Der Betrieb auf der Wiener Neustädter - Ödenburger Eisenbahnlinie von 1847 bis 1914

Dampflokomotive der Reihe 32c der Südbahngesellschaft.

Von Gyula Lovas, Sopron, aus dem ungarischen übersetzt von Josef Hochwarter, Jennerdorf.

Die Bauarbeiten an der Eisenbahnlinie Wiener Neustadt-Ödenburg (Sopron) waren im Sommer 1847 schon so weit fortgeschritten, daß am 7. August die Lokomotive " Velm " mit einem Personenwagen die Bahn entlangfuhr: dies war die technische Überprüfung der Linie.

Nach zweimaliger Abänderung des Zeitpunktes wurde schließlich am 20. August 1847 die Linie mit einer dem Anlaß entsprechenden Festlichkeit eröffnet. Den aus Wien in Fahrt gesetzten Festzug zogen die Lokomotiven " Velm " und "Wieselburg"; den ankommenden Gästen brachte ein Sonderzug aus Ödenburg die angesehenen Persönlichkeiten der Stadt sowie des Komitates entgegen. Vor der Mattersdorfer (ab 1924 Mattersburg) Station empfing den Zug mit den Eröffnungsgästen auf dem Viadukt ein Triumphbogen mit dem darauf zu lesenden Begrüßungsvers:

"Lauf willkommen hehrer Dampfer
In das Ungarland herein,
Unvergesslich, wie die Werke
Sollen Ihre Schöpfer sein."

In der Mattersdorfer Station stiegen die Gäste aus und bestaunten das bedeutendste Objekt der Bahnlinie, den gewaltigen Viadukt. Den Sonderzug wiederum begrüßte Kanonendonner von der Burg Forchtenstein, und in die Station Ödenburg fuhr der Zug unter Böllerschüssen ein. Die Gäste wurden mit militärischen Ehren willkommen geheißen.

Im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten segnete der Bischof von Raab (Györ) die neue Bahnlinie. Danach begaben sich die Feiernden in den nahen Neuhof wohin die Repräsentanten der Ödenburger Direktion die zahlreich erschienenen Gäste zu Tische geladen hatten. Der Sonderzug mit den aus Wien bzw. Wiener Neustadt eingetroffenen Gästen kehrte am späten Nachmittag wieder zurück.

Über die Eröffnung der neuen Bahnlinie Wiener Neustadt-Ödenburg berichteten die ungarischen wie auch die Wiener Blätter in ausführlichen Artikeln.

Den Betrieb sowie die Erhaltung der Bahnlinie übernahm gemäß dem am 27. Juli 1847 geschlossenen Vertrag die Wien-Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft, wovon die Ödenburger Direktion der Eisenbahngesellschaft lange vorher schon die Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt hatte.

Die W.G.E. versah den Betrieb der neuen Linie mit eigenen Fahrzeugen sowie eigenem Personal und übte den Verkehr auf der eigenen Linie nach den schon Jahre vorher festgelegten Richtlinien aus.

Auf der Linie fungierten die Stationen Wiener Neustadt, Mattersdorf und Ödenburg als Hauptstationen; in diesen versah, nach heutigem Sprachgebrauch, ein Fahrdienstleiter den Dienst, in den übrigen Stationen lediglich ein Aufsichtshabender- Kassier - sowie ein Stationsdiener.

Entlang der neuen Linie wurden acht Bahnstationen sowie eine Haltestelle gebaut. Dazwischen standen 17 Wächterhäuschen bzw. noch einige Signalbuden provisorischer Art.

Nach der Eröffnung verkehrten auf der Linie täglich zwei Zugspaare, dazu kam an Ödenburger Wochenmarkttagen noch ein Zugspaar. Die zwei ständig eingesetzten Zugspaare verkehrten nach einem Fahrplan, der auch den Güterverkehr auf der Linie und die dazu erforderlichen Verschubarbeiten dieser Züge berücksichtigte. Das waren also gemischte Züge. Der Fahrplan der Züge wurde so zusammengestellt, daß auf der Linie zwischen den Endstationen Wiener Neustadt und Ödenburg jeweils nur ein Zug verkehrte. So kam es zwischen den beiden Endstationen zu keinen Zugsbegegnungen. Dazu bot sich jedoch in der Station Mattersdorf schon eine Gelegenheit, nachdem dort dafür vier zur Verkehrsabwicklung zu benützende Geleise gesetzt wurden und dort auch ein zur Wasserübernahme für die Lokomotive geeignetes Heizhaus gegenüber dem Aufnahmegebäude zur Verfügung stand.

Zu Beginn des Betriebes der Linie und in den folgenden Jahren bestand zwischen den Stationen und den Dienstplätzen entlang der Linie keine Fernmeldeeinrichtung. So war das Rückgrat der Verkehrsabwicklung, das Unterpfand des unfallfreien Verkehrs, einzig der fahrplanmäßige Zugsverkehr. Daneben bestand jedoch eine Art Signalsystem, mit dem die Bahnstationen und Dienstplätze entlang der Linie den Zugsverkehr anzeigende Signale geben konnten. Damit brachte man einen Verständigungsmodus zustande. Dies geschah tagsüber vermutlich durch das Anbringen von Signalscheiben, in der Dunkelheit oder bei anderer Sichtbehinderung durch Lichtsignale. Aufgabe dieses Systems war, neben der Verständigung über den Zugsverkehr, auch im Falle irgendwelcher Versäumnisse, den Gegenverkehr auf demselben Geleise zu verhindern.

Dieses System, mit dem von der Station zum Wächterhaus, und so sich fortsetzend zu den Dienstplätzen weitergegebenen Signalen und der Quittierung ihrer Annahme, erwies sich letztlich als ungenügend. Deshalb stieß am 28. Oktober 1847 unmittelbar vor der Station Ödenburg die von Wien in Richtung Ödenburg fahrende gemischte Garnitur mit dem ihr entgegengesandten Hilfszug zusammen. Folge der Kollision waren ein beträchtlicher materieller Schaden sowie mehrere Verletzte. Die Begleitung der von Wien sich nähernden gemischten Garnitur bat wegen des bedenklichen Gleiszustandes schon am Nachmittag um eine Hilfslokomotive aus Ödenburg, da sie meinte, die Strecke in der Nähe der Station Rohrbach-Marz werde durch den fortwährenden Regen unpassierbar sein, und man die Fahrgäste über die gefährliche Stelle hinweg in den Hilfszug wird umsteigen lassen müssen. Am Abend an der gefährlichen Stelle angekommen, stellte man fest, daß diese ohne weiteres passierbar sei. Nachdem vom Hilfszug noch keine Verständigung eingetroffen war, signalisierte man die gemischte Garnitur gegen Ödenburg zu und setzte sie vorsichtig in Bewegung. Das Signal der Annäherung der gemischten Garnitur kam auch bis zum Wächterhaus Nr. 16. Der im zweiten Wächterhaus vor Ödenburg Dienst versehende Eisenbahner nahm jedoch sowohl das Signal dieses Zuges als auch jenes des Ödenburger Hilfszuges nicht wahr. So geschah in der Nähe dieses Wächterhauses der Zusammenstoß.

