik auf 10 und schließlich auf 12,5 m vergrößert werden.
Auch die Schienenunterlagen erfuhren eine stetige Vermehrung, gleicherweise erfuhren die Verlaschungen der Schienen und deren Befestigungsmittel auf den Holzschwellen mannigfach Verbesserungen, indem einerseits von den ursprünglichen Flachlaschen unter Anwendung des schwebenden Stoßes auf Winkellaschen von stets zunehmender Länge und Stärke übergegangen wurde, andererseits auf allen Querschwellen größere und stärkere Eisenunterlagsplatten eingezogen wurden. Besondere Sorgfalt wurde den in scharfen Bögen gelegenen Geleisen zugewendet, indem durch Anwendung einer besonderen Art von Eisenunterlagsplatten, den sogenannten Spannplatten, eine erhöhte Sicherheit in der Schienenbefestigung erzielt und das schädliche Wandern der Schienen verhütet wurde.
Die Gleisanlagen in den einzelnen Stationen haben mit dem von Jahr zu Jahr zunehmenden Verkehr entsprechende Erweiterungen erfahren. Erst vor wenigen Jahrzehnten wurden insbesondere in den Stationen Gloggnitz und Mürzzuschlag bedeutende Erweiterungsbauten vorgenommen, sodaß für die Abwicklung des regen Verkehres in bester Weise vorgesorgt ist. Die Hochbauten in den Stationen und auf der Strecke wurden größtenteils aus Bruchsteinen in strenger Einfachheit ausgeführt. Ihrer soliden Ausführung und zweckmäßigen Anordnung ist es zu danken, daß noch die meisten Gebäude ohne Vornahme wesentlicher Reparaturen, Vergrößerungen oder Änderungen allen Ansprüchen voll genügen. Nur in den Stationen Payerbach und Semmering hat die außergewöhnlich große Steigerung des Personenverkehres die Notwendigkeit für besondere Vorkehrungen ergeben, und zwar wurde in der erstgenannten Station ein neues Aufnahmsgebäude errichtet und in der Station Semmering das bestehende in umfangreicher Weise erweitert. Der sich von Jahr zu Jahr steigernde Touristenverkehr bedingt auch die Einrichtung der Haltestellen Küb und Wolfsbergkogel. Die für die Wasserbeschaffung in den Stationen Gloggnitz, Payerbach, Eichberg, Klamm, Breitenstein, Spital und Mürzzuschlag in der Bauzeit hergestellten Einrichtungen haben sich für die Bewältigung des Verkehres als vollkommen ausreichend erwiesen, sodaß nur einzelne, unwesentliche Verbesserungen und Vervollkommnungen der Anlagen im Laufe der Zeit vorgenommen werden mußten.
Zur Avisierung und Sicherung des Zugsverkehres dienten nebst den Bainschen Telegrafen die auf der Strecke in kurzen Abständen (auf Sehweite) aufgestellten zweiarmigen Mastsignale (optischer Telegraf) und bei den Tunnels noch separate Glockenzüge, Mittel, durch welche die Verständigung zwischen den Stationen, den Streckenwächtern und den Zugsbegleitorganen erfolgte. Gleich nach Eröffnung der Semmeringbahn wurden auch die durchlaufenden elektromagnetischen Glockensignale eingeführt, welche im Prinzip noch lange in Verwendung waren. Im Jahre 1860 kamen außerdem die Stationsdeckungssignale (Distanzsignale) zur Anwendung, während im Jahre 1862 die Streckenmastsignale aufgelassen wurden. Anschließend wurden neue Blockapparate und Weichenversicherungsanlagen verwendet; sie zählten mit den Morseschen Telegrafen und mit den neuen Glockensignalapparaten zu den besten ihrer Art.