Die Strecke

Der Streckenverlauf der Ödenburg - Wiener Neustädter Eisenbahn. Heute teilweise auf ungarischem Gebiet.
Streckenarbeiter bei Ödenburg. (Ölbild von De la Pietra Steiner)
Der Einschnitt westlich des Viaduktes von Mattersburg. Wegen eines im Sommer 1847 vor der Streckeneröffnung erfolgten Erdrutsches entstanden hier Überkosten.

Innerhalb von zwei Jahren, vom Frühjahr 1845 bis Sommer 1847 wurde die 31,9 km lange Strecke zwischen Wiener Neustadt und Ödenburg errichtet. Die Bahn ging vom südlichen Ende des Bahnhofes Wiener Neustadt aus, bog sogleich nach Osten und erreichte kurz nach der Bahnstation Katzelsdorf an der Leithaüberbrückung die damalige Grenze zwischen Österreich und Ungarn. Bis zum Übergang blieb die Bahn im Besitz der Wien-Gloggnitzer Bahn und wurde auch von ihr gebaut.~4 Von der Leithabrücke an gehörten die restlichen 28,3 km der neugegründeten Ödenburg Wiener Neustädter Bahn und wurden auf deren Kosten gebaut. Aber bereits während der Bauarbeiten wurde beschlossen, daß der Betrieb der Ödenburger Bahn der Gloggnitzer Eisenbahn zu übertragen sei. Zu den diesbezüglichen Verhandlungen mit der Gloggnitzer Bahn wurde die Direktion der Ödenburg-Wiener Neustädter Bahn von ihrer am 5. 3.1846 abgehaltenen zweiten Generalversammlung ermächtigt. Obwohl beide Bahngesellschaften zum Sina'schen Bankenkonsortium gehörten, verliefen die Verhandlungen nicht reibungslos.

Der Bahnkörper verläuft von der Grenze zu Ungarn südlich von Neudörfl, dann in einem Einschnitt in Richtung Sauerbrunn. Weiter am Fuß des Rosalien-Gebirges über kleinere Bahndämme und mittels Einschnitten zwischen Sigleß und Wiesen gelangt er nach einem Gefälle von 10,5‰, welches das steilste Stück der Strecke ist, nach Mattersdorf. Kurz vor dem Viadukt, in einer Rechtskurve, führt die Bahn durch einen Einschnitt (Abb.4), dessen Erdrutsche kurz vor der Eröffnung im Sommer 1847 schwere Schäden anrichteten. Den großen Viadukt müssen wir besonders würdigen. Der Bahnhof Mattersdorf ist der größte auf der Strecke. Von Mattersdorf weiterführend überwindet die Bahn den kleinen Hügelrücken zwischen dem Wulka- und dem Ikvatal, berührt die Bahnstationen von Marz und Rohrbach sowie von Loipersbach und Schattendorf. Hier überbrückt sie im Bahohofsbereich den Tauscherbach mit einem einzigen Ziegelgewölbe und erreicht bald den Ort Agendorf, von wo aus sie sich in ständigem Gefälle Richtung Ödenburg senkt, welches am Anfang der kleinen ungarischen Tiefebene am Fuße des Ödenburger Gebirges liegt. Die Bahn überquert die Agendorfer Landstraße vor dem malerisch gelegenen Ort Wandorf (heute ein Teil von Sopron) mittels einer zweibögigen gewölbten Brücke und erreicht den Bahnhof Ödenburg, welcher am äußerst westlichen Stadtrand angelegt wurde. Von hier aus hat man noch fast 2 km bis zur Innenstadt zurückzulegen. Mit ein Grund, weswegen am Bahnhofsvorplatz ein bahneigenes Restaurationsgebäude errichtet wurde. Der Standort des Bahnhofes wurde so ausgelegt, daß die Eisenbahn ohne Hindernisse in Richtung Steinamanger und Nagykanizsa weitergeführt werden konnte. Tatsächlich wurden die weiteren Vermessungen bereits vor dem Abschluß unseres Bahnbaues vollzogen, zum Bau kam es aber erst 18 Jahre später.

