Die Notwendigkeit, der Landwirtschaft des unteren Mühlviertels den Absatz ihrer Wirtschaftserzeugnisse zu sichern und die zahlreichen Industrieunternehmungen dieser Gegend, besonders die Granitwerke, Mühlsteinbrüche und Pappefabriken bei Mauthausen, Schwertberg und Perg lebensfähig zu erhalten, ließ die Bemühungen der Bevölkerung, zu einer Bahnverbindung zu kommen, nicht ruhen.
Im März 1888 war es zur Vorlage des Vorprojektes einer normalspurigen Lokalbahn Mauthausen-Grein gekommen, doch erst auf Grund des Reichsgesetzes vom 31. Dezember 1894 (RGBl 1895, Nr. 3, S.7) gelang es der "Lokalbahn-AG Mauthausen-Grein" (mit dem Sitz in Wien), die Aufnahme der geplanten Linie in die Lokalbahn-Vorlage des Jahres 1896 zu erwirken; das bezügliche, am 21. Juli 1896 genehmigte Gesetz "betreffend die im Jahre 1896 sicher zu stellenden Bahnen niederer Ordnung" (RGBl Nr. 141, S.477) sicherte eine Reinertragsgarantie des Staates im Höchstbetrag von 51 000 fl zu. Die Baukosten waren auf 1 200 000 fl veranschlagt worden; das erforderliche Anlagekapital von 2 800 000 K wurde von der Gesellschaft durch Aufnahme eines Prioritäts-Anlehens von 2 400 000 K und Ausgabe von Stammaktien im Betrage von 440 000 K aufgebracht. Von diesen zeichneten das Land Oberösterreich 100 000 K, die Stadt Wien 30 000 K und die Gemeinde Mauthausen 6 000 K, den Rest Interessenten. Die Konzession wurde der Gesellschaft (vertreten durch Kaufmann Karl Berger in Schwertberg, Bürgermeister Leopold Heindl in Mauthausen und Notar Dr. Alfred Heizel) mit der Urkunde vom 3. April 1897 (RGBl Nr. 94, S.455) erteilt; staatliche Betriebsführung und das Recht der jederzeitigen Einlösung wurden vorbehalten.
Der von der Bauunternehmung Fröhlich und Leitner (Bauführer Oberingenieur Groß) unter der Aufsicht des Eisenbahnministeriums durchgeführte Bau begann im Mai 1897 und wurde nach etwas mehr als einjähriger Bauzeit vollendet; nach der feierlichen Eröffnungsfahrt am 3. Juli 1898 wurde der öffentliche Verkehr am nächsten Tage, 4. Juli 1898, aufgenommen. Die normalspurige, 30,9 km lange Lokalbahn hat 6 Stationen (Schwertberg, Perg, Arbing, Baumgartenberg, Saxen und Grein a. d. Donau) sowie 3 Haltestellen, eine größte Steigung von 10‰; der kleinste Krümmungshalbmesscr beträgt 150 m. Den Betrieb übernahmen auf Grund des Gesetzes vom 21. Juli 1896 und des Betriebsvertrages vom 18. - 21. Oktober 1898 gegen Selbstkostenvergütung die österreichischen Staatsbahnen; vom 1. Oktober 1898 an wurde der Zugsverkehr von St. Valentin bis Grein und zurück durchlaufend geführt. Bis Ende 1909 war die Bahn der Staatsbahndirektion Linz, hierauf jener in Wien unterstellt. Für den Bau und die Einrichtung der Bahn wurde bis Ende 1905 ein Betrag von 2 459 894 K aufgewendet; im genannten Jahre waren 123 594 Personen und 30 966 t Güter befördert worden.
Bereits im Eröffnungsjahr der Bahnlinie Mauthausen - Grein waren Bestrebungen für deren Fortsetzung nach Krems a. d. Donau und damit zur Herstellung einer direkten Verbindung mit Wien im Gange.