Vermutlich als Folge dieses Unglücks entwickelte man das Signalsystem weiter und brachte in den einzelnen Stationen und Dienststellen an der Strecke an hohen Masten hochzuziehende Ballons an. Die Wächterhäuser hatte man schon beim Streckenausbau so neben den Geleisen aufgebaut, daß der darin Dienst versehende Eisenbahner seine Nachbar-Wächterhäuser und die von ihnen zu gebenden Signale sehen konnte. Gleichzeitig brachte man Signalwächterbuden provisorischer Art mit daneben aufgestellten Signalmasten an, um damit die Signalbeobachtung weiter zu verbessern.

Die Ballons waren rot angemalt. Wenn eine Zugmaschine betriebsuntauglich wurde und eine Hilfsmaschine kommen sollte, mußte der Oberkondukteur des Zuges den nächsten Wächter beauftragen, sein Ballonsignal in die Höhe zu ziehen, was sodann jeder folgende Wächter sogleich nachzuahmen hatte. Die Wächter hasten ihre Blicke möglichst oft nach den Ballonstangen ihrer Nachbarn rechts und links zu richten. Auf der Ödenburger Bahn waren die Hilfssignale zwischen Neustadt und Mattersdorf nach Neustadt, zwischen Mattersdorf und Ödenburg nach Ödenburg zu geben, denn Hilfsmaschinen waren in Ödenburg und in Neustadt stationiert.

Bei Nacht haste der betreffende Wächter auf Auftrag seine Pechfackel sogleich anzubrennen und hin und her zu bewegen, bis dasselbe vom nächsten Wächter befolgt wurde. Sodann ist die brennende Fackel ruhig zu halten und nicht früher auszulöschen, bis die erwartete Hilfsmaschine vorbeifährt.

In dem neuen, 1850 ausgegebenen, für die Ödenburg-Wiener Neustädter Bahn gültigen Signalbereich wurde auch strengstens verboten, gegen eine verlangte Hilfsmaschine die Fahrt fortzusetzen: der Zug mußte sie jedenfalls erwarten.
In der am 3. Dezember 1847 abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung der Wiener Neustadt-Ödenburger Eisenbahngesellschaft wurde über die bis dahin erbrachten Leistungen sowie über die Frequenz der Bahn berichtet. Seit der Eröffnung der Bahnlinie bis zum 30. November 1847 wurden an 102 Betriebstagen 33.083 Personen befördert, was einen Tagesdurchschnitt von 324 Reisenden bedeutete. Dem in gedruckter Form erschienenen Protokoll dieser außerordentlichen Generalversammlung wurde eine detaillierte Verkehrsstatistik beigefügt. Daraus ist sofort zu erkennen, daß der Personenverkehr nach der Eröffnung bedeutend gesunken, der Güterverkehr dagegen leicht angewachsen ist.:


Zeitraum    Betriebs-    Beförderte    Beförderte    im Tagesdurchschnitt    Bruttoeinnahmen
    tage    Personen    Güter in q    bef. Pers. bef. Güter    insgesamt
20 - 31. VIII. 1847    11    6.289        571    3.097,1 6
1. - 30. IX.    30    11.812        393    6.167,05
1. - 31. X.    31    8.020    25.862    258     834    6.709,31
1. - 30. XI.    30    6.962    34.104    1232     1.137    6.853,03

Vizegespan Rohonczy beruhigte in der Generalversammlung in seiner Mitteilung allerdings die Aktionäre mit dem Hinweis, daß die Eröffnung der Bahn auf den Ödenburger Getreidemarkt belebend gewirkt habe und stellte in Aussicht, daß dies bald auch auf die Frequenz der Bahn sich günstig auswirken werde. Vorläufig war dies jedoch noch nicht feststellbar. Im Jänner des Jahres 1848 beförderte die Bahn 5.543 Fahrgäste sowie 32.509 q Güter und erzielte daraus 5.543 Gulden an Bruttoeinnahmen. Dies bedeutete gegenüber den Angaben vom November eine Minderung.

Zwar besserte sich der Verkehr im Frühling auf der Linie, doch wirkten sich die Ereignisse der Jahre 1848 /49 auf die Geschäftstätigkeit der jungen Bahnlinie sehr ungünstig aus.

Schon im Frühjahr 1848 stand der Betrieb der Wiener Neustadt-Ödenburger Linie still. Allerdings kam es nicht wegen der Kämpfe dazu, obwohl auch damals schon bedeutende militärische Kräfte der Bahn entlang verschoben wurden. Die eintägige Betriebsunterbrechung wurde durch die Bauernunruhen in Mattersdorf und Umgebung verursacht. Die Auszahlung der Ablösewerte der zum Bahnausbau in Anspruch genommenen Felder zog sich wegen unterschiedlicher Auseinandersetzungen gehörig in die Länge, und deshalb brachen am 10. April 1848 unter den Bauern von Mattersdorf und Umgebung Unruhen aus, wobei diese die durch die Bahnverwaltung gesetzten Grenzsteine herausrissen und die Bahngesellschaft bedrohten, nötigenfalls an der Strecke Zerstörungen vorzunehmen, wenn sie die Ablöse für ihre abgetretenen Grundstücke nicht bekämen.

Die Komitatsbehörde forderte zur Sicherung des Verkehrs Militär an. Die Anwesenheit einer großen Anzahl von eingetroffenen Soldaten brachte die Aufrührer zur Ruhe. Schließlich wurden die Mattersdorfer von der Komitatsbehörde zur Bezahlung einer ansehnlichen Schadenssumme verurteilt, wobei sowohl die Beförderungskosten der militärischen Einheiten als auch die im Zusammenhang mit den Unruhen stehenden Unkosten der Bahngesellschaft in Höhe von 527 Gulden 20 Kreuzer zu Lasten der Mattersdorfer gingen.

Die Ereignisse der Wiener Revolution beeinflußten zwar die Ödenburger Bahn nicht unmittelbar, doch fuhr der Nachmittagszug am 26. Mai 1848 von Ödenburg nicht ab. Dies bedeutete für die Bahngesellschaft nur einen unbedeutenden Schaden, wobei die Wiener Neustadt-Ödenburger Bahnlinie ausgesprochen militärische Aufgaben auch nicht zu erfüllen hatte. Als solche laßt sich auch nicht rechnen, wenn die Bahndirektion im Sommer 1848 anläßlich eines Konzertes, das für die Bürgerwehr organisiert worden war, den Mitwirkenden von Wien nach Ödenburg und retour die Fahrtspesen nicht bezahlen ließ. Näher zur militärischen Aufgabe rückt allerdings die Beförderung der Wiener Freiwilligen am 20. September 1848 auf dieser Bahnlinie nach Ödenburg. Diese österreichischen Jugendlichen rüstete man in Ödenburg aus, und auch ihre Ausbildung geschah zum Teil hier. Die österreichische Legion kämpfte im Freiheitskampf an der Seite der Honvedtruppen. Ebenso könnte man auf irgendeine Art als militärische Beförderung ansehen, als die alten Kanonen der Burg Forchtenstein auf dieser Linie nach Ödenburg gebracht wurden, in der Absicht, sie in der Verteidigung der Stadt einzusetzen.

Schweren Schaden bedeutete für die Bahngesellschaft der Herbst 1848, als infolge der militärischen Ereignisse die ungarischen Behörden die Grenzsperre zwischen Ungarn und Österreich verfügten. Deswegen trat im Bahnverkehr vom 31. Oktober bis zum 27. Dezember 1848 eine Pause ein. Am 16. Dezember 1848 besetzten kaiserliche Truppen Ödenburg und damit im Zusammenhang die westlichen Gebiete Ungarns. Rund um die Eisenbahn kam es allerdings zu keinen Kämpfen, und auch an den Anlagen geschah keine Zerstörung.

