Der Wieserzug poltert bei der Einfahrt in die Station Preding-Wieselsdorf über die Weichen, die Bremsen knirschen und der Zug steht. "Preding-Wieselsdorf! Nach Stainz umsteigen!" rufen die Schaffner. Die Wagentüren öffnen sich und eine größere Zahl Reisender entsteigt dem großen Zug und begibt sich eilenden Schrittes hinter das Bahnhofgebäude, wo der kleine Bruder des großen Zuges, das Züglein der schmalspurigen Landesbahn Preding - Wieselsdorf - Stainz mit seiner kleinen Lokomotive und den niedlichen Waggons bereitsteht, die Reisenden ins Schilcherlandl nach Stainz aufzunehmen. Bald, nachdem der große Bruder in der Richtung nach Mettmannstätten abgedamppt ist, folgt das Stainzer Züglein, pfauchend wie ein zorniges Kätzchen, zuerst dem Schienenweg des großen Bruders, um nach der Brücke über den Stainzbach scharf nach Nordwesten abbiegend seinem Ziele, dem freundlichen Markt Stainz mit seinem prächtig dominierenden Schloß zuzustreben.
Am 26.11.1992 jährte sich der denkwürdige Tag zum 100. Mal, an welchem die Localbahn Wieselsdorf-Stainz - auch als Landeshahn Preding-Wieselsdorf - Stainz bezeichnet - eröffnet wurde.
Bereits zu Beginn der Siebzigerjahre des 19. Jahrhunderts war eine Eisenbahnlinie für die Weststeiermark mit Anschluß an den Markt Stainz im Gespräch. Im Frühjahr 1871 konnte man in der Presse lesen:
Die Tracenrevision der Strecke Lieboch-Wies wird unter der Leitung des Herrn k.k. Inspectors Franz Scholz am 17. April in Lieboch beginnen und in der Richtung gegen Wies beziehungsweise Stainz fortgesetzt werden.
Im Gesetz vom 21. Juli 1871, betreffend die Herstellung der Eisenbahn von Lieboch nach Wies mit einer Abzweigung nach Stainz durch die priv. Gratz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft, wurde die Regierung ermächtigt, der genannten Gesellschaft Begünstigungen im Falle der Erteilung der Konzession zum Bau und Betrieb einer Locomotiv-Eisenhahn von Lieboch über St. Florian und Deutschlandsberg nach Wies mit einer Abzweigung nach Stainz unter gewissen Bedingungen zu gewähren.
Im Artikel II hieß es: Der Bau der Abzweigung nach Stainz ist in Angriff zu nehmen, sobald für diese Zweigbahn ein Transport-Quantum von ungefähr 2,000.000 Zollrentnern (= 100.000 t) jährlich nach dem Erkenntnisse des Handelsministeriums in Aussicht genommen werden kann, und sodann binnen Jahresfrist zu vollenden.
In diesem Gesetz wurden die Maximaltarife sowohl für die Personen- als auch die Warenbeförderung festgelegt.
Am 8. September des gleichen Jahres wurde der Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft in Erwägung der Gemeinnützigkeit des Unternehmens die Konzession erteilt. Im § 3 der Bedingungen war der oben genannte Zusatz erneut festgehalten worden.
Die Bedingungen erfüllten sich jedoch nie. Ende April 1880 wandte sich die Marktgemeinde Stainz mit einer Eingabe an den Landesausschuß, in welcher sie anführte, daß ein wenn auch noch so einfacher Schienenweg für die Existenz des Marktes und des Bezirkes Stainz eine Überlebensfrage geworden sei und sie deshalb das Projekt einer normalspurigen Straßen-Vizinalbahn mit Locomotivbetriebe von dem Zivilingenieur Oskar Baron Laz(z)arini habe ausarbeiten lassen. Die Gemeinde Stainz nahm zum Zwecke des Bahnbaues ein Darlehen von 120.000 Gulden auf und verpflichtete sich weiters, 2.000 Gulden jährlich zur Amortisation desselben zu garantieren, wenn das Land Steiermark und der Bezirk für den gleichen Zweck 5.500 Gulden beziehungsweise 3.000 Gulden beizutragen bereit sein würden. Laut Statthaltereierlaß vom 2. November 1883 wurde die Trassenrevision für Montag, den 19. November, festgelegt, zu der k.k. Statthalterbeirat Julius Seeder und k.k. Oberbaurat Franz Ritter von Hochenburger delegiert wurden.