Mit 1. Jänner 1930 waren die Lokalbahnen Mauthausen - Grein und Krems - Grein Bundeseigentum geworden; sie wurden vom genannten Tage an gemäß Bundesgesetz von 1923 (BGBI Nr. 407) dem Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" zur treuhändigen Verwaltung und Betriebsführung (durch die Bundesbahn-Direktion Wien) übergeben.
Marchländer Nachrichten, Perg am 1. Juli 1898
Eröffnung der Localbahn Mauthausen - Grein
In erhebender Weise hat sich letzten Sonntag das große Ereignis vollzogen, dem die Bevölkerung des Marchlandes seit Jahren mit Dehnsucht entgegensah. Ált und Jung war an diesem Tage auf den Beinen. Selbst von entlegenen Dörfern waren die Leute herbeigeeilt, um im Vereine mit der Stadt- und Marktbevölkerung sich an der Eröffnungsfeier zu betheiligen und ihrer Freude über die neue Eisenbahn ungeheuchelten Ausdruck zu geben.
Um 10 Uhr 15 Minuten vormittags ging der hübsch decorierte Sonderzug, welcher vom Oberinspector der Staatsbahnen geleitet wurde, von Linz ab. Mit demselben fuhren: Statthalter Frhr. von Puthon, Landeshauptmann Dr. Ebenhoch, Handelskammer-Präsident Wimhölzl, Vizebürgermeister König, Statthalterreirath Graf, Statthaltereisekretär R-. v. Schweiger, Centralinspektor Dr. Messerklinger, Leiter der Staatsbahndirection Linz Oberinspector Tischler, Inspector Deutsch, Verkehrskontrolor Herrmann; die Landesausschußmitglieder geistlicher Rath Faigl und Dr, Jäger, die Reichsrathsabgeordneten Doblhamer und Muhr, der Vertreter der Kremsthalbahn Dr. R. v. Glanz, sowie die Vertreter d. Linzer Tagespresse; in St. Valentin kamen dazu die aus Wien eingetroffenen Herren: Sectionschef Liharzik in Vertretung des Eisenbahnministeriums, Sectionsrath Edler von Hankenberg, Ministerial-Vizesekretär Graf Sarnthein, mehrere Conceptsbeamte des Eisenbahnministeriums, Magistratsdirector Tachau in Vertretung des Bürgermeisters Dr. Lueger, der am Erscheinen verhindert war, ferner Bezirkshauptmann Rippelly von Steyr, der mehrere Jahre hindurch Bezirkshauptmann in Perg war.
Der erste feierliche Empfang fand in dem mit Fahnen und Girlanden reichgeschmückten Bahnhofe Mauthausen statt. Dort hatten sich eingefunden: Der Leiter der Bezirkshauptmannschaft Perg, Oberkommisär Wacha, Bürgermeister Heindl, Obmann des Localbahncomites Berger, Obmann des Festcomites und Concessionär; Notar Dr. Heindl, Concessionär Bezirksrichter Straberger; Reichsraths-Abgeordneter Rammer;Pfarrer Gärtner u. s. w. sowie Vertreter der Gemeinde, der Feuerwehr, des Veteranenverein, die Liedertafel, die Schuljugend mit ihren Lehrern und eine große Volksmenge.
Beim Sichtbarwerden des Festzuges ertönten Böllerschüsse; bei der Einfahrt des Zuges spielte die Musikkapelle die Kaiserhymne und brachen die Anwesenden in begeisterte Hochrufe aus. Herr Bürgermeister Heindl begrüßte den Statthalter namens der Bevölkerung von Mauthausen, gab dem Danke für das Zustandekommen der Localbahn Mauthausen - Grein Ausdruck und bat, die Eröffnung vorzunehmen. Der Herr Statthalter dankte für den freundlichen Empfang, sprach das Bedauern aus, daß der Herr Eisenbahnminister dienstlich verhindert ist, an der Eröffnung theilzunehmen und theilte mit, daß derselbe an dem Zustandekommen der neuen Bahnverbindung und an der Eröffnung derselben lebhaften Antheil nehme. Der Herr Statthalter wurde von der Tochter des Herrn Stationsvorstandes in Mauthausen namens der Damen von Mauthausen durch Überreichung eines prachtvollen Bougquets geehrt. Die Damen Mauthausens credenzten den Festgästen einen Imbis und spendeten denselben hübsche Blumensträußchen.
