Die Eröffnung der Schmalspurbahn

Stainz, Bahnhof und Schloß (G. Fournier)

... Diese schmalspurige Localbahn fügt sich auch sonst ohne alle Prätension in den Weltverkehr ein, sie hegt nicht, wie andere Localbahnen, die Hoffnung, dereinst zur Hauptbahn zu avancieren, sie weiß, daß sie in absehbarer Zeit wenig Aussicht hat, etwa auch nur über die Stainzer-Alpe bis nach Edelschrott oder über den Rosenkogel bis Freiland fortgesetzt zu werden. Selbstgenügsam stellt sich der idyllische Schienenstrang längs des munter plätschernden Stainzer-Baches ausschließlich in den Dienst des betriebsamen, industriereichen und schilchergesegneten Bezirkes und verbindet nicht enger als es nothwendig ist, die kleine Metropole gemüthlichen unverfälschten Steirerthums mit der lärmenden ungemüthlichen Welt. Mögen auch unter den neuen Verkehrsverhältnissen die wackeren Stainzer so bleiben, wie sie sind, während es der Weltgerade nicht schaden könnte, wenn Manches darin mit der Zeit besser und vernünftiger wurde!

Unter Teilnahme vieler prominenter Persönlichkeiten beging die Weststeiermark den 26. November 1892. Mit dem von der Südbahn beigestellten Sonderzug reisten folgende Herren an: Sektionschef des Handelsministeriums Dr. Heinrich Ritter von Wittek, die Ministerialsekretäre Dr. Carl Freiherr von Banhans, Rudolph von Amberg, Moriz Felicetti von Liebenfels, Ministerialrat Camill Kuranda, von der Generalinspektion der Österreichischen Eisenbahnen Oberinspektor Regierungsrat Franz Heindl und Inspektor Friedrich Rietsch, als Vertreter des Statthalters Bezirkshauptmann Dr. Theodor Hausotter, in Vertretung des in dringenden Angelegenheiten nach Wien berufenen Landeshauptmannes Landesausschuß-Beisitzer Dr. Moriz Ritter von Schreiner, in Vertretung des Korpskommandanten Se. Exzellenz FML Moriz Fux in Begleitung des Generalstabschefs Oberst Felix Graf Orsini Rosenberg, die Landtagsabgeordneten Dr. Karl Bayer, Dechant Josef Proboscht, Gewerke Anton Fürst, Franz Kautschitsch, Dr. Gustav Kokoschinegg, Alexander Koller, Dr. Leopold Link und Alois Posch, die Landeseisenbahnräte Oberingenieur Moriz Putschar und Rudolf Walz, Oberpostdirektor Wilhelm Groß, der Präsident der Grazer Handels- und Gewerbekammer Franz Schreiner, als Vertreter der Südbahn Bahndirektor Carl Zelinka und Kontrollor Ingenieur Ludwig Peter, welcher den Sonderzug von Graz nach Preding-Wieselsdorf führte, von Seite des Landesausschusses die Landesausschußbeisitzer Dr. Alexander Wannisch, Dr. Joseph Schmiderer und Dr. Heinrich Reicher, Landeseisenbahndirektor kaiserlicher Rat Carl Wurmb, Landesrat Dr. Josef Gstettenhofer, Landesoberingenieur Hermann Scanzoni, Landesoberbuchhalter Friedrich Schu(c)h, der Direktorstellvertreter des Landeseisenbahnamtes Oberingenieur Arthur Drexel und die Sekretäre Franz Presinger und Dr. Franz Stücker, in Vertretung des Polytechnischen Klubs Ing. Theophil Quirin, ferner Advokat Dr. Gustav Edler von Webenau und der Direktor der Waggonfabrik Weitzer Johann Prokosch.
In Wieselsdorf wurden die Festgäste durch den Bezirkshauptmann von Deutschlandsberg Rudolf Graf Pace, den Obmann der Bezirksvertretung von Stainz Cajetan Ennsbrunner, den Bezirkskommissär Alois Brauneis, Dr. Johann Graf von Meran, Bürgermeister Karl August Schleicher von Deutschlandsberg, Betriebsleiter Othmar Preißler, Bahnerhaltungsingenieur Josef Jilg, den Ingenieur der Bahnbauunternehmung Hauser, Ingenieur J. Otec, die Fabriksbesitzer Florian Pojatzi und Carl Franz sowie Herrn Wolfbauer aus Stainz begrüßt. Die Musikkapelle der Stainzer Zündwarenfabrik empfing den Sonderzug mit klingendem Spiel.

Mit den Worten: Eure Excellenzen! Hochgeehrte Herrschaften!

