Anläßlich einer Steiermarkrundreise wollte die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte ihren Teilnehmern eine ganz besondere Überraschung bieten.
Glücklicherweise hatte zu jenem Zeitpunkt der Club 760 - der Verein der Freunde der Murtalbahn - von den Österreichischen Bundesbahnen zwei Wagen des Haubendachtyps (Bi 3693 und Bi 3705) erworben, welche in einer Blitzaktion statt nach Murau für die am 3. Juni 1971 durchgeführte Sonderfahrt nach Stainz gebracht worden waren.
In Stainz hatte sich der große Erfolg der Murtaler Bummelzüge herumgesprochen, sodaß bald die Idee eines Flascherlzuges konkretisiert werden konnte. Bereits einen Monat nach der Sonderfahrt - am 3. Juli 1971 - startete der Flascherlzug zu seiner triumphalen Jungfernfahrt. Gezogen wurde dieser Zug von der in Reserve gehaltenen S 11, die auf der rechten Seite das Namensschild Stainz trug. Damit war der Name bereits ein viertes Mal vergeben worden. Kaum jemand hätte dieser für Stainz neuen Attraktion einen so großen Erfolg zugebilligt. Er kam jedoch nicht von ungefähr, sondern war die Frucht intensiver Bemühungen Stainzer Bürger.
Am 16. März jenes Jahres war im Gasthaus Neuhold in Stainz die Närrische Stainzer Faschingsgilde gegründet worden, welche sich die Aufgabe gestellt hatte, alljährlich den Fasching zu gestalten. Die Leitung lag in den Händen von Rudolf Schliber (Präsident) und Ing. Alfred Lienhart (Vizepräsident). In weiteren Funktionen waren tätig: Wilhelm Sommer, Horst Neger, Karl Liebmann, Direktor Hubert Hölzl, Karl Kuhn, Direktor Josef Peyer, Gernot Becvar, Reinhard Griesold, Anton Köck, Alfred Kroyss, jun., Alois Schmidt und Fritz Gaich. Nach Gesprächen mit den Steiermärkischen Landesbahnen wurde die Möglichkeit, eine Dampfzugsfahrt zu veranstalten, in den Sitzungen besprochen und bejaht.
Während die Steiermärkischen Landesbahnen den Bahnbetrieb führten (beschränktöffentlicher Personenverkehr ab 3. Juli), bemühten sich die Mitglieder und Freunde der Närrischen Stainzer Faschingsgilde um die Restaurierung der Waggons. Diese wurden bunt lackiert und erhielten nebst neuen Nummern nach dem StLB-Schema dazupassende Namen. Eine rege Werbetätigkeit machte die kleine Bahn bald in weiten Kreisen bekannt, sodaß ganze Reisegruppen an den weiteren Fahrten teilnahmen. Fahrplanmäßige Betriebstage waren zunächst die Samstagnachmittage, vermehrt durch Sonntagnachmittage in der Hauptsaison. Zusätzlich gab es auf Bestellung Sonderfahrten und bald auch Amateurlokfahrten.
Noch im Juli 1971 konnte ein dritter Waggon, der Bi 3621 der ÖBB, vom Club 760 nach Stainz gebracht werden. Er wurde von der Närrischen Stainzer Faschingsgilde zu einem Barwagen umgestaltet, welcher die Fahrgäste mit Schilcher und Verhackertbroten versorgte. Weitere Waggons waren von der ÖBB nicht mehr zu erwerben. Doch Not macht erfinderisch - 1972 konnte einem Häuslbauer aus Großraming der Kasten des Bi 3627, den er als Bauhütte verwendet hatte, abgekauft und in einer mit primitivsten Mitteln durchgeführten Aktion abtransportiert werden. Von der ÖBB erwarb der Club 760 ein passendes Untergestell (das des Bregenzer Dienstwagens 6422) und hatte damit ab dem Jahr 1973 einen weiteren Waggon zur Verfügung.
Noch 1972 hatte der Club 760 den Bregenzer Dienstwagen 6410 erworben und nach Stainz verfrachtet. Die hohen Instandsetzungskosten waren nicht zu vertreten und daher brachte man den Waggon nach Murau.
Aufgrund der ständig wachsenden Arbeit mit dem Stainzer Flascherlzug nannten sich die Betreiber ab 1974 nur mehr Stainzer Gilde. Ende 1977 wurden sie vollständig im Stainzer Fremdenverkehrsverein integriert. Der Flascherlzug wurde bereits ab der Saison 1977 wieder von den Steiermärkischen Landesbahnen betrieben.
Da der Zug weiter an Beliebtheit gewann und oftmals zum Bersten voll war, freute man sich sehr, als Murau im Jahre 1978 den zweiachsigen Personenwagen C 65 als fünften Waggon nach Stainz abgeben konnte.