Das "Polytechnische Zentralblatt" faßte in seiner 3. Nummer des Jahres 1851 den Verkehr der Ödenburger Bahn von ihrer Eröffnung bis Ende August 1849 ausführlich zusammen:

Betriebszeitraum    Fahrgäste    Expressgepäck    Güterwaren    Wagen    Pferde    Hunde
20. VIII. 1847 - 14. X. 1848    111.072    7.548    444.556    71    71    143
28. XII. 1848 - 31. VIII. 1849    36.572    4.570    280.545    42    42    60
        147.644    12.118    725.101    113    113    203

Trotz dieses Rückganges war die Bahnlinie die ganze Zeit hindurch gewinnbringend, was durch den Güterverkehr gesichert werden konnte. Den unbedeutenden Gewinn jedoch übertrafen die bedeutenden Schulden der Gesellschaft. Gemäß dem "Polytechnischen Zentralblatt" machten die Baukosten der Bahn 2,299.921 Forint aus, demgegenüber zahlten die Aktionäre auf die Aufforderung der Gesellschaft hin nur 2,132.900 Forint ein. Zur Deckung des bestehenden Fehlbetrages nahm man auf Széchenyi Intervention von Georg Sina 153.132 Gulden Darlehen auf. Indessen blieben von den Baukosten auch so noch 13.889 Gulden offen, die die Gesellschaft aus den reinen Einnahmen zu decken hatte.
Der erste anläßlich der Eröffnung gültige Fahrplan der Wiener Neustadt-Ödenburger Bahnlinie ist uns noch nicht bekannt. Das Raaber Blatt "Hazánk" veröffentlichte ihn nicht, und in Ödenburg gab es damals noch kein Lokalblatt. Lediglich aus der im "Pesti Hírlap" erschienenen Verlautbarung wissen wir, daß bei der Eröffnung täglich zwei Zugspaare auf der Strecke verkehrten. Gemäß dieser Verlautbarung fuhren aus Wien täglich um 6 und um 17 Uhr, und aus Ödenburg um 7.30 sowie um 15 Uhr Züge ab. Zusätzlich war noch angekündigt, daß zu "günstiger Zeit" auch sonntags um 6 Uhr abends ein Personenzug aus Ödenburg abfährt. Darüber gelang es nicht, präzise und ausführliche Angaben zu finden. Es wäre interessant zu wissen, wann die Leitung der Bahn die Zeit als "günstig" befand.

Aus dem Protokoll des am 28. Oktober 1847 geschehenen Unglücks wissen wir, daß an Ödenburger Wochenmarkttagen auch ein in Ödenburg in den frühen Morgenstunden eintreffender Personenzug verkehrte. Das wird sicher eine Art "Marktzug" gewesen sein, der zur Beförderung der mit ihren Waren zum Wochenmarkt reisenden Personen in den Fahrplan eingefügt wurde.

Die Fahrpläne der Jahre 1848-1850 kennen wir nicht. Bekannt ist jedoch das gemeinsame Fahrplanbüchlein der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn und der Ödenburger Bahn. Dieses war bis 31. August gültig, entsprach also dem heutigen Sommerfahrplan. Gemäß dessen Angaben verkehrten auf der Strecke zwischen den Stationen Wiener Neustadt-Ödenburg zwei gemischte Zugspaare. Aus der im "Verordnungsblatt" vom Jahre 1850, Seite 234, erschienenen Bekanntmachung wissen wir aber auch, daß das zweite Zugspaar erst mit dem Monat Mai als Versuch eingeführt wurde und daß man dieses im Herbst wiederum absagte:

"...gemäß dem neuen Fahrplan der Wien-Gloggnitzer sowie der Ödenburg-Wiener Neustädter Bahn verkehren die Züge vom 1. September 1850 an zwischen Wiener Neustadt und Ödenburg nur an Montagen und Freitagen zweimal, an den übrigen Tagen nur einmal... ", teilte das Verordnungsblatt vom 12. September 1850 mit.

Zu den bisher besprochenen Verkehrs-Beförderungsleistungen konnte ich für die folgenden Zeitabschnitte nur mehr Teilergebnisse ermitteln:

Zeitabschnitt    Betriebstage    Reisende    Reisende    Einnahmen    Beförderte    Einnahmen
         täglich        täglich         Güter
November 1849    30    4.359    145    3.049 Ft.    19.394 q    1.825 Ft.
Dezember 1849    31    3.767    122    2.709 Ft.    26.039 q    2.200 Ft.
Jänner 1850    31    3.095    100    2.210 Ft.    28.698 q    2.339 Ft

Die Lage der Zugsfahrpläne hat sich gemäß der erhalten gebliebenen Fahrpläne im Laufe der Jahre sozusagen überhaupt nicht verändert. Der Reisende gelangte von Ödenburg in die Kaiserstadt etwa in 3½ - 4 Stunden; im großen und ganzen brauchte man ebensoviel Zeit zur Rückfahrt.

Gemäß den Angaben des Fahrplanes von 1850 verkehrten die Züge wie folgt:

Wien    6:00    16:00    --    --
Wr. Neustadt    8:30    18:30    7:30    15:30
Ödenburg    10:00    20:00    5:45    13:30

Das Fahrplanbüchlein verrät dem Interessenten zahlreiche Einzelheiten aus dem frühen Betriebszeitraum der Bahnlinie. Jenes aus dem Jahre 1850 informierte das reisende Publikum, daß die W.G.E. die einzelnen Wagenklassen ihrer Personenwagen mit einer der Fahrkarte entsprechenden Farbe versehen habe. Die erste Klasse war gelb, die zweite grün, die Seite der dritten Wagenklasse wie auch die entsprechende Fahrkarte waren braun gekennzeichnet. Diese unterschiedliche Bemalung ist zwar von den Eisenbahnwagen schon verschwunden, doch die Farbe der Fahrkarten bewahrt noch diese Tradition. Punkt 9 der Informationen für die Personenbeförderung gibt über die Ordnung bzw. die Vorkehrungen vor Abfahrt der Züge wertvolle Hinweise:

In den Hauptstationen der Bahn, so in Wiener Neustadt, Mattersdorf und Ödenburg waren auf dem Perron Glocken angebracht. Fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges wurde die Glocke angeschlagen, worauf der Kassier die Fahrkartenausgabe einstellte und die Reisenden verpflichtet waren, ihre Plätze einzunehmen. Auf das zweite Glockensignal hin wurden sowohl die Wagentüren als auch die Perrontüren geschlossen. Das dritte Glockenzeichen kündigte die Abfahrt des Zuges an.
In den ersten Jahren des Bahnbetriebes war noch für jeden Wagen des Zuges ein Schaffner zuständig. Nur so konnte man während der Fahrt die Wagentüren geschlossen halten. Also hatte jeder Wagen seinen "Chef". Die Gloggnitzer Bahn verordnete in einer für die Schaffner herausgegebenen Anweisung, daß sie mit Beendigung der Fahrscheinkontrolle sich stets auf der Einstiegsstufe aufzuhalten hätten. Sie waren verpflichtet, einander wie auch den Lokführer zu beobachten. So hielten sie während der Fahrt miteinander Kontakt. Die Gloggnitzer Bahn hatte Personenwagen nach amerikanischem System mit ziemlich breiten Stufen, wo der Schaffner während der Fahrt verhältnismäßig sicher stehen konnte. Später sperrte man jedoch die Wagentüren nicht mehr zu. In Frankreich nämlich fing infolge eines Zusammenstoßes ein vollbesetzter Personenzug Feuer; ein Teil der Reisenden konnte aus den brennenden Waggons nicht flüchten und verbrannte darin. Daraufhin ließen die Bahnen nacheinander vom Versperren der Wagentüren ab.

