Der Betrieb des Hofsalonwagens

Die Innenansicht des K.K. Hofsalonwagen. (Foto: Ansichtskarte aus dem Verlag Richard Pietsch & Co. KG. Wien, zur Verfügung gestellt von den WLB)
Der Salonwagen 200 vor der Remise in Inzersdorf. (Foto: Schmidt / Jocham, 5. 10. 1955)
Die drei Museumswagen des Verbandes der Eisenbahnfreunde vor der WLB-Remise in der Eichenstraße: ÖBB 42 000, WLB 200 und LWP 1607. (Foto: Schmidt / Jocham, 6. 11. 1955)

Textauszug aus der Broschüre "Der Hofsalonwagen der Badner Bahn" von Dr. Hans Pötschner, Verlag Josef Otto Slezak, ISBN 3-900134-33-2

Mit dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie fiel der primäre Verwendungszweck des Salonwagens weg. Da die Bahnverwaltung damals mit außerordentlichen Schwierigkeiten insbesondere bezüglich Stromversorgung und Materialbeschaffung zur Wiederherstellung des durch die Kriegsverhältnisse arg in Mitleidenschaft gezogenen Wagenparks zu kämpfen hatte, um den Verkehr überhaupt aufrechterhalten zu können, wurde er vorerst abgestellt. Von 1925 an kam der Wagen wieder als Wagen für kleine Gesellschaften und für die damals so beliebten 'Fahrten ins Blaue' in Verwendung. Er wurde vorher gründlich überholt, wobei man die beiden Rollenstromabnehmer als überflüssig abmontierte, weil während einer Betriebseinstellung vom 2. 1. bis 1. 4. 1925 die Oberleitung der Badener Ortslinien auf Bügelsystem umgebaut worden war. Der Wagen 200 fuhr sodann auf sämtlichen Linien der WLB mit dem in Wagenmitte angebrachten Berliner Bügel mit Doppelschleifstück.

Die beginnende Wirtschaftskrise ließ die Fahrten des Salonwagens beträchtlich zurückgehen und schließlich wurde er wieder einmal abgestellt. Wegen des Metallmangels während des Zweiten Weltkriegs baute man auch die elektrische Ausrüstung aus und verwendete sie anderweitig.

Der Hofsalonwagen nach dem Zweiten Weltkrieg

An den Anlagen der Badner Bahn hatte der Krieg schwere Schäden hinterlassen. Ein Großteil des Ursprungswagenparks war für den Personenverkehr unbrauchbar oder zumindest in desolatem Zustand. Bahnhofsgebäude waren zerstört und die Überlandzüge mußten mit Dampf geführt werden. An Ausflugsfahrten oder gesellschaftlichen Veranstaltungen mit einem Salonwagen nach Baden bestand umso weniger Interesse, als Baden Sitz der russischen Kommandantur war. Der Wagen blieb daher zunächst abgestellt. Nach Wiederherstellung des durchgehenden elektrischen Betriebs mit geändertem Stromsystem fehlten für eine neue elektrische Ausrüstung des Wagens damals sowohl die finanziellen als auch die technischen Mittel. Der geplante Umbau in einen Beiwagen unterblieb schließlich wegen des hohen Eigengewichts des Salonwagens und wohl auch wegen seines geringen Platzangebots.

Um dieses einmalige Fahrzeug vor drohender Verschrottung zu bewahren, entschloß sich der Verband der Eisenbahnfreunde (VEF) zum Kauf des Wagens. Ein diesbezügliches Schreiben vom 27. Juli 1955 beantwortete die AG der Wiener Lokalbahnen (WLB) am 26. August 1955 mit einem Preisangebot von 5000 Schilling. Mit Bezahlung des Kaufpreises ging der Wagen am 20. September 1955 ins Eigentum des Verbands über.

Die WLB entfernten noch die elektrische Ausrüstung, die ja für Betriebsfahrzeuge dringend benötigt wurde, und gestatteten dem VEF die Aufstellung des Wagens gemeinsam mit dem etwa ein Jahr früher erworbenen Preßburger Wagen CMg 1607 sowie einem ehemaligen Stockwagen auf dem Gelände vor der Halle des Bahnhofs Wolfganggasse. Der Wagen diente nun durch Jahre dem VEF als Klubwagen, auch nachdem er mit dem CMg Anfang der sechziger Jahre in den Bahnhof Hütteldorf überstellt worden war.

Der beginnende Aufbau eines Wiener Tramwaymuseums im Bahnhof Ottakring der WVB und die Miete zweier Gleise der Halle IV dieses Bahnhofs durch den VEF ermöglichten endlich wieder eine Unterbringung unter Dach. Da eine Instandsetzung von Wiener Straßenbahnfahrzeugen leichter sowie weitaus billiger war und ihr Betrieb eher auf dem Netz der WVB als auf jenem der WLB in Betracht kam, diente der Salonwagen auch weiterhin nur als Empfangsraum, Garderobe und Verbandsarchiv.