Gestatten Sie, dass ich mir im Namen des Bezirksausschusses Stainz erlaube, Eure Excellenzen nicht nur auf das ehrerbietigste zu begrüßen, sondern auch meine Freude auszudrucken, dass Eure Excellenzen die Gewogenheit hatten, an der heutigen festlichen Eröffnung der Bahn Wieselsdorf-Stainz theilzunehmen. Durch den Bahnbau Wieselsdorf-Stainz ist ein längst gehegter Wunsch der Bevölkerung, auch Stainz mit seinem Hinterlande, welches von einer erwerbs- und gewerbefleißigen Bevölkerung bewohnt ist, mildem Schienenstrange verbunden und so dem Weltverkehre zugeführt zu sehen, erfüllt worden. Die nun eingetretene Verkehrsänderung muss uns sichtlich erfreuen und kann ich dieser unserer Freude nicht würdiger Ausdruck verleihen, als indem ich heute bei diesem feierlichen Anlasse dankbar unseres erhabenen Monarchen gedenke und ausrufe: Unser allergnädigster Kaiser lebe hoch!
begrüßte der Obmann der Bezirksvertretung, Herr Cajetan Ennsbrunner, die Festgäste.

Sektionschef von Wittek erwiderte, daß er seiner hohen Befriedigung über das Zustandekommen der Bahn Ausdruck gebe. Der Bezirk Stainz habe diese Bahn der Umsicht und Fürsorge der Landesvertretung zu verdanken, das Handelsministerium wende dem erfreulichen wirtschaftlichen Fortschritte im Lande Steiermark, daher auch im Bezirke Stainz, die lebhafteste Aufmerksamkeit zu, und er beglückwünsche im Namen des Handelsministeriums den Bezirk zur Eröffnung der Bahn.

Daraufhin bestiegen die Festgäste den bereitstehenden Zug, dessen Lokomotive Stainz im Fahnen- und Reisigschmuck prangte. Wenige Meter außerhalb der Station Preding-Wieselsdorf führten der Landeseisenbahndirektor kaiserl. Rat Wurmb und der Direktor der Waggonfabrik Weitzer Prokosch die Überstellung eines Waggons der Normalspurbahn auf das Schmalspurgeleise mittels einer ungemein praktischen Vorrichtung, eines sogenannten Rollschemels, vor, welcher es ermöglichte, Waggons von einem Geleise auf das andere zu übersetzen, sodaß ein Umladen wegfiel. Unter der Führung des Betriebsleiters Preißler setzte sich schließlich der Zug in Richtung Stainz in Bewegung. Das schönste Wetter begleitete die Reisenden. An der Haltestelle Kraubath, welche die Bahn nach einer Fahrt von einer Viertelstunde erreichte, war die Schuljugend von Mettersdorf aufgestellt. Unter der Leitung von Oberlehrer Joseph Fließ begrüßten die Kinder die Festgäste mit der Volkshymne. Nach dem Passieren der Haltestellen Neudorf und Herbersdorf (!) näherte sich der Zug dem Endpunkt der Eröffnungsfahrt. Am Bahnhof in Stainz angelangt, wurden die Gäste von Bürgermeister Dr. Karl Potpe(t)schnigg, Dr. Graf Meran, Inspektor Binder, Dechant Kanonikus Dr. Johann Köberl und einer Anzahl reizender Bürgerstöchter in kleidsamer Sulmtalertracht (wohl richtigerweise: in altsteirischer Tracht) empfangen. Nach Ansprachen von Dr. Potpe(t)schnigg, Sektionschef von Wittek, Dr. Moriz Ritter von Schreiner und Dr. Hausotter erhielten die Ehrengäste prächtige Blumensträuße überreicht.
Unter stürmischen Hochrufen der jubelnden Bevölkerung und unter dem klingenden Spiel der Stainzer Musikkapelle hielten die Gäste Einzug in den festlich geschmückten Markt. Sie schritten durch eine Triumphpforte, einem römischen Stadttor gleichend, mit welcher Herr Seiler dem Markt an diesem Tage eine besondere Zierde verliehen hatte. Nach dem Stadtrundgang und der Besichtigung des Schlosses versammelten sich schließlich alle zu einem Festmahl in Franz Dosers Gasthof. Unter der Leitung des Grazer Hoteliers Alois Daniel hatte der Küchenchef Ernst Wage ein vorzügliches Menü bereitet.

Allerdings brach an dieser Stelle die Berichterstattung der Pressevertreter ab, da man ihnen äußerst ungünstige Plätze zugewiesen hatte, wo sie weder etwas sehen noch hören konnten.