Geblieben sind jedoch noch lange in den Bahnhöfen und an Stationen die Perronglocken. An den kleinen Stationen, wo der Zug eben nur stehen blieb und nach dem Ein- und Aussteigen sich schon wieder in Bewegung setzte, gebrauchte man die Glocke davon abweichend. Sie sollte die Reisenden, die sich im Warteraum aufhielten, von der Annäherung des Zuges verständigen.

Punkt 12 des Fahrplanes erinnert ebenso an eine schon lange erloschene Praxis. Nach dessen Information hatte auch in den Stationen ausschließlich der Zugsführer die Abfahrt zu veranlassen, und zwar mit einem um den Hals hängenden Signalhorn. Danach war es nicht mehr erlaubt, in die Wagen ein- bzw. aus ihnen auszusteigen, konnte sich doch der Zug jeden Augenblick in Bewegung setzen. Der den Verkehrsdienst versehende Beamte war bei der Abfahrt nur anwesend und gab nur mündlich die Anweisung zur Abfahrt.

Wir kennen auch die wichtigsten Angaben des gültigen Fahrplans vom 1. Oktober 1851. Dessen Daten weichen nicht viel vom vorigen ab, lediglich der in der Früh aus Ödenburg abfahrende Zug fuhr zu einem für die Reisenden günstigeren Zeitpunkt ab:

Wien    7:15    17:00    -    -
Wr. Neustadt    9:15    19:00    8:15    15:30
Mattersdorf    10:00    19:45    7:00    14:15
Ödenburg     -    -    6:30    13:45

Im Betrieb der Ödenburger Bahn gab es 1853 eine bedeutende Veränderung. Die den Betrieb der Linie in einem Vertrag mit festgesetzten Auflagen bisher versehende Wien-Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft wurde durch die österreichische Regierung aufgelöst und deren Betrieb durch die "K. k. Südliche Staatseisenbahn" übernommen. Die nunmehr staatliche Bahn garantierte damit im Rahmen von Vereinbarungen die vorläufige Weiterführung des Betriebes der Bahnlinie zwischen Wiener Neustadt und Ödenburg aufgrund des früher mit der W.G.E. geschlossenen Vertrages. In der Beilage zur 68. Nummer des "Verordnungsblattes" vom Jahre 1853 erschien mit Gültigkeit vom 1. Oktober 1853 der Fahrplan der staatlichen Bahn und damit auch jener der Wiener Neustadt-Ödenburger Bahn.

Dieser Fahrplan ist der erste, der die Fahrplanangaben unserer Linie ausführlich aufzeigt:

Wien    7:15    17.30    10:03    17:18
Wiener Neustadt            8:28    15:36
Wiener Neustadt    9:20    19:30    8:03    15:18
Katzelsdorf    9:30    19:40    7:55    15:10
Neudörfl    9:35    19:45    7:50    15:05
Sauerbrunn    9:43    19:53    7:43    15:58
Wiesen-Sigleß    9:53    20:03    7:30    14:45
Mattersdorf    10:06    20:16    7:17    14:32
Marz-Rohrbach    10:14    20:24    7:07    14:22
Schattendorf    10:32    20:42    6:54    14:09
Agendorf    10:38    20:48    6:44    13:59
Ödenburg/Sopron    10:45    20:55    6:30    13:45
Fahrzeit:    1:25    1:25    1:33    1:33

Die Entfernung zwischen den beiden Stationen Wiener Neustadt-Ödenburg betrug lediglich 32 km; zur Überwindung dieser Entfernung war die Fahrzeit wohl lang, doch nur so war der Betrieb auch irgendwie wirtschaftlich: die Verknüpfung der Personen- mit der Güterbeförderung in gemischten Zügen, die auch weiterhin auf dieser Linie verkehrten. Auch in dem aus dem Jahre 1862 erhaltenen "Dienst-Fahrplanbuch" war die Fahrzeit zwischen den beiden Endpunkten der Strecke lediglich um einige Minuten kürzer:

Wr. Neustadt    Abf.    9:10    19:35    Ank.    7:13    15:23
Ödenburg    Ank.    10:33    20:58    Abf.    5:50    14:00
Fahrzeit:        1:23    1:23        1:23    1:23

Kennzeichnend für den Verkehr auf der Linie war, daß 15 Jahre nach ihrer Eröffnung zur Befriedigung der Verkehrsanforderung noch immer die anfangs eingesetzten beiden gemischten Zugsgarnituren genügten. Am 6. Februar 1854 ermächtigte der Ministerrat den Finanzminister Braunmüller zum Ankauf der Aktien der Ödenburger Bahn. Dies ging jedoch nicht schnell vor sich. Die Aktionäre hätten gerne den vollen Nominalwert der Aktien bekommen, der Staat jedoch wollte nur ihren Wert an der Börse, zu einem stark verminderten Tageskurs, bezahlen.

Schließlich waren jedoch die Aktionäre gezwungen, nachzugeben. Die Beförderungsleistungen der Bahnlinie wuchsen kaum. Zwar stieg 1852 die Zahl der Reisenden ein wenig, und auch der Güterverkehr nahm zu. Dies bedeutete jedoch lediglich eine mengenmäßige Vermehrung, da deren Großteil die mit billigem Gütertarif beförderte Brennberger Kohle ausmachte. Die in immer schnellerem Maße sich entwickelnde Wiener und Wiener Neustädter Industrie kaufte die Brennberger Kohle auf, so daß deren Produktion dem Bedarf entsprechend anstieg. Von 1848 bis 1858 stiegen die jährlich produzierten 1.500 Waggon Kohle auf 5.000 Waggon an. Tatsächlich ging dazwischen, nämlich 1853, der Verkehr wieder etwas zurück:

Betriebszeitraum    Beförderte    Täglicher    Güterverkehr    Reine
    Personen    Durchschnitt        Einnahmen
1.XII. 1851-30. XI. 1852    108.086    298    1,015.811 q
1.XII. 1852-30. XI. 1853    105.159        784.803 q    24.929

Der Reinerlös des Jahres 1853 betrug lediglich 24.929 Gulden, also kaum 1% des Baukapitals. Die Quellen bemerken, daß das schlechte Ergebnis dieses Jahres auch damit begründet werden kann, daß wegen der Schneeverwehungen im März der Verkehr zehn Tage stillgelegt werden mußte, dazu kam auch noch, daß zur besten Beförderungszeit im Frühherbst die Bahn nicht in der Lage war, die angebotene Fracht zu befördern, da zur Zeit der Übernahme der Gloggnitzer Bahn nicht genügend leere Waggons an die Ödenburger Linie abgezweigt werden konnten.

Die mir zur Verfügung stehenden Quellen sprechen zwar nicht davon, doch kann eindeutig vermutet werden, daß der Staat bemüht war, auch damit die Aktionäre der Ödenburger Bahn zum Nachgeben zu bringen. Aber auch der Finanzminister ließ von seinem ursprünglichen Standpunkt etwas nach und erhöhte den Kaufpreis für die Aktien von früher gebotenen 120 auf 130 Gulden. So schloß man Ende Juli 1854 den endgültig ausformulierten Kaufvertrag ab.
Der Staat bezahlte für die Linie 2,089.516 Gulden und erhielt sie somit für etwa 90% des Baukapitals. Sicher, in der Zwischenzeit war der Geldwert gefallen, demgegenüber wurde die Linie immer nützlicher.