Aus einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft wurde darüber Klage geführt, daß die Graz-Köflacher Gesellschaft den Bahnbau durch konsequente Verschleppung ganz zu vermeiden trachtete. Die Gemeinde Stainz, mehrere Bürger des Marktes und die Pojatz'sche Zündwarenfabrik waren bereit, 2.400 beziehungsweise je 1.000 Gulden zur Verfügung zu stellen. Graf Meran und die Plattenbruchgesellschaft wollten Baumaterialien liefern und die Anrainer ihren Grund teils unentgeltlich, teils zu niedrigsten Preisen zur Verfügung stellen.
Neuerliche Unstimmigkeiten verhinderten jedoch das Zustandekommen des Bahnbaues, sodaß die nächste Trassenrevision für Montag, den 12. Jänner 1885,anberaumt werden mußte. Dabei wurden sowohl das Projekt Laz(z)arinis (von Wieselsdorf bis km 7) als auch das der k.k. priv. Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft (ab km 7 bis Stainz) berücksichtigt. Allerdings war niemals die Rede von einer schmalspurigen Ausführung dieser Bahn.
Da jedoch der Landtag dieses Vorhaben nicht billigte, wurde der Landesausschuß beauftragt, neuerliche Erhebungen durchzuführen. Die Grazer Handels- und Gewerbekammer befürwortete das nunmehr vorgelegte Projekt, das Landesbauamt und die Landesbuchhaltung hatten jedoch große Bedenken bezüglich der präsentierten Rentabilitätsausweise. In der Sitzung des Landtags beantragte der Landesausschuß seine Ermächtigung zum Zwecke der Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals, soweit die eigenen Erträgnisse der Bahn nicht ausreichen sollten, einen Jahresbeitrag von höchstens 4.000 Gulden in Aussicht zu stellen. Die Zahlung sollte maximal 30 Jahre lang, aber nur unter der Bedingung geleistet werden, daß die beiden Straßen Stainz-Wieselsdorf und Stainz-Lannach als Straßen zweiter Klasse vom Bezirke erhalten werden. Dieser Antrag wurde angenommen, obwohl 25 Petitionen dagegen vorlagen.
Mangels finanzieller Mittel kam das Projekt nicht zustande. Erst 1888 beschäftigte sich der Landtag am 14. Jänner wieder damit. Da dem Antrag weder ein technisches Operat noch ein Geldbeschaffungsnachweis beilag, wurde das Thema auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Im Jahr darauf wurden Projekte der Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft sowie des Bezirksausschusses Stainz vorgelegt. Da das Lokalbahngesetz noch nicht verabschiedet worden war, blieb eine Entscheidung aus. Wieder ein Jahr später war der Bezirk Stainz bereit, die im § 4 des neuen Gesetzes geforderten Bedingungen - Zusicherung seitens der Interessenten oder des Staates oder beider zusammen, wenigstens ein Drittel des Gesamterfordernisses a fonds perdu (= Zahlung ohne Aussicht auf Gegenleistung) beizusteuern beziehungsweise Stammaktien im gleichen Betrage zum vollen Nennwert zu übernehmen - zu erfüllen.