In ähnlich herzlicher Weise gestaltete sich der Empfang auch an allen übrigen Stationen. Überall wurden die Theilnehmer an der Eröffnungsfahrt mit Böllerkrachen, Musik und Hochrufen empfangen und hatten sich zu dem Empfange die Herren Bürgermeister mit den Gem,eindeausschüssen, die hochw. Geistlichkeit, die Lehrerschaft mit der Schuljugend, Feuerwehr und Veteranen und zahlreiche Bewohner eingefunden. Überall regnete es Blumen, die Maschine des Zuges sowie die einzelnen Waggons wurden mit Kränzen und Blumen geschmückt und heller Jubel tönte an allen festlich mit Flaggen in den Landes- und Reichsfarben geschmückten Bahnhöfen und Orten.
An den verschiedenen Orten nahm der Festzug die geladenen Honoratioren, darunter überall Pfarrer, Bürgermeister und Schulleiter auf. Auch mehrere Damen benützten den Festzug.
In Perg hatten sich auch die höheren Beamten in Uniform auf dem Bahnhofe eingefunden, mit der Schuljugen und den verschiedenen Vereinen mögen hier wohl an die 3000 Personen der Feier beigewohnt haben. Fräulein Almoslechner überreichte dem Statthalter einen schönen Blumenstrauß; besonders lieblich gestaltete sich der Empfang in Baumgartenberg, wo zwei weißgekleidete Mädchen, Marie Paretschneider, eine Schülerin der Volksschule und Mathilde Niemetz, eine Schülerin der Klosterschule, recht hübsche Festgedichte vortrugen.
Im festlich geschmückten Dornach, wo auch die Arbeiterschaft aufgestellt war, begrüßte Granitwerksbesitzer Schleppitza den Statthalter. In Grein hatten sich die Honoratioren, der Schuljugend und den Vereinen des Ortes auch Sectionsrath Schäffer vom Eisenbahnministerium die Bauunternehmer Fröhlich und Leitner, Oberingenieur Groß bis der vom Ministerium bestellte Bauleiter der Bahn, ferner der Veteranenverein St. Thomas und die Feuerwehren von Pabneukirchen, Klamm, Kreuzen, Dimbach und St. Nikola eingefunden.
Die Bahnfahrt fand in Grein ihren Abschluß. Circa 25 Wagen brachten die Festteilnehmer durch die prachtvoll decorierte Stadt auf das herrlich gelegene dem Herzog von Sachsen-Coburg Gotha gehörige Schloß Greinburg, wo ein exquisites vom Hotelier Marschner aus Linz beigestelltes Festmahl zu 106 Gedecken gegeben wurde, bei dem es an den üblichen Toasten nicht fehlte. Bürgermeister und Obmann des Eisenbahncomites Heindl widmete dem Jubelkaiser begeisterte Worte und brachte demselben ein dreifaches Hoch, das begeisterten Anklang fand. Die Waidhofner Stadtkapelle. welche die Tafelmusik besorgte, spielte hierauf die Volkshymne, die stehend angehört wurde. Concessionär Notar Dr. Alfred Heinzl toastierte auf den Statthalter, der Statthalter hinwiederum nach längerer Rede über die Bedeutung der Bahn auf das Wohl der treuen, tüchtigen, und loyalen Bevölkerung des Machlandes. Bürgermeister Gürtler von Grein wies auf die großen Verdienste des Landes Oberösterreich hin und brachte sein Hoch dem Lande und dessen Landeshauptmann Dr. Ebenhoch dankte im Namen des Landtages und versichert, daß das Land gerne getan habe, was es tun konnte. Er gedenkt schließlich der Verdienste des Retionscomites und bringt auf dasselbe, insbesondere dessen Obmann Heindl ein Hoch aus. Obmann des Festcomites, Carl Berger, gedachte des Eisenbahnministers Wiltek, wofür Sectionschef Liharzik dankt und sein Glas auf die gedeihliche, gewerbliche und industrielle Entwicklung des Machlandes leert.