Als 1850 zwischen Österreich und Ungarn die Zollgrenzen fielen, ließ die Reichsregierung einen Plan für ein ungarisches Eisenbahnnetz in Auftrag geben, der allen Handelskammern des Landes zur Stellungnahme zugesandt wurde. In diesem Netzplan kamen auch die Linien Ödenburg - Nagykanizsa - Zagreb sowie Buda Székesfehérvár - Nagykanizsa vor. Als erste antwortete die Stadt Kanizsa auf die Aufforderung, dann der Reihe nach die anderen angesprochenen Städte. Es wurde klar, daß viel mehr Eisenbahnbauten notwendig wären, um die wirtschaftliche Entwicklung des Reiches weiter zu fördern, als die Regierung Mittel dazu hatte. Das Budgetdefizit des Jahres 1854 erreichte immerhin die Größe von 3153/2 Millionen Gulden Konventionalmünze.

Gleichzeitig drängten militärische Kreise, sich auf den Sicherheitsstandpunkt beziehend, auf den Ausbau des Bahnnetzes. Als Folge des dringenden Zwanges wurde am 14. September 1854 das neue Bahnkonzessions-Gesetz verlautbart, das die Einbindung des Eigenkapitals in den Bahnausbau ermöglichte. Westlich der Donau wurden mehrere solche Gruppen gegründet, die den Ausbau von Bahnlinien zum Ziele hatten. Diese Interessentengruppen wurden von der Ödenburger Handels- und Gewerbekammer für den 16. Dezember 1855 geladen, damit sie ihre Absichten einander angleichen und den Plan des vorgeschlagenen westungarischen Bahnnetzes sowie die zur Verwirklichung des Ausbaues notwendige Organisation zustande bringen. Außerordentlich schnell belebte sich die Nachfrage nach Eigenkapital, und den ungarischen Magnaten schlossen sich Bankiers zur Verwirklichung der Pläne an. Nach der am 5. März 1856 im Hause Sina abgehalteten Besprechung galt das hierbei aufgenommene Protokoll als Geburtsurkunde der Eisenbahngesellschaft, die kurz darauf den Namen "k.k. privilegierte Kaiser Franz Joseph Orientbahn" annehmen durfte.
Zum Ausbau der geplanten Linien wurde eine technische Organisation ins Leben gerufen. Innerhalb einiger Wochen bewältigten Ingenieure das Abstecken der Bahnstrecken Újszöny-Székesfehérvár, Buda-Székesfehérvár-Nagykanizsa-Maribor und bereisten auch die Strecke Ödenburg-Nagykanizsa, um auch hier die beste Streckenführung auszuwählen. Im Spätherbst des Jahres 1858 allerdings erlitten alle Konzeptionen und Pläne Schiffbruch. Zum Aufkauf der österreichischen

staatlichen Eisenbahnlinien bewarb sich nämlich ausländisches Kapital, und die österreichische Regierung verkaufte die Bahnen an das Bankhaus Rothschild sowie an die um das Bankhaus sich gruppierende Kapitalskraft bzw. dem als Strohmann fungierenden Herzog Gallieri. Sie brachten auch ein riesiges Eisenbahnnetz zustande. Die Regierung rief die an der Generalversammlung der Kaiser Franz Joseph-Orientbahn Beteiligten auf, sich dem Mammutunternehmen anzuschließen. Entgegen allen Widerstandes der ungarischen Magnaten wurde am 10. November 1858 im Hause des Wiener Musikvereines die Fusion ausgesprochen. Es kam die "k.k. privilegierte Südliche Staats-, Lombardisch-Venetianische und Central-ltalienische Eisenbahngesellschaft" zustande.

Die Wiener Neustadt-Ödenburg Bahnlinie kam also erneut in ein anderes Bahnorganisationsnetz. Dieses übernahm im März 1859 die Linie und baute deren Regelung in den zustande gekommenen Organisationsrahmen ein. Die neue Eisenbahngesellschaft hatte noch vor der Vereinigung mit der " Kaiser Franz Joseph-Orientbahngesellschaft" den Ausbau der Strecke Ödenburg-Nagykanizsa versprochen, das ist die seit Jahrzehnten geplante Verlängerung der Strecke Wiener Neustadt-Ödenburg. Mit diesem Vorhaben gemeinsam mußten auch auf der bestehenden Linie bedeutende zeitgemäße Änderungen vorgenommen werden.

Als erste Stufe der Modernisierung mußten in den Sechzigerjahren die Stationen anstelle des alten und unzuverlässigen "Optischen Telegraphs" mit Glocken-Signaleinrichtungen ausgerüstet werden. Mit Hilfe dieser Ausrüstung, wobei die einzelnen Glockenschläge entsprechend gruppiert und auch ihre Anzahl eine Rolle spielten, konnten die den Verkehr abwickelnden Eisenbahner einander Nachrichten übermitteln. In diese Ausrüstung schloß man auch alle zwischen den Bahnstationen befindlichen Streckendienststellen ein - doch waren diese Vorrichtungen damals noch nicht für mündliche Verständigungen zu gebrauchen.

Mit der bis 1865 erfolgten Verlängerung der Linie und der Fertigstellung der Kanizsaer Strecke kam auch die alle Stationen verbindende Fernschreib-Einrichtung zustande, wozu die seinerzeitige Leitung für die Glockensignale herangezogen werde konnte. Damit veränderte sich das Verkehrssystem der Linie zur Gänze. Aus den Aufsehern-Kassieren wurden Verkehrsdienst-Versehende und somit aktive Beteiligte jenes Verkehrs, der sich zwischen Wiener Neustadt und Ödenburg abwickelte.

Die Verkehrssicherheit nahm zu; der Verkehr je nach Bedarf eingesetzter Züge wurde in jedem Zeitraum des Tages möglich, war doch schon jede Station auf eine Begegnung von Zugsgarnituren eingerichtet worden. Zu alledem kam noch, daß man in den Jahren 1863/64 an der gesamten Linie den Oberbau auswechselte und moderne Schienen (Südbahn VII.-System) in die Strecke und ebenso in die Stationen verlegte. In der Direktoriumssitzung der Südbahn vom 8. August 1865 genehmigte der Direktionsrat die kontinuierliche Erweiterung der Zwischenstationen.

1864 begann auch der reine Güterzugsverkehr auf der Strecke, wobei zum Ausbau der Kanizsaer Linie der Ödenburger Bahnhof als Ausgangspunkt und Basis für den Bau diente.

Die neuen Verkehrsaufgaben machten auch die Umgestaltung der Ödenburger Station erforderlich: das Aufnahmegebäude sowie die Gleisanlagen wurden erweitert und ermöglichten die zufriedenstellende Abwicklung der wachsenden Aufgaben. Am 21. September 1865 wurde die neue Linie für den Verkehr freigegeben. Damit lebte auch die Verkehrsfrequenz zwischen Wiener Neustadt und Ödenburg auf, und der Güterverkehr wurde zur ständigen Einrichtung.
Der Verkehrssicherheit dienten in weitestgehendem Maße die an den häufig benützten Bahnübergängen beweglichen Schranken, sofern sich in unmittelbarer Nähe kein Wächterhäuschen befand. An den schwer einzusehenden Übergängen jedoch stellte man bewegliche Schranken auf, die mit einer Warnläutevorrichtung versehen waren. Eine solche Anlage wurde auch am Bahnübergang in der Nähe der Mattersdorfer Bahnstation gebaut. Viel bedeutender jedoch war, daß man vor den Einfahrten der Bahnhöfe mit rotierenden Scheiben versehene Distanzsignale anbrachte. Diese wurden nach französischem Muster hergestellt und konnten auch beleuchtet werden. Sie waren bis zur Verwendung des Signalarmes dem Verkehr sehr dienlich.