Der Landesausschuß erwarb daraufhin die Vorkonzession und berichtete, daß die Lokalbahn inklusive Fahrpark und Interkalarzinsen schmalspurig 270.000 Gulden, vollspurig 360.000 Gulden kosten würde. Somit wurde die schmalspurige Version zumal auch die Bevölkerung dem Projekt zustimmte - in Aussicht genommen. Da der nötige Verzinsungs- und Tilgungsaufwand für das Anlagekapital von 270.000 Gulden nur 11.200 Gulden ausmachte, erschien die Bahn im Sinne des Lokalbahngesetzes bauwürdig. Selbst die k.k. Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen hatte sich dahingehend ausgesprochen, daß diese Linie ein lebens- und entwicklungsfähiges Unternehmen zu werden verspreche. In der Sitzung vom 21. November 1890 wurde - obwohl 19 Petitionen gegen den Bau vorlagen - beschlossen, alle notwendigen Schritte zur Sicherstellung des Baues der schmalspurigen Lokalbahn zu unternehmen. Mit der Ausarbeitung eines - alle Herstellungen bis ins Detail darstellenden Planes - wurde der Zivilingenieur Emil Teischinger beauftragt.
Nachdem der Landes-Eisenbahnrat in der Sitzung vom 20. März 1891 für das vorgelegte Projekt ausgesprochen hatte, legte man dieses dem hohen k.k. Handelsministerium vor. Nach der prinzipiellen Genehmigung fanden in der Zeit vom 4. bis 7. November Trassenrevision, Stations-Kommissionen und politische Begebung statt.
Nach der Trassenrevision beziehungsweise der politischen Begebung stand fest, daß die Gemeindevorsteher von Gussendorf, Wieselsdorf, Neudorf, Herbersdorf, Grafendorf und Graschuh keine Einwände gegen die Trasse erhoben. Sie baten lediglich um die Errichtung je einer Haltestelle in Kraubath mit dem Namen Gassendorf (km 5,1) und einer in Neudorf (km 7,3). Genehmigt wurden beide, doch sollte die erste Haltestelle Kraubath bei Stainz und die zweite Herbersdorf genannt werden. Das Ansuchen des Leiters der Zündwarenfabrik, Carl Franz, um Bewilligung zur Errichtung einer Schleppanlage zwischen km 10,9 und km 11,0 wurde ebenfalls genehmigt.
Am 14. Mai 1892 wurde die Concessionsurkunde für die Localbahn von Wieselsdorf nach Stainz - zugleich mit der für die Localbahn von Pöltschach nach Gonobitz erteilt. Damit erhielt der steiermärkische Landesausschuß das Recht zum Bau und Betrieb einer als schmalspurige Localbahn auszuführenden Locomotiveisenbahn von der Station Wieselsdorf der Linie Lieboch-Wies der k.k. priv. Graz-Köflacher Eisenbahn nach Stainz. Mit dem Bau mußte sofort begonnen werden und er sollte binnen eineinhalb Jahren vollendet sein. Der Konzessionär hatte das Recht, eine Aktiengesellschaft zu bilden, was jedoch in diesem Fall nicht geschah. Die Dauer der Konzession war mit neunzig Jahren befristet.
Beim steiermärkischen Landes-Eisenbahnamte lagen die Vergebungs-Operate für die neue Linie auf und konnten von Unternehmern, welche sich Für das Baugeschäft interessieren, täglich eingesehen werden.
Die Bauausschreibung wurde im Mai in der Zeitung veröffentlicht. Gemeint war die Ausführung des gesamten Unterbaues, des Oberbaues und Hochbaues, ausschließlich der Lieferung des eisernen Überbaues der Brücken, der Oberbaumaterialien, der mechanischen Ausrüstung für die Wasserbeschaffungs-Anlagen und der Gebäudeausrüstung. Die Angebote waren längstens bis zum 30. Mai einzureichen. Der Landesausschuß behielt sich dabei das Recht vor, über Annahme oder Nichtannahme der Offerte frei zu entscheiden, allenfalls auch sämtliche Offerte zurückzuweisen.