Im Jahre 1979 erwarben die Steiermärkischen Landesbahnen aus Deutschland eine weitere Heeresbahndiesellok des gleichen Typs wie die VL 2 und VL 3, die V 18 der Gassauischen Kleinbahn (gebaut von Gmeinder im Jahre 1940, Nr. 3143). Sie kam nach der Renovierung und der Umspurung von 750 auf 760 mm durch die Werkstätte Weiz im Februar 1980 nach Stainz, nachdem die VL 2 mit einem größeren Schaden abgestellt werden mußte.
Im Gegensatz zu der positiven Entwicklung des Flascherlzuges stagnierte der Güterverkehr auf einem sehr niedrigen Niveau. Nur einmal - 1974 - hatte eine Spekulationswelle von Käufen billigen russischen Holzes durch die heimischen Sägewerke zu Spitzenwerten von 20 Waggons pro Tag geführt. Das normale Frachtaufkommen betraf nur landwirtschaftliche Güter und Stückgutsendungen. Der Versand von Stainzer Platten erfolgte zumeist auf der Straße und nicht mehr auf Schienen. Eine Betriebseinstellung schien unaufhaltsam. Schließlich bedeutete der Auftrag der Aufsichtsbehörde, die Herzstücke des Vierschienenabschnitts im Bereich des Bahnhofs Preding-Wieselsdorf zu erneuern, das endgültige Aus der Lokalbahn. Mit 31. März 1980 wurde die Einstellung des Güterverkehrs verfügt. Am Vortag nahmen zahlreiche Eisenbahnfreunde aus dem In- und Ausland mit einem von der S 11 gezogenen GmP von der Schmalspurbahn als öffentlichem Verkehrsträger Abschied. (55)
Der Vierschienenabschnitt wurde am 14. April gesperrt, um die Schienen abzumontieren, während die restliche Strecke erhalten blieb. Da die Marktgemeinde großes Interesse am Fortbestand der Linie zeigte, erweiterte man das Fanggleis nächst der Einmündung in die GKB-Linie durch den Einbau einer zweiten Weiche zu einer Ausweiche, um die Lokomotive umsetzen zu können. Die neue Endstelle erhielt den Namen Wohlsdorf.
Erhalten werden konnte der gesamte Fuhrpark mit Ausnahme der neuen VL 7, die nach zweimonatigem Aufenthalt in Stainz nach Murau gebracht wurde. Dadurch war der weitere Einsatz des Flascherlzuges im Sommer 1980 gesichert. Jedoch beabsichtigten die StLB, die Konzession dieser Strecke zurückzulegen. Dem Ansuchen entsprach das Bundesministerium für Verkehr am 1. November 1980. Die Marktgemeinde war hingegen fest entschlossen, ihren Flascherlzug nicht fallenzulassen und hatte daher am 1. September einen Antrag um Betriebsgenehmigung nach dem Steirischen Veranstaltungsgesetz gestellt. Aufgrund dieser Ringelspielkonzession durfte sie mit 9. Mai 1981 den Betrieb auf der von ihr mittlerweile gepachteten Strecke aufnehmen. Idealismus und freiwillige Arbeitseinsätze halfen, sämtliche notwendigen Arbeiten zu bewältigen. Das Stainzer Heizhaus wurde renoviert, das Unkraut entlang der Strecke entfernt, die Schotterung ausgebessert, neue Warntafeln an den Übergängen aufgestellt und der C 65 neu lackiert. Selbst das Problem mit der S 11 konnte gelöst werden. Da die Lokomotive zur Billigen Hauptuntersuchung nach Weiz mußte und daher für 1981 nicht zur Verfügung stand, schloß man mit den StLB ein Übereinkommen, daß aushilfsweise die Weizer U 8 (Cl-n2t, gebaut 1894 von Krauss in Linz mit der Nr. 3062), die ehemalige Teufenbach der Murtalbahn, ihren Dienst zwischen Stainz und Wohlsdorf versehen durfte. Mittels Tieflader wurde sie zu ihrer neuen Aufgabe überstellt. Daß sich diese Mühen lohnten, zeigen die Ergebnisse dieses Jahres: 86 Züge mit rund 12.000 Fahrgästen konnten die Strecke bewältigen!
Folgende Waggons des Flascherlzuges stehen derzeit im Einsatz
- Bi 31 Schilcherschaukel, blau ÖBB 3621 1971
- Bi 32 Bergliesl, rot ÖBB 3693 1971
- Bi 33 Höllerhansl, grün ÖBB 3705 1971
- Bi 34 Kräuterwagerl, gelb ÖBB 3627/6422 1973
- Bi 35 Rosenkogel, grün MtB 1991
- Bi 36 grün/weiß MtB, ex Weiz 1992
- D 10 Dienstwagen, grün ÖBB 6411 1988