Zu dieser umfangreichen Modernisierung kam es gerade zur rechten Zeit, da nämlich während des italienischen und des preußischen Krieges 1866 die Linie riesige Aufgaben übertragen bekam. In der Versorgung der in Marsch gesetzten Truppenteile war der Ödenburger Station eine besondere Rolle zugedacht- und dies zusätzlich zu den Verkehrsaufgaben. In Bahnhofsnähe entstand nämlich ein Versorgungszentrum mit Industriegleisanschluß. Im August war der militärische Verkehr bereits so stark angestiegen, daß man den Verkehr der beiden Postzüge einstellte, da die Truppenzüge, jene mit Kriegsmaterial sowie mit Verwundeten, sich aneinander reihten. Das Bahnpersonal leistete Übermenschliches, war es doch auf diese Aufgaben überhaupt nicht vorbereitet, und auch die Bahn selbst stellte nicht genügend Personal zur Verfügung. Die Ödenburger Zeitung dieser Zeit gibt ein sehr anschauliches, getreues Bild von allem, doch versäumte sie auch nicht, die Leitung der Bahngesellschaft auf eventuell entstehende Folgen der schonungslosen Inanspruchnahme hinzuweisen!

Der enorme Verkehr kam mit Sommerende langsam zur Ruhe. Am 23. September 1866, dem Kirchtag der evangelischen Kirche von Ágfalva, konnten zwischen den Stationen Ödenburg und Ágfalva wieder Sonderzüge verkehren: stufenweise stellte sich der Friedenszustand wieder ein.

Die Südbahn konnte die Verwirklichung der Stationserweiterung auf der Wiener Neustädter Linie beginnen. Das überflüssig gewordene Heizhaus der Station Mattersdorf wurde abgerissen, und mit Einbeziehung des geeigneten Mauerwerks wurden dort ein Wohn- und Bahnerhaltungsgebäude errichtet. Ein Garten sowie ein Materiallager fanden dort ebenfalls Platz. Das Aufnahmegebäude der Bahnstation wurde, dem sich steigernden Reiseverkehr angepaßt, innen neu gestaltet. In der Nähe von Wiesen-Sigleß baute man mit enormen Arbeitsaufwand einen mehrbogigen Wasserdurchlaß, ebenso wurde die seit Jahren hinausgeschobene Renovierung des Mattersdorfer Viaduktes vorgenommen.
In der Station Ágfalva baute man ein neues Gleis für Kohleverladungen, da immer mehr Kohle dort angeliefert wurde. Vom Brennberger Bergwerk wurde die qualitativ hochwertige Braunkohle auf Wagen hierher gebracht. l 868 erhielt Schattendorf ein Abstellgleis. Dazu war eine Verbreiterung des Bahndammes erforderlich. Mit diesem Gleis wurde die Abfertigung der ab- und aufladenden Waggons ohne Beeinträchtigung des Zugsverkehrs möglich.
1869 wurde sowohl für die heimischen als auch für die österreichischen Besteller in Brennberg Kohle in solcher Menge abgebaut, daß man mit deren Beförderung zur Bahn mit Fuhrwagen nicht nachkommen konnte. Der Pächter des Bergwerkes ließ daher zwischen dem Bergwerk und der Bahnstation Ágfalva eine Bahnlinie mit 790er Spurweite errichten. Zunächst zogen Pferde die Güterwagen; 1875 wurde die Bahn auf Dampfbetrieb umgestellt. Zu gleicher Zeit wurde auf der Bahnstation eine Hochladevorrichtung in Holzkonstruktion errichtet, um das Umladen in die Großbahnwaggons zu erleichtern.

Der im Auftrag des Bankhauses Sina verfertigte Plan des Bahnnetzes Wien-Györ gelangte 1838 an die Öffentlichkeit. Dessen Linien wurden nacheinander ausgebaut. Wie dargelegt, wurde 1847 die Linie zwischen Wiener Neustadt und Ödenburg eröffnet, 1855 erreichte die von Wien über Bruck ausgehende Linie schon Györ, 1872 bekam der Plan des Ausbaues der Strecke zwischen Györ und Ödenburg eine endgültige Form, wobei die Weiterführung der Linie von Ödenburg aus auf einer getrennten Linie nach Ebenfurth erfolgen sollte. Gleichzeitig wurde auch der Bedarf nach dem Ausbau einer Verbindungsstrecke zwischen der Ödenburger Station der neuen Linie und dem Bahnhof der Südbahn ausgesprochen.

Sie erlangte vor allem Bedeutung, als sich herausstellte, daß die geplante Bahnlinie wegen finanzieller Schwierigkeiten nur in zwei Etappen gebaut werden konnte. Für die Weiterleitung der auf der Linie Györ-Ödenburg ankommenden, an österreichische oder andere westeuropäische Zielbahnhöfe gerichteten Sendungen, hatte die neue Eisenbahngesellschaft noch keine eigene Linie; so konnte man diese von Ödenburg aus nur auf der Linie der Südbahn weiterbefördern. Die Bahnlinie Györ-Ödenburg und damit die Verbindungsbahn wurde am 2. Jänner 1876 eröffnet. Eine enge Zusammenarbeit und gute Verbindungen zwischen den beiden Eisenbahngesellschaften waren schon deswegen notwendig, weil bei der Eröffnung der Györ-Ödenburger Bahnlinie das eigene Heizhaus der GySEV in Ödenburg noch nicht fertiggestellt war, weshalb ihre Lokomotiven längere Zeit hindurch das Heizhaus der Südbahn benützten; sogar die Personenzugsgarnituren lagerte man anfangs auf dem Bahnhof der Südbahn.

Das alles war mit ansehnlichen Mehrkosten verbunden, deshalb war man bestrebt, das Heizhaus der GySEV möglichst bald zur Aufnahme der eigenen Lokomotiven fertigzustellen. Die Verbindungsstrecke wiederum war für die Weiterleitung der durchfahrenden Zugsgarnituren in beiden Richtungen und daher für beide Bahnen vorteilhaft.

Die Strecke wurde von der GySEV ausgebaut und aufrecht erhalten, und seit ihrer Eröffnung hatte die GySEV den Verschub zu besorgen. Die Übergabe bzw. Übernahme regelte ein gemeinsamer Bahnstationen Vertrag. Für die Sperre der Bahnübergänge auf dieser Verbindungsstrecke war ebenfalls die GySEV zuständig.

1878 bekam die Südbahn und darin eingeschlossen die Wiener Neustadt-Ödenburger Eisenbahnlinie abermals bedeutende militärische Transportaufgaben. Der Berliner Kongreß beauftragte auf Deutschlands Vorschlag hin Österreich-Ungarn, in den Ländern Bosnien und Herzegowina, wo nach der Schwächung der türkischen Macht wirre Zustände herrschten, die Ordnung wieder herzustellen.