Im Jänner 1972 wurde der Verein NÖ-Lokalbahnmuseum gegründet, der sich die Erhaltung und den Betrieb historisch und technisch bedeutender niederösterreichischer normalspuriger Lokalbahnfahrzeuge zum Ziel setzte. In der Folge wurden sowohl mit dem VEF wie auch mit dem Österreichischen Eisenbahnmuseum Übereinkommen geschlossen, um die Renovierung von Fahrzeugen, die nicht im Eigentum des Vereins stehen, auf eine Rechtsgrundlage zu stellen. Diese Verträge erfaßten auch den Salonwagen. Der VEF bleibt demnach weiterhin Eigentümer des Wagens, der Verein NÖ-Lokalbahnmuseum hingegen übernimmt die Betreuung, die auch die Regelung einer widmungsgemäßen Verwendung durch die Badner Bahn umfaßt.

Die Werkstätte der Internationalen Schlafwagen- und Touristikgesellschaft (ISTG), die als eine der wenigen Werkstätten imstande ist, exquisite Holzarbeiten, aber auch Verkabelungen herzustellen, konnte für die Durchführung der Arbeiten zu sehr entgegenkommenden Bedingungen gewonnen werden. Der Einbau der elektrischen Ausrüstung und die Kastenarbeiten wurden in der ISTG-Werkstätte ausgeführt, während die Werkstätte der WLB die Fahrmotoren einbaute und die Drehgestelle überarbeitete. Bei allen Arbeiten war Grundbedingung, das historische äußere Aussehen des Wagens nur in unumgänglich notwendigem Ausmaß zu verändern, jedoch möglichst solche Bauteile zu verwenden, für die es entweder noch auf Jahre hinaus genügend Tauschteile gibt oder die überhaupt im Betrieb der Badner Bahn verwendet werden, ein Vorhaben, das dank der großartigen Leistungen der beteiligten Werkstätten als durchaus gelungen angesehen werden kann.

In seiner technischen Konzeption entsprach der Wagen den bis dahin gebauten zweimotorigen Triebwagen, nur daß, ähnlich wie die nur wenig früher gebaute Wiener Type T, die Motoren jeweils die inneren Achsen der Drehgestelle antrieben, während die äußeren Achsen nur als Laufachsen ausgebildet waren. Schon aus Gründen der Abmessungen der Drehgestelle und des Rahmens mußte diese Konzeption beibehalten werden; allerdings wird es durch den Einbau stärkerer Motoren möglich sein, künftig wenigstens einen Beiwagen mitzuführen. Als einzige den Anforderungen entsprechende Motortype kamen Stadtbahnmotoren der Type D 871 in Betracht, zumal sie sich in den auf den WLB verkehrenden Stadtbahnwagen durchaus bewährt haben. Ebenso konnten die Radsätze der Stadtbahnwagen verwendet werden, weil auch diese betrieblich durchaus entsprechen und die WLB überdies passende Radreifen, die von den seinerzeitigen Umbauten der Stadtbahnwagen übriggeblieben waren, zur Verfügung stellen konnte. Als Ersatzteilspender lieferten die von den WVB angekauften Wagen NH 6353 (ex N 271i) und nh 7710 (ex n 5565) Motoren, Widerstände, Radsätze und Achslager. Die Druckluftschützensteuerung des N war allerdings nicht zu verwenden, weil die beengten Raumverhältnisse den Einbau eines Kompressors nicht zuließen und auch der Innenraum von Einbauten möglichst freigehalten werden mußte.

Da wegen der hohen Betriebsspannung der WLB eine Direktsteuerung nicht in Betracht kam, wurde eine Schützensteuerung gewählt, wie sie auch bei den Kölner Wagen verwendet wird. Siemens stellte die hierfür notwendigen sieben Hauptschützen und drei Hilfsschützen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Die Steuerung selbst erfolgt mittels entsprechend umgebauter Fahrschalter der Type B 8 w und einer Spannung von 24 V. Die Niederspannung wird durch eine mit Motor der Vakuumpumpe verbundene Lichtmaschine erzeugt und in einer Bleibatterie gespeichert.

Die Bremsung besorgt weiterhin eine auf Zylinder in beiden Drehgestellen wirkende Vakuumbremse sowie eine Handbremse als Feststellbremse. Da die Stadtbahnmotoren nicht für Widerstandsbremsung ausgelegt sind, ist eine solche Bremse nicht vorgesehen und die Bremsseite des Fahrschalters daher gesperrt.

