Der Hofsalonwagen der Badner Bahn

Der K.K. Hofsalonwagen im restaurierten Zustand. (Foto: Ansichtskarte aus dem Verlag Richard Pietsch & Co. KG. Wien, zur Verfügung gestellt von den WLB)
Innenaufnahme des Hofsalonwagens zur Kaiserzeit. (Foto: Sammlung Dr. H. Pötschner)
Der Hofsalonwagen auf der Trolley-Strecke in der Schimmergasse in Baden bringt Mitglieder des Kaiserhauses nach Bad Vöslau. (Foto: Sammlung Dr. H. Pötschner)
Eine Ausflugsgesellschaft mit dem gemieteten Salonwagen auf dem Stockgleis in Rauhenstein (der Rollenstromabnehmer ist ausgelegt) im September 1915. Fahrpreis (Miete) 100 Kronen. (Foto: Dipl. Ing. M. Löblich, Sammlung Dr. H. Pötschner)

Textauszug aus der Broschüre "Der Hofsalonwagen der Badner Bahn" von Dr. Hans Pötschner, Verlag Josef Otto Slezak, ISBN 3-900134-33-2

Die Aktiengesellschaft der Wiener Lokalbahnen bestellte 1899 bei der Grazer Waggonfabrik Weitzer & Co ihren ersten vierachsigen, zweimotorigen Triebwagen, der im folgenden Jahr geliefert wurde. Er war als Versuchsfahrzeug für den geplanten Durchgangsverkehr Wien - Baden gedacht und sollte auf der am 11. 5. 1899 eröffneten, zweigleisigen und mit 550 V Gleichstrom betriebenen elektrischen Bahn Baden - Guntramsdorf laufen. Auf dieser Strecke verkehrten bis dahin fünf zweiachsige Triebwagen (Nr. 95 - 99) und drei im wagenbaulichen Teil gleichartige Beiwagen, die erst von 1902 an mit den Nummern Ah.15 - 17 versehen wurden.

Der neue Wagen erhielt die Nummer 200. Die aus zwei Motoren Type AB 67 a 50 HP, einem Fahrschalter (für 3 Serien-, 3 Parallel- und 6 Bremsstufen) auf jeder Plattform sowie zwei Lyrabügeln, Blitzschutzeinrichtung und elektrischer Beleuchtung bestehende elektrische Einrichtung lieferte die Electrizitäts-Aktiengesellschaft vorm. Schuckert & Co in Nürnberg. Von 1903 an wurden die Motoren gegen solche der Type AB 65 ausgetauscht. Der dunkelgrüne Wagen hatte eine äußere Länge von 10.770 mm, eine innere Länge von 8150 mm und ein Gewicht von 17 t, ferner 10 Fenster, 12 Sitzplätze II. Klasse und 18 Sitzplätze 111. Klasse. Zum mechanischen Bremsen diente eine achtklötzige Schraubenspindelausgleichsbremse. In seiner gesamten Ausführung mit den ziemlich hohen Drehgestellrahmen, dem relativ kurzen Wagenkasten mit den flachen Stirnwänden, der Ausbuchtung für die Handbremskurbel und dem amerikanischen Dach (ein bis an die Plattformenden vorgezogenes Laternendach, auch Haubendach genannt) erinnerte der Wagen 200 stark an die damals bei den Budapester Verkehrsbetrieben in Verkehr genommenen vierachsigen Triebfahrzeuge.

Neben einigen 'Kinderkrankheiten' wie schlechte Luftzirkulation befriedigte der Wagen auch sonst nicht ganz, da die Wirkung der Handbremse im Verhältnis zum Wagengewicht ungenügend war. Die Behörde gestattete daher vorerst nur eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Das Verhandlungsprotokoll vom 17. 7. 1901 befand den Motorwagen 200 geeignet für den Localverkehr mit Ausschluss der Residenzstadt Wien und mit Ausschluss der Wintermonate sowie bei Frostwetter. Nach endgültiger Genehmigung gemäß Erlaß des k. k. Eisenbahnministeriums vom 25. 2. 1902 verkehrte der Wagen regelmäßig auf der Guntramsdorfer Strecke.

Bei Aufnahme des durchgehenden elektrischen Betriebs Wien-Baden 1906/07 - die Teilstrecke Guntramsdorf-Baden-Leesdorf wurde bereits seit 1. 9. 1906 mit Wechselstrom und den neuen Triebwagen der Reihe 201 - 214 betrieben - wurden die Gleichstromfahrzeuge dieser Linie zum Badener Ortsverkehr überstellt, mit Ausnahme der Triebwagen 95 und 200. Ersterer wurde für den Pendelverkehr Baden-Traiskirchen Aspangbahnhof und für den Wechselstrombetrieb auf dieser Strecke adaptiert, letzterer als für den Ortsverkehr mit seinen teilweise sehr engen Radien ungeeignet vorläufig abgestellt.