Die führenden Kräfte der Monarchie übernahmen diese Aufgabe, und die Armee bereitete sich wahrlich mit Begeisterung auf ihre Durchführung vor. Schon Ende Juli 1878 begann die Mobilmachung, und sie setzte sich auch im August fort. Aus Ödenburg wurden am 22. und 23. August die Reservisten des Linienregimentes, das zum Infanterieregiment 76 gehörte, in Marsch gesetzt. Schon vorher, nämlich am 19. August, wurde die Mobilmachung des Reserveregimentes angeordnet. So glich die Stadt wahrlich einem Heerlager. Die Reservisten des Linienregimentes stiegen in die aus Güterwaggons zusammengestellten Garnituren in der Ödenburger Station der Südbahn ein. Angeordnet wurde auch die Einsatzbereitschaft des ebenfalls in Ödenburg stationierten Regimentes 48.

Nach den Transporten dieser örtlichen Verbände beförderte man auch die Brünner Division auf der Linie Wiener Neustadt-Ödenburg-Nagykanizsa. Am Abend des 30. August wurde das Infanterieregiment Nr. 48 in den Balkaneinsatz in Marsch gesetzt. Zwei Zugsgarnituren beförderten die Soldaten: die erste fuhr nachmittags um 6, die folgende abends um 10 Uhr ab. Auf dem Perron der Station teilte man Flaschen mit Wein an die Soldaten aus; so ist es nicht verwunderlich, daß diese blumenbekränzt und in guter Laune singend sich auf den unbekannten Kriegsschauplatz in Bewegung setzten. Die Station und deren Umgebung war voll von Bürgern, die ihre Bekannten und Freunde verabschiedeten.

Schon verbreitete sich auch die Nachricht, daß auf der Ödenburger Linie Züge verkehren, die Verwundete befördern. Die Station war immer voll von Wartenden, die von ihren Angehörigen eine Nachricht zu bekommen hofften. Am 26. September jedoch fuhr ein noch sehenswerterer Zug durch Ödenburg in Richtung Wien, als dies einer mit Verwundeten gewesen wäre: ein Transport mit gefangenen bosnischen Aufständischen, in dem sowohl Männer als Frauen von ihren Wächtern begleitet wurden.

Am 9. und 10. Oktober verkehrten auf der Linie Wiener Neustadt-Ödenburg-Nagykanizsa keine alltäglichen Züge: einander folgend beförderten vier lange Militärzüge Wiener Fuhrleute mit ihren Wagen und Pferden auf den Kampfplatz. Ihre Wagen waren mit Brettern beladen; mit diesen beabsichtigte die Kriegsführung, Baracken aufzubauen. Dieser Transport dauerte einige Tage hindurch an. Die Fuhrleute waren nicht uniformiert, sie trugen lediglich eine schwarz-gelbe Armbinde über ihrer Zivilkleidung.

Obwohl die Nachrichten vom Kriegsschauplatz nach anfänglich schweren Kämpfen schon Erfolge vermelden konnten, passierten Ende Oktober täglich drei Soldatentransporte die Bahnstation, um in den Balkanraum zu gelangen. Am 28. Oktober konnten die auf dem Bahnhof umherlungernden, auf neue Nachrichten wartenden Bürger den Verwundetentransport des Malteser Ritterordens bestaunen, der die Verwundeten des Regimentes Parma beförderte und der mit dem höchstmöglichen Komfort eingerichtet war.

Anfang November 1878 trafen die ersten Züge mit den Soldaten des Reserveregimentes vom Kriegsschauplatz wieder in Ödenburg ein. Endlich rollte am 11. November nachts der lange Transport des Infanterieregimentes 76 mit 12 Offizieren und 1.157 Soldaten in die Station ein. Am Ende des Monats kehrte auch die Stammkompanie des Regimentes wieder nach Hause zurück. An ihrer statt fuhr ein Zug aus Ödenburg mit 380 frisch ausgebildeten Rekruten auf den Balkan. Der Austausch der an der Okkupation beteiligten Truppenkörper dauerte noch Monate an. Allerdings lief diese Aktion reibungslos ab und behinderte die planmäßig verkehrenden Personenzüge nicht. Während der gesamten Zeit des dominierenden Kreisverkehrs konnte die Südbahn auch den Personenverkehr im vollen Umfang aufrecht erhalten.

Auf Wunsch der ungarischen Regierung vollzog die Südbahn 1880 die Loslösung ihres ungarischen Bahnnetzes und errichtete im Bereich der Bahnstation Buda ein mehrstöckiges Direktionsgebäude sowie eine selbständige Geschäftsverwaltung für die ungarischen Bahnlinien. Dies alles ging mit dem Anspruch der ungarischen Regierung und auch der Eisenbahngesellschaft Hand in Hand, auf den heimischen eigenständigen Bahnen die ungarische Dienstsprache einzuführen.

Das Fahrplanbüchlein für den Sommer 1880 gab die Südbahn noch zweisprachig heraus, neben den ungarischen Stationsnamen waren in Klammern auch die Bezeichnungen in deutscher Sprache angeführt.
Bis dahin hatte man auch die Stationstafeln ausgetauscht und durch solche erneuert, die den ungarischen Namen der Station anführten, wobei auf dem deutschen Sprachgebiet auch die deutschen Bezeichnungen durchwegs erhalten blieben. Sowohl die Leitung als auch das Personal der Südbahn kannte keine nationalen Vorurteile; auch war keine chauvinistische Haltung festzustellen.

Ab 1889 wurde die Bahnlinie Wiener Neustadt-Ödenburg großzügig modernisiert. Nach Beendigung einer mehr als 10 Jahre dauernden Arbeit an den Geleisen sowie Gebäudeerweiterungen wuchs die Durchlaßkapazität der Linie: die Geschwindigkeit der Züge konnte gesteigert, der Verkehr größerer und stärkerer Lokomotiven konnte ermöglicht werden, und damit konnte auch die Anzahl der auf die Strecke bezogenen Waggonachsen und die Balance der Züge erhöht werden.

1889 bis 1891 waren in Mattersdorf und Wiesen-Sigleß Gleiserweiterungen im Gange; dann erhielten alle Stationen nacheinander zentrale Weichenstell-Einrichtungen. Ebenso wurden zentrale Sicherungseinrichtungen montiert, zu ihrer Unterbringung wurden die seither schon wieder abgerissenen zentralen Stellwerke in der Nähe der Aufnahmegebäude errichtet. So konnte der Fahrdienstleiter die durch den Weichensteller in dessen Zentrum angerichteten Gleisstraßen auf dem Kontrollgerät in seiner Kanzlei wie auch im zentralen Stellwerk beaufsichtigen. Ebenso geschah die Aufstellung der balkenförmigen Einfahrtssignale anstelle der Schutzsignale.

Als vordringliche Aufgabe erwies sich auch die Erweiterung der Stationsbereiche. Der innere Warenverkehr stieg an, und die 1847 dafür geschaffenen Stationsbereiche konnten nicht mehr genügen. Schon längst übertraf der Güterverkehr die geschaffenen Magazinkapazitäten.1898 entstanden vor allem in Schattendorf sowie in Wiesen-Sigleß dahingehende SchwierigLeiten.1904 kam es in der Station Wiesen-Sigleß zur Erweiterung des Bereiches vor dem Stationsgebäude sowie zur Vergrößerung des Gütermagazins. Gemeinsam damit bekam die Station ein zusätzliches gestütztes Geleis; daneben wurde eine Laderampe aufgeschüttet. In Mattersdorf wurde 1902 das V. Abfertigungsgleis fertiggestellt, ebenso ein neues Pumpenhaus gebaut, und als Zeichen der Modernisierung leitete man sowohl in Mattersdorf als auch in Sauerbrunn die Azetylenbeleuchtung ein.