Die wesentlichsten Änderungen im Zuge der Renovierung erfolgten an den Drehgestellen. Da die Stadtbahnmotoren eine völlig andere Motoraufhängung als die Originalmotoren haben, mußte ein zusätzlicher Rahmen im Drehgestell eingezogen werden. Dies und der etwas geringere Radumfang der Stadtbahnräder erzwang eine völlige Erneuerung der Bremsübersetzung. Ebenso war auf die geringere Länge der Stadtbahnachsen Bedacht zu nehmen, weil die Originalachsen nicht zu den Motorlagern paßten und sich überdies schon in recht schlechtem Zustand befanden; durch entsprechende Schwächung der WVB-Achslagergehäuse konnte eine genügende Abstützung der Achsen erreicht werden, ohne die Federaufhängung zu ändern. Neben den kaum sichtbaren Dachwiderständen und den Fahrtrichtungsanzeigern sind die Achslager der Type WVB 1950 die auffälligste äußere Änderung des Wagens überhaupt. Der Wagenkasten selbst weist außer den erwähnten Dachwiderständen und dem Einbau eines Überstromautomaten der Type R 928/1 und eines Blitzschutzes keine Minderungen auf. Der markante Berliner Dreiecksbügel bleibt ebenso erhalten wie die Art der Positionslichter; auch an den vakuumbetätigten Signalhörnern wird nichts geändert. Die Straßenbahnkupplung wird beibehalten und für Notfälle im Wagen ein Übergangskuppelkopf zur Kompaktkupplung mitgeführt. Auch die Übergangstüren bleiben erhalten. Da es bei den WLB nur mehr einen einzigen Wagen (Nr. 72) gibt, bei dem die Übergangstüren noch nicht ersetzt wurden, andererseits der Museumsverein beabsichtigt, einen der Ursprungsbeiwagen wieder in den Originalzustand umzubauen, ist eine Reaktivierung der Obergänge denkbar. Auch die Lackierung entspricht der ursprünglichen hellblauen und cremefarbenen Tönung.

Die bisherige Abteilteilung wird gleichfalls beibehalten, eines der Abteile sogar noch mit der Originaleinrichtung versehen, welche die Direktion der WLB verwahrte und nun zur Verfügung stellte. Lediglich im kleinen Abteil gibt es geringfügige Änderungen, da unterhalb eines Fensters der Kasten mit den Schützen eingebaut werden mußte. Die Innentapezierung erfolgt in blauem Plüsch, die Vorhänge sind in dezentem Goldgelb gehalten.

Viele Stellen haben zum Gelingen dieses in Österreich bisher einmaligen Vorhabens beigetragen; die namhaftesten Unterstützungen gewährten das Bundesland Niederösterreich, die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien und das Bundesministerium für Verkehr, aber auch eine Reihe von Gemeinden an der Strecke der Badner Bahn und sonstige Institutionen, denen bei dieser Gelegenheit gedankt werden soll. Der besondere Dank gilt hier den Arbeitern der Werkstätten der ISTG und der Badner Bahn, ohne deren idealistische Unterstützung der Erfolg dennoch in Frage gestanden wäre; denn die Renovierung eines historischen Hofsalonwagens erfordert eben eine andere Einstellung als die zur Tagesarbeit zählende Revision eines Betriebsfahrzeugs. Stellvertretend für die vielen Mitarbeiter sei hier ein Mann erwähnt, für den die Badner Bahn mehr war als nur Arbeitsplatz und Stätte des Erwerbs Franz Cseri war es, den man fragen mußte, wollte man etwas über die Badner Bahn und ihre Fahrzeuge wissen, wie etwas zu montieren war, welche Ausstattung die Fahrzeuge zu welcher Zeit hatten und vieles andere mehr. Seine Heimstätte war in Wirklichkeit die Werkstätte der Badner Bahn und gerade beim Umbau der Drehgestelle des Salonwagens konnte sich sein Können und seine jahrzehntelange Erfahrung mit all seinem Idealismus für 'seine' Badner Bahn voll entfalten.

Die Geschichte des Hofsalonwagens ist bewegt wie die Geschichte unseres Landes. Mitglieder eines kaiserlichen Hofes gibt es in Österreich nicht mehr. Im Gegensatz jedoch zu anderen Salonwagen soll dieser Wagen nicht ein Museumsstück sein, das ehrfürchtig bestaunt und hin und wieder auch abgestaubt wird, sondern in seiner ursprünglichen Ausführung und mit seiner erlesenen Einrichtung von jedermann benutzt werden können, solcherart ein Zeugnis von der Kultur und dem hohen Niveau des Waggonbaus in Österreich ablegen und eine wertvolle Bereicherung für den Fremdenverkehr darstellen.