An den Kaiser ging über Antrag des Herrn Karl Berger unter begeisterter Zustimmung der Anwesenden folgendes Huldigungstelegramm ab:
Sr. K. u. k. Apost. Majestät Franz Josef
Ischl
Die heute erfolgte Eröffnung der Localbahn Mauthausen - Grein, wodurch im Jubeljahr der glorreichen Regierung Eurer k. u. k. Apost. Majestät das untere Mühlviertel ein langersehntes Verkehrsmittel erhält, welches außerdem als Verbindung des oberen und des unteren Mühlviertels dient, bietet der gesamten kaisertreuen Bevölkerung des am linken Donauufer gelegenen oberösterreichischen Landestheiles Anlaß, an dem heutigen Tage aus dankerfülltem Herzen Euer k. u. k. Apost. Majestät die ehrerbietigste Huldigung darzubringen und den ehrfurchtsvollsten Dank zu Füßen zu legen für diesem Landestheile Oberösterreichs abermals wie schon so oft zugewendete kaiserliche Huld und liebevolle. väterliche Fürsorge, Gott segne, beschütze und erhalte noch viele Jahre Eure k. u. k. Apost. Majestät den erhabenen Förderer, Schützer und Schirmherrn alles Guten und Schönen.
Im Namen der in tiefster Ehrfurcht dankbaren Bevölkerung des Mühlviertels.
Der Obmann des Fest-Comites Berger
Erwähnt sei noch ein während des Bankettes verlesenes Schreiben der Kammervorstehung des Herrn Erzherzogs Franz Salvator, worin der baldige Besuch der Bahn seitens Sr. k. u. k. Hoheit in Aussicht gestellt wurde.
Um halb 5 Uhr war das Festmahl zu Ende. 5¼ Uhr erfolgte die Rückfahrt des Separatzuges über Mauthausen, St. Valentin nach Linz. Die Wiener Festgäste fuhren um 6 Uhr mittels Separatschiff nach Melk. Dem Hauptfestzuge mit den officiellen Theilnehmern waren von Mauthausen aus zwei andere Festzüge gefolgt, die aus Aallen an der Bahn gelegenen Orten große Scharen von Theilnehmern nach Grein brachten. Die Rückfahrt derselben von Grein erfolgte erst nach 10 Uhr abends.
Ein kleiner Mißton hat sich bei der Station Saxen in den allgemeinen Jubel der Eröffnungsfeier eingeschlichen. Die Station Saxen wird nämlich zum großen Leidwesen der dortigen Bevölkerung noch nicht dem Verkehr übergeben, da die dortige Gemeinde das kleine ca. 50 Meter lange Stückchen Zufahrtstraße noch nicht fertiggestellt hat. Der Besitzer dieses Grundes weigerte sich nämlich, den Grund zur Straßenanlage zu überlassen, beziehungsweise verlangte 3 fl. für die Klafter, und die Gemeinde hat es übersehen, von dem Expropriationsrechte Gebrauch zu machen. Der Bürgermeister von Saxen, Gusenbauer, begrüßte den Hrn. Statthalter, und hat denselben, als sich Se. Excellenz tadelnd darüber aussprach, daß dieses kurze Stückchen Weg noch nicht gebaut ist, gebeten, die Station doch zu eröffnen; der Statthalter erwiderte hierauf, daß dies, solange die Zufahrtstraße noch nicht gebaut sei, nicht geschehen könne. Die Saxener haben also vorläufig bei den Zügen das Nachsehen. Hoffentlich werden sie sich nun beeilen, die Zufahrtstraße zu bekommen.