Krönung dieser großdimensionierten Stationserweiterungen war der Einbau von Weichen nach dem System X sowie auf der Strecke die Verstärkung des Oberbaues. Bei den zuletzt genannten Arbeiten wurden Winkelgurten verwendet, und statt der früher flachen Unterlagsplatten legte man keilförmige unter die Schienen; gleichzeitig erfolgte auch die Verdichtung der Schwellen.

Zur Jahrhundertwende war in den Stationen die Installation der Sicherheitseinrichtungen noch im Gange. Danach erwarb die Südbahn 1901 die frühere Sicherheitseinrichtungs-Fabrik Götz. Damit konnte sie im Hinblick auf diese wichtige Sparte des Bahnausbaues ihre Bedürfnisse selbst decken.

Die verhältnismäßig groß angelegten Arbeiten an den Gebäudeerweiterungen zur Jahrhundertwende brachten an der Linie sichtbare Ergebnisse.1899 schon wurde die Vergrößerung des Aufnahmegebäudes der Station Ágfalva durch den Aufbau eines Stockwerkes vollendet. 1900 vergrößerte man in der Station Marz-Rohrbach das Aufnahmegebäude durch Anbauten, 1902/03 arbeitete man an der Erweiterung des Stationsgebäudes in Sauerbrunn, und schließlich kam 1904 in Mattersdorf die Erweiterung des Aufnahmegebäudes sowie jene des Magazins an die Reihe.

Neben diesen Arbeiten wurde 1900 in der Station Wiesen-Sigleß das Norm-Wächterhaus Nr. 9/a und zwischen Mattersdorf und Marz-Rohrbach das Wächterhaus Nr. 11 erbaut.

In der Station Ödenburg begann man die Vorbereitungen zum Umbau des Aufnahmegebäudes sowie der Wohngebäude schon im Jahre 1900. 1902/03 geschah die Erweiterung des Aufnahmegebäudes und der Umbau des Wasserhauses; ein neues Wohngebäude bzw. die Einrichtung des Bahnpostamtes im Erdgeschoß dieses Hauses waren zusätzliche Aufgaben, desgleichen auch der Ausbau einer Desinfektionsanlage. Die Station erhielt mit den beiden zentralen Weichenstellwerken Weichenstell- sowie Sicherheitseinrichtungen. Außerdem wurde die elektrische Beleuchtung eingeleitet und Trennwände an der Veranda des Aufnahmegebäudes errichtet. 1908 entstand ein Verschubgeleis für die Waggonfabrik Ödenburg-Graz.

1911 begann auf der Linie Wiener Neustadt-Ödenburg ein neues Bauprogramm. Die Sicherheitseinrichtungen in den Stationen wurden nach und nach durch Vorwarnsignale vervollständigt. Die Haltehebel dieser mechanisch zu betätigenden Vorwarnsignale baute man in den in jeder Station aufgestellten Bock der Sicherheitseinrichtung ein, wo dafür von vornherein ein Platz vorgesehen war. Mit diesen Ergänzungen erhöhte man die Sicherheit des Zugsverkehrs.
Gleichzeitig tat die Eisenbahngesellschaft auch einen wichtigen Schritt, mit dem sie das Leben der Wächterhausfamilien menschlicher gestaltete. Bisher war es doch so, daß das Wohnzimmer des Wächterhauses gleichzeitig als Büro des Streckenwärters diente. Dort war an der Wand das Glockensignal montiert, später auch das damit kombinierte Telefon. Wenn dann der Streckenwärter einmal einen freien Tag erhielt, war auch der vertretende Wärter gezwungen, in diesem Raum sich aufzuhalten, dort, wo auch die Familie des Streckenwärters sich aufhielt bzw. schlief. Dabei war in diesen Familien die Kinderzahl nicht selten hoch. Diesen Zustand änderte 1911 die Südbahn: sie baute neben die Wächterhäuser kleine Dienstbauten, so konnte der Dienst vom Familienleben getrennt geführt werden.

Im ersten Jahr des Ersten Weltkrieges wurde in der Ödenburger Station an der Südseite der sechsteilige Bahnschranken am Straßenübergang zur Kossuth-Straße errichtet. Mit dieser Maßnahme stellte für lange Jahre die Kriegswirtschaft jede Modernisierung und Erweiterung ein. Für neue Entwicklungen gab es auch weder Geld noch Material.

Mit Sicherheit hatten die zur Jahrhundertwende an der Linie Wiener Neustadt-Ödenburg vorgenommenen Modernisierungen und damit die Steigerung der Frequenz beabsichtigenden Maßnahmen nicht nur bahngeschäftliche Gründe, sondern darüber hinaus auch militärische. Wir sahen, daß die Linien der Südbahn 1866 im Laufe der Operationen in Italien, dann 1878 zur Zeit der Okkupation Bosniens einen riesigen militärischen Verkehr abzuwickeln hatten. Im Verlaufe der Okkupation konnte in Bosnien die Ruhe vorübergehend hergestellt werden. Doch signalisierten die Spannungen rund um die Besetzung, daß diese leicht einen Kriegszustand schaffen könnte.

Das entschlossene Ziel der großserbischen Bestrebungen war die Zerschlagung Österreich-Ungarns, sahen doch die nach der Errichtung Großserbiens Strebenden in Ungarn das Haupthindernis zur Verfolgung ihrer politischen Ziele. Die fortlaufenden Attentate der serbischen Terrororganisationen wiesen alle auf einen bevorstehenden Krieg hin.

Im Hinblick darauf läßt sich feststellen, daß auch die materiellen Kräfte der Südbahn nicht unerschöpflich waren. In ihrem Betriebsbereich schritt die Entwicklung nicht auf allen Gebieten gleichmäßig voran. Obwohl die Eilzüge der Südbahn auf ihren Hauptlinien hinsichtlich ihrer Lokomotiven und Waggons dem technischen Fortschritt Rechnung trugen, blieb die Entwicklung des Personenverkehrs auf den Nebenlinien aus. Über die auf unserer Linie festgestellten Mängel zeugen Klagebriefe, die häufig in den Ödenburger Blättern ihren Niederschlag fanden. Einmal verlangten sie eine bessere Lokomotive, ein anderesmal bessere Beleuchtung in den Waggons usw.

Hier muß ich hervorheben, daß ähnliche Klagen hinsichtlich der MÁV, doch in erster Linie der Privatbahnen, in Fülle in der heimischen Presse erschienen sind.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es immer gewisser, daß auf dem Balkan sich solche Spannungsherde gebildet hatten, die früher oder später zwischen den an diesem Raum interessierten Staaten zu einem ernsten Konflikt führen werden. Mit der Okkupation Bosniens gelang es zwar vorläufig, die Spannungsgegensätze zu beruhigen, doch zeigten schon die beiden aufeinanderfolgenden Balkankriege, daß die Regelung nur eine scheinbare war. Die militärische Führung rechnete auch mit einer Kriegsdrohung aus dem Balkanraum, deshalb kam es auch zur zeitgemäßen Ausrüstung der Bahnlinie Wiener Neustadt-Ödenburg-Nagykanizsa mit dem Ziel der Frequenzsteigerung auch auf dieser Linie.