An der Ausschreibung für die Linien Preding-Wieselsdorf-Stainz und Pöltschach-Gonobitz beteiligten sich neun Firmen mit fünfzehn Offerten. Für die weststeirische Linie erhielt die Bauunternehmung des Ingenieurs A.A. Hauser auf Grund eines Pauschal-Offertes den Zuschlag. Die Lieferung des Eisenoberbau-Materiales wurde dem Walzwerk der k.k. priv. Südbahn-Gesellschaft in Graz zugeschlagen.
Die Lieferung von Fahrbetriebsmitteln für beide Schmalspurlinien wurde am 20. Juni nach Anhörung des ständigen Beirathes des Landes-Ausschusses an die Firma Johann Weitzer in Graz und Krauß u. Comp. in Linz vergeben. Der Termin für die Lieferung der Lastwagen war mit längstens 3 Monaten und für die Personenwagen mit 3 1/2 bis 4 Monaten festgelegt worden. Zwei Lokomotiven waren spätestens am 20. und zwei weitere Maschinen am 25. Oktober zu liefern.
In Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste und Bürger des Marktes Stainz fand am 4. Juni 1892 um 11.30 Uhr der erste Spatenstich für die Eisenbahnlinie statt. Der eigentliche Baubeginn erfolgte am 17. Juni und wurde durch viele Regentage erschwert, sodaß die Baufirma ein Ansuchen an die Bezirkshauptmannschaft richtete, auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten zu dürfen, um bis Ende Oktober fertig zu werden. Ende Juli waren immerhin 55 Facharbeiter und 415 Taglöhner beim Bau der Bahn beschäftigt. Am 4. Oktober fand die Kollaudierung der feuersicheren Herstellungen sämtlicher Objekte entlang der Strecke statt, um den Lokomotivbetrieb provisorisch aufnehmen zu können. Der Schotterzugsverkehr konnte somit am 18. Oktober beginnen. Am 19. November sollten schließlich die beiden neuen Tender-Locomotiven einer Prüfung durch den k.k. Statthalterei-lngenieur Otto Wagner, den k.k. Bezirkskommissär Alois Brauneis und den Kommissär Carl Nischer Ritter von Falkenhof von der k.k. Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen unterzogen werden.
Für den 14. November 1892 war die Kollaudierung und Erprobung der Fahrbetriebsmittel auf der Strecke selbst vorgesehen. Der Kommissär der k.k. General-Inspection aus Wien, Herr Carl Nischer Ritter von Falkenhof, sollte seines Amtes walten. Am Tag darauf war die Brückenprobe, zwei Tage danach die Vorrevision durch die Vertreter der k.k. Eisenbahn-General-lnspection, drei Tage später die technisch-polizeiliche Prüfung und schließlich am 19. November die Eröffnung geplant.
Noch am gleichen Abend langte jedoch ein Telegramm, gerichtet vom Handelsministerium an das Landes-Eisenbahnamt in Graz, ein, wodurch die vorgesehenen Prüfungen auf unbestimmte Zeit verschoben wurden. Am vorgesehenen Eröffnungstag langte neuerlich ein Telegramm aus Wien ein und legte die Vorrevision mit 23., die technisch-polizeiliche Prüfung mit 24. und die feierliche Eröffnung mit 26. November 1892 fest. Gleichzeitig wurde dem Ansuchen des Steirischen Landesausschusses entsprochen, welches eine neue Art des Betriebes auf Lokalbahnstrecken vorsah. Auf solchen Strecken sollte nach deutschem Muster der Warenverkehr durch sogenannte Betriebsagenten durchgeführt werden, um die Betriebskosten zu senken.
Die Presse berichtete wie folgt:
Soeben wurden die auf Vereinfachung des Betriebes auf den Schmalspurbahnen in Steiermark bezüglichen Conferenzen im Handelsministerium abgeschlossen und sowohl die organisatorischen Bestimmungen, als auch sämtliche Instructionen und die Entwürfe für die Anschluß- und Betriebsverträge genehmigt. Der vom Landes-Eisenbahnamte ausgegangene Impuls hat volle Anerkennung gefunden und werden die nunmehr zur Eröffnung gelangenden Linien bereits nach dem neuen Systeme betrieben werden.