Im Jahre 1908 begann in der bahneigenen Werkstätte Inzersdorf der Umbau des Triebwagens 200 in einen Hofsalonwagen. Im Zuge dieses 1911 beendeten Umbaus erhielt der Wagen fünf große Fenster, größere Plattformen ähnlich den bereits erwähnten Wien-Badener-Wagen, wodurch er um 1670 mm länger wurde und sich das Wagengewicht um 4400 kg erhöhte. Anstelle der Gleichstrommotoren wurden mit Gleich- sowie Wechselstrom zu betreibende Motoren der Type BME 50 der Österreichischen Siemens-Schuckertwerke eingebaut, wieder je ein Motor in jedem Achsgestell. Zur Stromabnahme dienten ein Bügel, Type Berliner Dreiecksbügel, für die Überlandstrecke Wien-Baden und zwei Rollenstromabnehmer für jede Fahrtrichtung für die Badener Lokalstrecken mit dem dort installierten Single Trolley-System. Beim Umbau wurde nämlich streng darauf Bedacht genommen, daß der Salonwagen sowohl die Strecke Wien-Baden als auch die Badener Ortslinien (Baden-Vöslau, Baden-Rauhenstein Helenental und Ringlinie Baden) uneingeschränkt befahren kann, wobei selbstverständlich die im Zuge der Badener Ortsstrecken vorkommenden Unterbau-Objekte entsprechend berücksichtigt werden mußten. Als Betriebsbremse wurde die Hardy-Vakuumbremse vorgesehen. Einem Salonwagen entsprechend, wurde der Innenraum in drei Abteile mit salonartiger Einrichtung geteilt.

Am 8. 7. 1911 nahmen die -WLB nach - laut Genehmigungsprotokoll anstandslos verlaufenen - Probefahrten und Bremsversuchen den Hofsalonwagen in Betrieb und setzten nach damaligen Pressestimmen damit einen Akzent an Exklusivität. So berichtete die Österreichische Volkszeitung wörtlich: Heute nachmittag hat von der Endstation am Josefsplatz eine Probefahrt eines Salonwagens der elektrischen Lokalbahn Baden - Wien nach Vöslau stattgefunden. Der Waggon, der nach Art der Salonwagen der Internationalen Schlafwagengesellschaft gebaut ist, wurde in der Inzersdorfer Waggonbauwerkstätte der genannten Gesellschaft mit einem Kostenaufwande von 70.000 Kronen luxuriös ausgestattet. Der eigentliche Salon ist mit Möbeln aus Mahagoniholz eingerichtet. Der neue Salonwagen ist zunächst für die Fahrten der in der Weilburg wohnenden Familie des Erzherzogs Friedrich vom Helenental nach dem Vöslauer Bade und zurück bestimmt. An der Probefahrt, die glatt verlief, nahmen teil: der Verwaltungsrat der Wiener Lokalbahnen Regierungsrat Kuttig, Direktor Bayer der Lokalbahnen, Oberinspektor Löblich, der Bürgermeister der Stadt Baden Dr. Trenner, Vizebürgermeister Brusatti, dann in Vertretung des Bürgermeisters von Weikersdorf Vizebürgermeister Gall. Selbstverständlich ist der Salonwagen derart konstruiert, daß er auch auf dem Hauptgleise der Lokalbahnstrecke Baden - Wien und umgekehrt in Benützung genommen werden kann.

Im Ersten Weltkrieg spielte dieser Salonwagen auch in der österreichischen Staatspolitik eine Rolle, denn Kaiser Karl, der 1916 Franz Josef gefolgt war, hatte seine Familie und das Armeeoberkommando in Baden untergebracht. So stand der Hofsalonwagen der Badner Bahn häufig in Betrieb. Fuhr der Kaiser selbst damit, so mußte jeder Gegenzug anhalten, um - wie bei Hofzügen auch auf Vollbahnen üblich - jede Möglichkeit eines Zusammenstoßes auszuschließen. In der Nähe der Villa Löwenstein am Kaiser-Franz-Ring in Baden, dem heutigen Heim der Kunst, wo Kaiser Karl Audienzen zu geben pflegte, wurde (hinter der Stadtpfarrkirche) mit Einbindung in die Ringlinie ein eigenes Hofzugs-Gleis verlegt.

Den Salonwagen benützten auch gern die in der Eugen-Villa wohnenden Erzherzoge, die auf dem Weg ins Vöslauer Bad mit Pferdewagen von der Eugen-Villa in die Schimmergasse fuhren und von dort an den Salonwagen bis Vöslau benützten (Bild 6). Bei solchen Anlässen lief die Sooßer Schuljugend dem Wagen begeistert entgegen und rief immer wieder: 'Die Weiße kommt'. Der Salonwagen war zwar nicht weiß, sondern hellblau-cremegelb lackiert, aber zum Unterschied von den dunkelgrünen Vöslauer Linienwagen doch so hell, daß die Kinder den Eindruck gewannen, er wäre weiß. Seine betriebsinterne Bezeichnung war 'Edelweißzug'. Wenn der Wagen für den Hof nicht benötigt wurde, diente er schon damals für Gesellschaftsfahrten.