Im Laufe der seit dem Bau vergangenen 150 Jahre wurde - außer der kurzlebigen (1950-70) und eigentlich nicht notwendigen Haltestelle bei der Eisengießerei in Ödenburg - keine zusätzliche Haltestelle eingelegt. Dies ist ein vorzügliches Zeugnis für die gute Streckenführung, hatte man doch auf der gewählten Route allen Ansprüchen und Möglichkeiten zum Erschließen der Anrainergemeinden entsprochen.

Nach dieser kurzen Streckenübersicht wenden wir uns jetzt den angelegten Bahnstationen zu. Am 1. Jänner 1859 wurde die Südbahn durch Vereinigung mehrerer bestehender und im Bau befindlicher oder geplanter Eisenbahnen gegründet. Die bestehenden Anlagen wurden quasi eingegliedert. Aus diesem Anlaß dürften die Bahnhöfe der von der Südlichen Staatsbahn übernommenen früheren Ödenburg-Wiener Neustädter Eisenbahn vermessen, aufgezeichnet und mit dem Vermerk " Von der k.k. priv. Südbahn-Gesellschaft übernommen" versehen worden sein. Da aber in der "Vermessung" des Wiener Neustädter Bahnhofes die 1847 gebaute Ausfahrt nach Ödenburg 1859 noch nicht eingetragen war (!), kann man mit Recht vermuten, daß der Einfachheit wegen alle Bahnhofsrisse nur Kopien von alten Zeichnungen sind.

Die Bahn war durchwegs mit zweigleisigen Unterbau errichtet, es wurde aber vorerst nur ein Gleis verlegt, und dabei blieb es auch bis zum heutigen Tag. Es sei vermerkt, daß die Wien-Gloggnitzer Strecke von Anfang an zweigleisig ausgebaut war und man auch bei einem für heutige Verhältnisse geringen Verkehr die Kosten des Doppelgleises allgemein nicht scheute.

Das praktische Ausführen eines doppelgleisigen Ausbaues der Ödenburger Abzweigung deutet auf eine erwartete Verkehrssteigerung hin, welche auch mit der erwogenen Weiterführung nach Süden in Zusammenhang stand. Eine technische Neuerung, welche in Österreich-Ungarn hier erstmals angewendet wurde, waren die querliegenden Holzschwellen unter den Schienen, anstelle der vorher allgemein verwendeten Langschwellen, oder den unterstützenden Steinplatten. Diese Neuerung ist wahrscheinlich ebenso auf die Erfahrungen des Ingenieur Schönerers von seiner Amerikareise zurückzuführen, wie die Änderungen der Streckenführung, womit eine größere Steigung (um 10‰) und engere Gleiskrümmungen (bis zu 500 m) angewendet wurden. Die Schienen für die Strecke wurden vom Wolfsberger Eisenwerk aus Kärnten geliefert, ihr Gewicht betrug 15 Pfund/Meter, ihre Längen waren zwischen 12-17,5 Fuß unterschiedlich. Erst Ende 1846 wurden die Schienen geliefert, und danach die Gleise verlegt.

Wir verdanken den Forschungen und Veröffentlichungen von Hans Hahnenkamp die Liste der Bauunternehmer. Mit den Erdarbeiten waren im ersten Streckenabschnitt M. Pröll und M. Hablitschek beauftragt, im zweiten A. Galistl. Maurerarbeiten wurden an den Maurermeister J. Handler, Zimmermannsarbeiten an F. Schneider, Steinmetzarbeiten an J. Mechle, alle Ödenburger, vergeben. Auch die Lieferanten der Rost und Pilotenhölzer, der Werksteine, Bruchsteine und der Ziegel sind bekannt.45 Es wurden besonders für die Erdarbeiten, welche die meisten Handwerker erforderten, Arbeitskräfte aus Böhmen angeworben. Zeitweise betrug die Zahl über Tausend, um das Bauwerk mit 32 km Streckenlänge mit den Kunst- und Hochbauten in zwei Jahren fertigzustellen.

Die Aufnahmsgebäude der Stationen waren zweigeschoßige Bauten mit drei Fensterachsen und mit einem Walmdach, im Grundriß fast quadratisch. Nur Ödenburg bekam einen stattlicheren Bau mit 5 Fensterachsen. Alle etwa 1,5 km war ein Wärterhaus an der Strecke angelegt, insgesamt 17. In etwas abgeänderter Form überlebten drei bis heute.