Der Naturarzt Johann Reinbacher, allgemein bekannt unter dem Namen Höllerhansl, wurde am 8. Dezember 1866 in Greim, Pfarre Gams bei Stainz, geboren. Man kannte nur seine Heilmethode und -erfolge, seine Person blieb stets im Verborgenen. Vom Vater wurde er früh in die Geheimnisse der Volksheilkunst eingeführt. Weitere Kenntnisse erwarb er sich aus einem dreihundert Jahre alten Volksmedizinbuch. Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg begann seine Popularität anzusteigen. Der Höllerhansl stellte aus dem Harn seiner Patienten Diagnosen und verschrieb ihnen als Heilmittel Kräuter, die durchwegs aus seiner Apotheke stammten. Wie groß der Anhang des Wunderdoktors aus Stainz gewesen war, zeigte sich darin, daß die nach Stainz verkehrenden Züge der Schmalspurbahn den Namen Flascherlzug erhielten, weil sie mit Patienten voll besetzt waren, welche ihren Harn zum Höllerhansl bringen wollten.
Mit dem erworbenen Geld konnte der Wunderdoktor das von seinem Vater ererbte Haus, eine baufällige Keusche, in Rachling ob Stainz ausbauen. Ein eigener Wagenverkehr brachte die Patienten vom Bahnhof in Stainz zu ihm. In den Jahren 1925-1930 nahm der Andrang derartige Formen an, daß Zählkarten ausgegeben werden mußten, um den Zustrom zu regeln.
Wie skeptisch man diesem Phänomen gegenüber stand, zeigte ein Artikel, der 1921 in einer Grazer Zeitung zu lesen war:
... Hunderte und Hunderte pilgern zu ihm, nach Rachling, dem nichtigen Bergdörfchen, das mit dem Reinbacherschen Hexenbalsam der Schilcherbedeutung von Stainz die Krone der Kennzeichnung raubt. Jung und alt, groß und klein, dick und dünn, arm und reich, mit Flascherln jeder Größe bewaffnet, wandert der Aberglaube täglich vielhundertfach zum 6-Uhr-Zug, der nach Stainz führt, den der Eisenbahnerwitz ''Flascherlzug'' getauft hat.
Die Wände dieses Zuges wiederhallen von den Wundern des Stainzer Kreutlsaftmessias.
... In Preding-Wieselsdorf wird umgestiegen. Dort sieht man erst die Größe der Schar, die nach Rachling eilt. Sie besteht aus 200, 300 und 400 bis 500 Menschen täglich.
... Je näher der Zug der Station Stainz kommt, desto größer wird die Unruhe der Höllergäste. Schon lange vor Anhalten des Zuges haben sich alle erhoben. Eine merkliche Nervosität beherrscht die Leute, ...
Die Ekstase ist eingetreten.
Wäre nicht im Augenblicke der höchsten Spannung der Pfiff der Lokomotive erklungen, wer weiß, zu welchen Szenen es geführt hätte.
Nun aber gibt es kein Halten mehr. Die Waggontüren werden aufgerissen und aus dem noch fahrenden Zuge stürmen, stürzen und springen die Menschen in wilderregter Hast.
Noch im gleichen Jahr mußte sich der Höllerhans vor dem Grazer Bezirksgericht in der Paulustorgasse verantworten. Er war bereits im Jahr zuvor zu einer Geldstrafe von 500 Kronen verurteilt worden und das Stainzer Bezirksgericht, vor dem sich Reinbacher wegen Kurpfuscherei verantworten hätte sollen, erklärte sich befangen. Das Urteil, das in Graz gefällt wurde, lautete auf 10.000 Kronen Geldstrafe. Der Verteidiger meldete Berufung an.
Einige Jahre hielt der Zustrom noch an, doch dann verblaßte sein Stern. Seinem Können waren doch recht enge Grenzen gesetzt. Die Bemühungen um die Hebung der Volksgesundheit und der Fortschritt der Medizin brachten den Zulauf zum Erliegen. Selbst konnte sich der Höllerhansl nicht helfen. Ein schweres Magenleiden setzte seinem Leben am 20. Jänner 1935 ein Ende.
Im Volksmund hieß damals der Personenzug von Preding-Wieselsdorf nach Stainz der Flascherlzug, der Zug von Stainz nach Preding-Wieselsdorf der D-Zug (Tee).